Kohle in Lebensmitteln

Verbranntes Essen? Lecker!

Grillen
Verbrannte Grillwurst kann man laut einer kanadischen Studie ruhig essen. © imago/blickwinkel
Von Udo Pollmer · 18.08.2017
Experten warnen vor angebranntem Essen, es sei krebserregend. Udo Pollmer meint hingegen, das sei alles gar nicht so schlimm. "Verkohlt" sei mittlerweile richtig hipp.
Wer bisher in Sachen Ernährung schwarzgesehen hat, darf sich jetzt bestätigt fühlen: Nach den Zeiten, in denen ständig Früchte in den Ampelfarben rot, grün und gelb verspeist werden mussten, ist nun schwarze Kost angesagt.

Ist da wirklich Kohle drin?

Losgetreten hat den Unfug eine geschäftstüchtige Schauspielerin: Oscarpreisträgerin Gwyneth Paltrow ließ Kohlenstaub in Limonade rühren und verkauft den Liter "mit aktivierter Holzkohle" für knapp 20 Dollar. Die macht jetzt richtig "Kohle". Die süße Plörre soll im Gegenzug das schmuddelige Innenleben des Käufers reinigen. Weil Gelangweilte stets nach neuen kulinarischen Marotten gieren, werden nun auch bei uns alle möglichen Speisen geschwärzt – zum Beispiel mit künstlichem Brilliantschwarz. Hauptsache Entgiftung, Hauptsache Detox.
Es ist fraglich, ob in Miss Paltrows schwarzer Detox-Limo wirklich Aktivkohle schwimmt, denn die ist in den USA nur als technischer Hilfsstoff, nicht aber zum Färben zulässig. Aktivkohle ist außerdem kein brauchbarer Farbstoff – im Gegenteil, sie wird zum Entfärben zugesetzt, zum Beispiel von Weißwein oder weißem Rum; bei Bier und Wodka darf sie Fuselalkohole und Fehlgerüche absorbieren, in Schuheinlagen den Schweiß. Aktivkohle entfernt Schadstoffe aus Trinkwasser und Speiseöl. Nach Gebrauch wird sie recycelt oder mitsamt den Schadstoffen verbrannt.

In der Medizin wirkt Aktivkohle bei Lebensmittelinfekten, sie bindet bakterielle Gifte im Darm und stoppt so den Durchmarsch der Keime. Insofern passt sie zu einer modernen rohkostbetonten Ernährung mit selbstgebrauten grünen Smoothies, die vor sich hin gären. Natürlich bindet die poröse Aktivkohle nicht nur Gifte aller Art, sondern ebenso Arzneimittel und Vitamine. Diese Fähigkeit verdankt sie einer besonderen Eigenschaft: Ein Gramm hat eine innere Oberfläche von etwa 1.000 Quadratmetern. Hergestellt wird Aktivkohle übrigens aus Holz, Kunststoffabfall, Tierblut, Kohle und Knochen.
Eine Hand hält einen schwarzen Burger in die Luft. Dahinter blauer Himmel.
Der "Black Metal Burger".© picture alliance / Christophe Gateau / dpa

Käse mit Aschebehandlung

Neben der Aktivkohle gibt es noch die vegetabile Kohle, ein Farbstoff mit der E-Nummer 153. Damit wird Käse schwarz gefärbt, eingedenk einer alten Methode zur Konservierung: Man rieb früher die Oberfläche mit Asche ein, dadurch wurde sie trockener, was Fäulnis bremste und vor allem die Fliegen fernhielt. Aus diesem Grund hat auch der berühmte französische Morbierkäse mittig eine waagrechte Schwarzfärbung: Da einstmals das Gemelk für große Käse nicht reichte, wurde die Milch dickgelegt, und die halbhoch befüllten Formen mit Asche bestreut. Tags darauf kam die zweite Schicht drauf und man erhielt einen ansehnlichen Laib. Geblieben ist von der früher üblichen Aschebehandlung nur noch die zweckfreie Färbung von Käse und Käseüberzügen mit E 153.
Leicht verwechselbar sind beide "Kohlesorten" mit billigem Ruß. Ruß wird für Druckerschwärze benötigt, der Löwenanteil allerdings landet in Autoreifen. Er senkt den Rollwiderstand. Genau das hatte es manchen Erzeugern von Schinken angetan. An der bayerischen Ost-Grenze haben hemdsärmelige Bauern in der Räucherkammer statt Buchenholzscheiten abgefahrene Autoreifen verbrannt. Innerhalb von 45 Sekunden waren die Schinken rabenschwarz. Die Touristen freuten sich über die regionale Spezialität direkt vom Erzeuger. Heute gehören diese sogenannten "Pirellischinken" der Vergangenheit an.
Eine Kugel schwarzes Eis in einer Waffel vor verschwommenem Hintergrund.
"Grubengold": Vanille, Schokolade, Milch, Zucker und Pflanzenkohle© picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd
Ruß gilt als womöglich krebserregend, eine Einstufung die auf Rattenversuchen basiert: Bläst man den Nagern Ruß in die Lunge, können sich Tumore bilden. Bei Mäusen passiert jedoch nichts und auch bei der jüngsten Studie mit Arbeitern in der Rußherstellung war die Krebsrate nicht erhöht.

Ist Verbranntes krebserregend?

Auch bei Gegrilltem und Gebratenem warnen Experten vor dem Verbrannten, weil darin krebserregendes Benzpyren lauern würde, das bei der Verbrennung von Holzkohle entsteht. Doch die ganze Aufregung ist wohl umsonst: Gerade das Angekohlte absorbiert bei Verzehr diese Substanzen, wie eine kanadische Untersuchung bestätigte. Nicht umsonst hat die Menschheit eine Evolution mit dem Feuer – die längste Zeit davon sogar mit der offenen Flamme. Da lob ich mir doch eine dunkle Bratwurst statt mich von einer Schauspielerin mit Limo verkohlen zu lassen.

Literatur:
Steafel E: Cold pressed charcoal: the new health juice of 2017. Chinadaily.com vom 4. Feb. 2017
Eber H: Drinking charcoal: the latest crazy cleansing trend. New York Post Online 16. Feb. 2015
Gavura S: Activated charcoal: The latest detox fad in an obsessive food culture. Science-Based Medicine Blog vom 7. May 2015
Muermann B et al: Handbuch Lebensmittelzusatzstoffe. Behr’s, Hamburg 2017
Stavric B, Klassen R: Dietary effects on the uptake of benzo(a)pyrene. Food & Chemical Toxicology 1994; 32: 727-734
Kieseritzky vK: Beim Grillen nichts verkohlen lassen. Deutsche Krebsgesellschaft Onko-Portal vom 14. Juli 2015
Pollmer U: Grillwürstchen und Gemüsebeine. Deutschlandradio Mahlzeit, Beitrag vom 20.07.2008
Morfeld P, McCunny RJ: Carbon black and lung cancer: testing a new exposure metric in a German cohort. American Journal of Industrial Medicine 2007; 50: 565-567
Choi Y et al: Performance of retrievable activated carbons to treat sediment contaminated with polycyclic aromatic hydrocarbons. J Hazard Mater. 2016; 320: 359-367
Olson KR: Activated charcoal for acute poisoning: one toxicologist’s journey. Journal of Medical Toxicology 2010; 6: 190–198
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