Luftverschmutzung

System der CO2-Zertifikate "verpufft wirkungslos"

Jürgen Tzschoppe im Gespräch mit André Hatting |
Eine Verknappung der Klimazertifikate durch die EU werde kaum Effekte auf den Emissionshandel haben, befürchtet Jürgen Tzschoppe, Geschäftsführer der Statkraft Markets GmbH in Deutschland. Das Versagen des CO2-Handels schade den emissionsärmeren Gaskraftwerken.
André Hatting: Es ist schon seltsam: Deutschland will die Klimawende, aber die Stromproduktion des Klimakillers Kohle, die nimmt immer mehr zu, so stark, dass der größte Teil des Kohlestroms sogar ins Ausland exportiert wird. Noch seltsamer ist, dass die vergleichsweise CO2-freundlichen Gaskraftwerke gerade einmal zehn Prozent der Stromproduktion ausmachen, und geradezu absurd wird es, wenn ein Energieunternehmen für 350 Millionen Euro das weltweit modernste Gas- und Dampfturbinenkraftwerk baut, es dann aber nach wenigen Stunden Betrieb wieder abstellt, weil Strom zu billig ist – richtig gehört. Das ist ein Beispiel aus Köln-Hürth.
Betreiber dieses Gaskraftwerks ist die Firma Statkraft Markets Deutschland. Deren Geschäftsführer heißt Jürgen Tzschoppe, und den begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Tzschoppe!
Jürgen Tzschoppe: Guten Morgen, Herr Hatting!
Hatting: Immerhin, seit dem Herbst laufen Ihre Kölner Gaskraftwerke wenigstens zeitweise, aber warum eigentlich nicht mit Volldampf?
Tzschoppe: Ja, die Gaskraftwerke produzieren immer dann, wenn sie gebraucht werden, und momentan ist der Strombedarf in Deutschland nicht besonders hoch, das ist eine Spätfolge der Krise, die wir seit 2008 erleben. Es produzieren immer die Kraftwerke, die am billigsten sind, und das sind die Kohlekraftwerke im Moment.
Hatting: Wieso ist Kohle so viel billiger als Gas?
Tzschoppe: Das hängt mit zwei Dingen zusammen, zum einen die Preise für den Brennstoff als solcher, Gas ist schlicht teurer als Kohle auf dem Weltmarkt, und zum Zweiten: Das Instrument, mit dem man gegensteuern wollte, um halt die emissionsärmere Gasproduktion zu stärken, das Instrument versagt, das ist dieses Emissionshandelssystem.
Hatting: Das will man ja jetzt steuern oder besser steuern, dieses Zertifikate-Handelssystem, das Sie angesprochen haben. Das funktioniert nämlich nicht mehr, einfach, weil es zu viele davon gibt. Die EU will jetzt das Angebot künstlich verknappen, das ist die Idee, damit soll der Preis für ein Zertifikat wieder steigen. Würde Ihnen das helfen?
Tzschoppe: Als man das System entworfen hat vor sechs, sieben, acht Jahren, da war von Preisniveaus durchaus 30 bis 40 Euro die Tonne die Rede. Das ist ein Preisniveau, was in der Tat die Waage zum Kippen bringen würde und Gaskraftwerke dann auch stärker produzieren lassen würde. Das, was wir momentan allerdings sehen, ist ein Preisniveau, was bei einem Zehntel etwa von diesem Preis liegt, und ob man jetzt bei einem Zehntel oder bei einem Schnaps darüber herauskommt, ist völlig irrelevant, das wird nichts verändern.
"Wir brauchen eigentlich 40 Euro und nicht 4 Euro"
Hatting: Also die, ich glaube, 900 Millionen Zertifikate sind da im Gespräch, die man erst mal bunkern will – das würde nicht viel ändern?
Tzschoppe: Das würde keinen großen Unterschied machen. Also wie gesagt, wir brauchen eigentlich 40 Euro und nicht 4 Euro, 5 Euro oder 6 Euro die Tonne, das wird nicht wirklich etwas für die Umwelt bewirken, und darum geht es ja am Ende des Tages.
Hatting: Ist das ganze System damit für Sie obsolet?
Tzschoppe: Nein, das System ist eigentlich gut und es wird sogar weltweit kopiert. Wahrscheinlich werden uns irgendwann die Chinesen vormachen, wie man es richtig parametriert.
Hatting: Was heißt das, parametriert?
Tzschoppe: Das heißt, dass man im Grunde die Mengen so einstellt, damit man auch wirklich einen Effekt hat. Wir wollen ja einen Umwelteffekt erzielen. Wir machen uns alle große Sorgen um die Klimaerwärmung, aber das Instrument, das wir uns ausgedacht haben, um das zu steuern, das stellen wir halt so ein, dass es wirkungslos verpufft.
