Kulturhauptstadt Mons 2015

Was bleibt nach der Abschlussparty?

Eine Plakatwand im historischen Kern von Mons wirbt für die Kulturhauptstadt 2015
Gewesene Kulturhauptstadt 2015: Mons im französisch sprechenden Teil Belgiens. © dpa / picture alliance / Oliver Berg
Von Lisa Schöffel · 19.01.2016
Riesen-Spektakel, prima Stadtwerbung, teures Vergnügen: Was bleibt davon übrig, zwölf Monate lang Kulturhauptstadt Europas gewesen zu sein? Im belgischen Mons gehen nach der Abschlussparty die Meinungen auseinander, ob das Jahr 2015 eine nachhaltige Wirkung haben wird.
Der barocke Glockenturm von Mons trotzt dem Januar-Schneeregen. Mit seiner strahlend-weißen Fassade ist der Belfried, hoch oben auf dem höchsten Berg der kleinen Stadt, das deutlichste Symbol für das, was von Mons als Kulturhauptstadt 2015 geblieben ist. Eigens für das Festjahr restauriert, wurde das Wahrzeichen im Sommer nach über 30 Jahren wiedereröffnet. Seitdem ist der einzige barocke Glockenturm Belgiens, eingetragen in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe, wieder für Touristen geöffnet.
Die Touristen bleiben aus
Doch die Touristen bleiben aus. Der Park vor dem Wahrzeichen ist ausgestorben, das Museum im Turm menschenleer. Genau wie die Jugendherberge am Fuß des Bergs, sagt die freundliche Stimme an der Gegensprechanlage:
"Hier ist die Jugendherberge Mons. Im Moment haben wir geschlossen. Bitte klingeln Sie später noch einmal."
Nach dem Kulturhauptstadtjahr ist Mons in einen Winterschlaf gefallen.
Auf der Grand Place, dem touristischen Herz der Stadt, beliefert ein Lkw ein Geschäft, ab und zu läuft schnellen Schrittes ein Einheimischer vorüber. Saverio Affusó, ein runder Mann Ende 50 mit Pferdeschwanz und Kochschürze, steht rauchend in der Tür einer Pizzeria und lässt den Blick zum historischen Rathaus schweifen. Auf einem riesigen Banner steht da: "Merci! Mons2015". Mons 2015, das war für den Koch vor allem eines:
"Viel Arbeit! Aber es war nett. Jetzt sind die Touristen weg. Es ist ein bisschen trostlos, ruhig. Wir hoffen, dass bald wieder was Neues kommt."
Fünf neue Museen hat die Stadt
Ein paar Häuser die Straße hoch liegt die Stiftung Mons2015. Von hier aus hat ihr Direktor Yves Vasseur das Kulturhauptstadtjahr geplant, entwickelt, durchgeführt. Jetzt sitzt der graue Zweimetermann im Anzug an seinem weißen, leeren Schreibtisch. Einen der größten Verdienste der Stiftung sieht Vasseur in der "Neuen Geografie" der Stadt, wie er sagt. Fünf neue Museen, der neue Belfried, die vielen renovierten Häuser, das sei doch was:
"Bevor man die Bewohner einer Stadt verändert, muss man die Stadt verändern. Die Gebäude. Sie attraktiver und schöner machen."
Tatsächlich: An vielen Orten in den steilen kopfsteingepflasterten Gassen, zwischen verwunschenen Hinterhöfen und pittoresken Parks hat die Kultur ihre Plätze gefunden. Ob in Form eines riesigen Vogelnestes aus Holzbalken von Arne Quinze oder als gläserner Museumsneubau. Das finden auch viele Bewohner der ehemaligen Bergbaustadt toll:
"Ich komme aus Mons, ich bin hier geboren. Und ich habe die Verwandlung der Stadt gesehen! Ich bin stolz auf diese Evolution, stolz darauf, wohin wir uns bewegen. Früher war Mons so verkommen. Jetzt hat die Stadt ihren Platz auf der Landkarte gefunden, man redet über Mons."
Nicht alle Monser sind überzeugt
Doch nicht alle in Mons empfinden das Projekt Kulturhauptstadt als ihr Projekt. Direktor Vasseur und die Stadtpolitiker wurden oft kritisiert. Der Vorwurf: Die Idee einer Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas sei nicht aus der Bevölkerung gekommen, man hole die Menschen aus Mons nicht mit ins Boot. Am Ende gab es dann doch viele Projekte, gemeinsam mit den Bewohnern der Stadt. Ein riesiger Chor mit 500 Sängern etwa oder große Kunstfeste in der Region, die mehr als eine Million Menschen zusammengebracht haben. Aber, nicht nachhaltig, findet die Monserin Fabienne Skufsant:
"Was bleibt, sind die neuen Museen. Ja und das war's! Ansonsten bleibt nichts Großes. Viele Museen und wenig Leute, um reinzugehen."
Tatsächlich ist keines der Bürger-Projekte bestehen geblieben. Stattdessen hat der Direktor der Stiftung Mons2015 nach 11 Jahren im Dienst die Geschäfte pünktlich zum einsetzenden Winterschlaf in Mons an eine kleine Arbeitsgruppe von Mitarbeitern übergeben. Erst langsam beginnt die, auszuloten, welche der Projekte wieder aufleben könnten:
"Die Frage ist: Wann fangen wir wieder an? Wir müssen jetzt schnell Antworten geben, denn diese besondere Stimmung, die wir geschaffen haben, kann schnell verfliegen."
Theaterregisseur Daniel Decot sitzt in einem dunklen holzvertäfelten Café am Grand Place und schaut nach draußen in den Schneeregen. Im letzten Jahr hat der 55-jährige mit Glatze und grauem Vollbart ein Stück am großen Theater "Le Manège" inszeniert, fürs Programm der Kulturhauptstadt:
"Für 2016 wurde uns kein neues Projekt präsentiert. Für Mons2015 bin ich ein Jahr vorher angerufen worden. Bis jetzt gab's keinen Anruf. Die ganzen Künstler aus Mons sind wieder arbeitslos. Ich denke, 2016 könnte künstlerisch gesehen ein mageres Jahr werden – vielleicht sogar magerer als vor 2015."
Die Chefin des Tourismusbüros ist optimistisch
Ganz anders Natacha Vandenberghe. Die Leiterin des Tourismusbüros von Mons ist glücklich über die neue Touristeninfo. Über zwei Millionen Touristen, 5-mal mehr als sonst, seien 2015 nach Mons gekommen, erzählt Vandenberghe strahlend. Dass die Museen jetzt, nach Ende des Kulturhauptstadtjahres, leer bleiben, beunruhigt sie nicht:
"Jetzt zu Jahresbeginn ist der Tourismus recht schwach. Aber das ist normal, das war immer so. Ich glaube fest daran, dass dieses Jahr viel mehr Touristen kommen als 2014."
Um das zu erreichen, werde weiter geworben, in Belgien aber auch in Deutschland. Aber noch ist der neue Tourismuskatalog nicht gedruckt. Nach einem aufregenden Jahr herrscht jetzt erstmal Winterschlaf in Mons.
Mehr zum Thema