Grosse Koalition

"Der CO2-Ausstoß wird weiter steigen"

Anton Hofreiter im Interview mit André Hatting · 30.11.2013
Nach Meinung von Anton Hofreiter wird es mit der Großen Koalition keine wirkliche Energiewende geben. Der Grünen-Politiker kritisiert vor allem den geplanten Ausbau von "dreckigen, unflexiblen" Kohlekraftwerken – zu Lasten der kostengünstigen Windenergie.
André Hatting: Das Bundeskanzleramt wird heute umzingelt, das ist zumindest der Plan von Umweltverbänden. Sie haben zu dieser Aktion aufgerufen und protestieren damit gegen die Pläne von Schwarz-Rot. Ihrer Meinung nach bedeutet der Koalitionsvertrag nicht nur Stillstand in Sachen Energiewende, sondern sogar Rückschritt. Auch politische Parteien unterstützen diese Demonstration, die Linke zum Beispiel, und auch Bündnis90/Die Grünen. Anton Hofreiter ist Chef der Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen, Herr Hofreiter!
Anton Hofreiter: Guten Morgen!
Hatting: Der CO2-Ausstoß soll bis 2050 um bis zu 95 Prozent verringert werden, das steht so im Koalitionsvertrag. Klingt erst mal nicht nach Abkehr von der Energiewende.
Hofreiter: Na ja, 2050 ist noch lang hin. Aber wenn man den Koalitionsvertrag liest, dann wird er zur Folge haben, dass trotz Energiewende der CO2-Ausstoß erst mal steigt. Der CO2-Ausstoß ist ja im letzten Jahr schon gestiegen in unserer Stromproduktion und wird weiter steigen. Die Hauptursache dafür ist, dass die Braunkohlekraftwerke voll durchlaufen und auch ermöglicht wird, dass die unter Volllast laufen. Es stehen sogar im Koalitionsvertrag noch so Bedingungen drin, dass man sich vorstellen kann, sogar Kohlekraftwerke zu subventionieren.
Hatting: Das ist natürlich ein Zugeständnis an die SPD. Es wird aber auch selbst von einigen Fachleuten immer behauptet, dass man die Kohleenergie zumindest als Brückentechnologie noch brauche.
Nigelnagelneues Gaskraftwerk steht dauerhaft still
Hofreiter: Die Kohleenergie ist als Brückentechnologie extrem ungeeignet, weil nämlich Kohlekraftwerke den Nachteil haben, dass sie, neben dem, was sie ökologisch hochproblematisch sind, dass sie unflexibel sind. Was wir auf alle Fälle brauchen als Brückentechnologie und auch unter Umständen mittel- und langfristig als Regelenergie, sind Gaskraftwerke. Und Gaskraftwerke haben den Vorteil, dass sie hochflexibel sind, also zu erneuerbaren Energien sehr gut passen, und dass sie im Verhältnis dazu relativ weniger CO2 ausstoßen. Die verkorkste Energiewende sorgt zum Beispiel dafür, dass wir ein riesiges Gaskraftwerk in der Nähe von Köln haben, das dauerhaft stillsteht, dass sogar richtig eingemottet ist, also ein nigelnagelneues, flexibles, im Verhältnis CO2-armes Großkraftwerk steht still, damit die alten, dreckigen, unflexiblen Braunkohlekraftwerke weiterlaufen können. Das ist doch grotesk!
Hatting: Und würden Sie sagen, dass Beispiel Gaskraftwerk, aber auch Beispiel erneuerbare Energien, dass diese so viele Arbeitsplätze schaffen würden, dass die in der Braunkohle und Steinkohle, die wegfallen würden, aufgewogen sind?
Hofreiter: Bereits jetzt lässt sich eigentlich erkennen, dass die Kombination aus Gaskraftwerken und Netzen und Speichern und erneuerbaren Energien ein Mehr an Arbeitsplätzen als in der konventionellen Produktion von Strom wegfällt. Da muss man natürlich schauen, dass Sie die Übergänge schaffen, denn es sind ja nicht unbedingt die gleichen Leute, die vorher im Braunkohlekraftwerk gearbeitet haben, die dann entsprechend, was weiß ich, die Wartung von großen Windkraftanlagen zur See durchführen. Da muss man sich natürlich was überlegen, aber es ist so, dass dadurch in Nettobilanz mehr Arbeitsplätze entstehen.
Hatting: Zumindest, was die Wirtschaftlichkeit betrifft, scheint es bei der Energiewende noch nicht so richtig zu flutschen. RWE zum Beispiel will bis 2016 allein in Deutschland 4700 Stellen streichen. Grund offiziell ist der Ertragsrückgang durch die Energiewende. Da stimmt doch irgendwas nicht.