Hatting: Der Preisverfall von Strom hatte ja mit der Wirtschaftskrise 2008 begonnen, weil Strom einfach dann weniger gebraucht wurde. Ihnen hat aber auch die Förderung der erneuerbaren Energien geschadet, oder?
Tzschoppe: Die Förderung der erneuerbaren Energien ist ja eine Möglichkeit, um Emissionen zu senken. Das ist in vielerlei Augen das Primärziel. Und das ist natürlich gut, dass man in diese Richtung arbeitet. Wir investieren ja selber auch unheimlich viel in regenerative Energien, weil wir das für richtig halten. Das Wachstum war so schnell, wie wir es nicht vorhergesehen haben, so dass man sagen könnte: Es haben viele, nicht nur wir, sondern auch andere, Kraftwerke gebaut, die zwar modern und umweltfreundlich sind, aber die halt nicht unbedingt benötigt werden, zumindest nicht heute. 2020 mag das anders aussehen.
Hatting: Bis Ostern will Wirtschaftsminister Gabriel seine Pläne für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes fertig haben. Was schlagen Sie ihm vor?
Tzschoppe: Wir denken, das Wichtigste ist zunächst mal, erneuerbare Energien auch richtig in den Markt einzubauen, damit sie auch reagieren auf Nachfrageschwankungen etc. Da sind wir auf einem relativ guten Weg. Es gibt viele Spezialfragen in dem Zusammenhang, die man noch lösen muss, aber wir sind optimistisch, dass man sich hier in die richtige Richtung bewegt. Wir machen uns viel mehr Sorgen um das Thema, dass also Kraftwerke, die eigentlich umweltfreundlich und sehr sinnvoll sind fürs System, dass die abgeschaltet werden und dann irgendwann auch tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stehen.
Hatting: Wie könnte man das verhindern? Wäre so etwas wie Kapazitätsmärkte eine Lösung, also dass man sozusagen auch für die Bereitschaft der Kraftwerke Geld bezahlt und nicht nur für tatsächliche Leistung?
Tzschoppe: Ja, wir kommen immer mehr in eine Situation, wo man tatsächlich schlicht Vorsorge tragen muss für Zeitpunkte, wo zu wenig Stromproduktion aus regenerativen Energien bereitsteht. Und dann wiederum muss es ja das Ziel sein, möglichst kostengünstig diese Leistung bereitzustellen. Und das kann man mit einem Systemwechsel erreichen. Gaskraftwerke sind vergleichsweise günstig, sie sind nicht nur umweltfreundlich, sondern auch viel billiger in der Investition, und dann macht es natürlich sehr viel Sinn, auch solche Kraftwerke in den Vordergrund zu stellen, denn ansonsten geben wir schlicht zu viel aus für Kraftwerke, die dann in Zukunft, in zehn Jahren, nur noch sehr selten laufen.
"Europäisch extrem schwer umzusetzen"
Hatting: Wie bringt man diese Gaskraftwerke in den Vordergrund, wie fördert man die?
Tzschoppe: Kapazitätsmärkte sind ein sehr sinnvolles Instrument hier. Die Alternative wäre ein stark gestärktes Emissionshandelssystem mit Preisen in der Region, wie ich sie eben genannt habe, 40 bis 50 Euro. Das scheint europäisch extrem schwer umzusetzen momentan, deswegen sind vielleicht Kapazitätsmärkte dann die logische Alternative hierzu.
Hatting: Es braucht, das haben Sie schon beschrieben, EU-weite Regelungen. Trauen Sie Gabriel zu, dass er da in Brüssel Druck macht, so kurz vor den Kommunalwahlen im Kohleland NRW?
Tzschoppe: Ich glaube, dass die Aufgabe der Energiewende und die Größe dieser Aufgabe ihm sehr, sehr bewusst ist und er sich jetzt nicht von kurzfristigen Dingen leiten lassen wird. Er hat ja vorgestern selber gesagt: Man muss an diesem System etwas ändern, so kann es nicht weitergehen. Wir werden jetzt sehen, wie er es konkret anpackt, aber ich habe doch große Hoffnung, dass das Thema Energiewende nicht ad absurdum geführt wird in der jetzigen Legislaturperiode, indem die Emissionen steigen, obwohl man unheimlich viel Geld ausgibt für Regenerative, sondern indem man auch an der Stelle gegensteuert.
Hatting: Jürgen Tzschoppe, Geschäftsführer der Statkraft Markets Deutschland. Statkraft ist nach eigenen Angaben Europas größter Erzeuger von erneuerbaren Energien und betreibt auch Gaskraftwerke. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Tzschoppe!
Tzschoppe: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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