"RWE hat halt die Energiewende verschlafen"
Hofreiter: RWE hat halt die Energiewende verschlafen. Das ist deren zentrales Problem. Und wir haben ja inzwischen Unmengen neue Player am Markt wie zum Beispiel Enercon, einen der größten Windkrafthersteller der Welt, der Tausende neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Das Problem von RWE ist, dass die halt weiterhin auf zentrale alte Großkraftwerke setzen und jetzt ihr Geschäftsmodell gefährdet sehen durch die flexiblen, sauberen, neuen, erneuerbaren Energien. Aber das ist natürlich für das einzelne Unternehmen ein großes Problem und eine große Härte für die Mitarbeiter, aber da muss man dem Unternehmen vorwerfen: Ihr habt einfach die neue Zeit verschlafen!
Hatting: Herr Hofreiter, der amtierende Umweltminister hat versprochen, jetzt sofort an das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu gehen, und schon bis zum Sommer zum Beispiel die Rabatte für die großen Stromfresser zu kürzen. Das ist doch auch in Ihrem Sinne, oder?
Hofreiter: Das ist in unserem Sinne, das ist auch richtig, dass da die Rabatte gekürzt werden. Nämlich die Kostensteigerungen der letzten Jahre waren ja nicht mehr, oder nur noch zu 13 Prozent, wenn man die Zahlen betrachtet, durch den Zubau von erneuerbaren Energien, also Fotovoltaikanlagen und Windkraftanlagen verursacht. Die ganzen anderen Kostensteigerungen waren durch einen seltsamen Marktmechanismus und durch die Rabatte verursacht. Das Problem ist bloß, im Koalitionsvertrag findet sich davon fast nichts wieder.
Hatting: Lassen Sie mich das Stichwort Windkraft kurz aufgreifen. Da soll ja der Ausbau gebremst werden. Vor allem die touristischen Hochburgen, die werden da aufatmen, denn die sagen, wir haben schon viel zu viel von den Windrädern vor der Nase. Wollen Sie da noch mehr hinsetzen?
Hofreiter: Windenergie ist mit Abstand die kostengünstigste Form, Energie zu produzieren. Die ist sogar kostengünstiger als ein Kohlekraftwerk. Die ist sogar kostengünstiger als ein neugebautes Braunkohlekraftwerk. Nämlich eine große Windenergieanlage produziert Strom inzwischen zu Kosten von sechs Cent die Kilowattstunde. Das heißt, ausgerechnet die kostengünstigste Form der Energieproduktion soll ausgebremst werden. Das ist doch kompletter Unsinn. Natürlich muss man Landschaftsschutz berücksichtigen, aber man kann doch nicht, wenn man sagt, wir wollen die Kosten in den Griff kriegen, ausgerechnet die Art Strom zu produzieren, die am wenigsten Geld kostet, am stärksten deckeln.
Windenergieanlagen kostengünstiger als Kohlekraftwerke
Hatting: In Mecklenburg-Vorpommern ist es zum Beispiel so, dass viele Windräder noch zur ganz alten Generation gehören. Wäre es sinnvoller, die aufzurüsten, statt massenweise zusätzliche dahin zu bauen?
Hofreiter: Das nennt man Repowering. Natürlich ist es zum Teil sinnvoll, alte Anlagen entsprechend durch neuere zu ersetzen. Aber man muss sich natürlich auch eins überlegen: Wenn die Anlagen noch in gutem Zustand sind, wenn die noch überhaupt nicht kaputt sind, ist es natürlich auch eine Frage, eine noch hervorragend funktionierende Windkraftanlage schon wieder abzureißen und durch einen neue zu ersetzen. Irgendwann wird das dann auch unökologisch vom Ressourcen- und Materialverbrauch. Aber Repowering, wie es so schön genannt wird, ist natürlich eine der Möglichkeiten, die ja bereits umgesetzt wird.
Hatting: Hoffen Sie jetzt, Herr Hofreiter, dass die SPD-Basis die große Koalition ablehnt, damit Sie dann mit der CDU eine bessere Energiewende durchsetzen können?
Hofreiter: Das Problem war ja, wir haben mit der CDU ja sondiert, wir haben sogar zweimal mit ihnen sondiert. Das Thema Energie haben wir zweimal besprochen. Und aus mir völlig unverständlichen Gründen – außer die CDU wollte überhaupt nie mit uns regieren –, hat die CDU als Verhandlungsstrategie gewählt, ausgerechnet beim Thema Energiewende und ökologische Modernisierung überhaupt nichts Substanzielles anzubieten. Und wer mit den Grünen regieren will, muss ihnen auf alle Fälle im Thema Ökologie und Energie was anbieten.
Hatting: Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch!
Hofreiter: Ich sag' danke!
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