Gefahrgut

Ein Roboter für den Treibstofftransport

Mitarbeiter in der PCK Raffinerie GmbH im brandenburgischen Schwedt
In der Raffinerie in Schwedt soll es künftig einen Gefahrgutroboter geben. © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Von Thomas Gith |
Roboter gibt es heute in vielen Bereichen. Auch die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt will künftig eine mobile Maschine einsetzen. Dort soll sich ein Roboter sogar in komplexen Situationen von selbst zurechtfinden.
Mit dem Auto fahren wir über das Gelände der PCK Raffinerie in Schwedt. Über die Straßen sind hunderte Rohre in Brückenform gebaut, haushohe Öltanks, Schornsteine und ein eigenes Kraftwerk ragen in den Himmel.
Die Raffinerie ist eine Stadt neben der eigentlichen Stadt: Mit einer Ausdehnung von vier mal sechs Kilometern ist sie sogar größer als das Zentrum von Schwedt. Einem Ort an der polnischen Grenze mit etwa 30.000 Einwohnern. Durch eine Pipeline fließt hier permanent Erdöl aus Russland in die Raffinerie, erzählt Logistikchef Harry Gnorski.
Gnorski: "Ja, wir verarbeiten hier circa 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Und die Produkte werden natürlich hauptsächlich in unserem Homemarket verbreitet, dazu zählen wir den Berliner Raum und, ja, Berlin und Brandenburg in Summe und dann natürlich auch Tanklager in ganz Deutschland."
Etwa zehn Prozent des deutschen Kraftstoffes werden in Schwedt produziert: Benzin, Diesel, Flugturbinentreibstoff und Heizöl gehören dazu.
Mittlerweile sind wir am Güterbahnhof der Raffinerie angekommen. Über eine Stahltreppe gelangen wir auf eine Empore über den Gleisen. Unter uns steht ein Zug: Kesselwagen reiht sich an Kesselwagen - in sie wird der Kraftstoff gefüllt und abtransportiert.
Gnorski: "Ja, also so ein Zug besteht im Durchschnitt aus 22 bis 24 Kesselwagen. Es sind also mehrere hundert Meter, die dieser Zug Länge hat, bis zu 400 Metern und die sieht man hier in voller Kraft, deswegen ist das Ende nicht so richtig scharf zu sehen von hier aus."
Hier im Verladebahnhof soll künftig der Roboter arbeiten. Richtige Schwerstarbeit wird er leisten. Arbeit, die derzeit noch die Mitarbeiter erledigen: Die müssen die Deckel oben auf den Kesselwagen öffnen.
"Ein Kesselwagen hat meistens vier Knebelschrauben"
Über die sogenannten Domdeckel wird dann der Treibstoff eingefüllt. Ein Arbeiter geht von der Empore aus zu einem Kesselwagen, lässt einen Korb auf dessen Dach hinab und beginnt, vom Korb gesichert, den Domdeckel aufzuschrauben.
Gnorski: "Ein Kesselwagen hat meistens vier Knebelschrauben, die müssen also genöffnet werden, entweder per Muskelkraft, wie wir es hier gesehen haben, oder mit einem Gummihammer."
Mit dem Hammer schlägt der Arbeiter die Schrauben am Domdeckel auf. Sobald er mit einem Wagen fertig ist, rollt der nächste an. 24 Stunden am Tag wird hier verladen, 365 Tage im Jahr.
Doch künftig soll ein Roboter die Domdeckel aufschrauben. Denn: Junge Mitarbeiter sind hier schwer zu finden - und die Arbeit ist belastend.
Gnorski: "Ja, wir haben ja gesehen, dass das öffnen der Domdeckel ein durchgängig manueller Prozess ist mit hohem Kraftaufwand. Also die Schrauben sind auch nicht immer lose angezogen, es gibt Schrauben, die sind sehr fest angezogen und das erfordert natürlich sehr viel Kraft.
Und unsere Kollegen, vor dem Hintergrund Demografie, werden auch nicht jünger, werden älter. Und wenn sie das hier über 20, 30 Jahre machen, dann gibt es natürlich schon mal Verschleißerscheinungen und dem wollen wir auch entgegenwirken."
Für einen Roboter ist diese Aufgabe allerdings erstaunlich schwer zu lösen: Denn es gibt Dutzende Arten von Domdeckel, die Schrauben sind immer an anderen Positionen, die Knebel verdreht.
Der Roboter kann also nicht stumpf wie in vielen Fabriken immer die gleiche Aufgabe ausführen – er muss sich jedes Mal neu orientieren.
An der TU Cottbus, rund 200 Kilometer von Schwedt entfernt, arbeiten Forscher an dem System. Professor Ulrich Berger steht im Labor: Auf dem Boden liegt der Domdeckel eines Kesselwagens, daneben ist ein rund zweieinhalb Meter langer Roboterarm montiert. Der fährt auf den Deckel zu, bleibt über ihm stehen.
Berger: "Also er verharrt jetzt circa einen Meter fünfzig über dem Deckel. Wir haben ja einen Roboter mit einer großen Reichweite, mit einem Radius von etwa vier, fünf Metern.
Der Roboter braucht etwas länger als der Arbeiter
Das heißt, das Gerät verharrt in einem Meter fünfzig, im sicheren Abstand über dem Domdeckel, und versucht jetzt die Lage und Position der Knebelschrauben auf Plusminus drei Millimeter genau zu erkennen und zu erfassen. Die es ihm erlaubt, mit dem Universalgreifsystem, die Knebelschrauben zu öffnen."
Mit einer Kamera scannt der Roboter einige Sekunden lang den Domdeckel. Dabei verarbeitet eine Software in seinem Inneren die Farbbilder und die räumlichen Koordinaten, berechnet so die genaue Position der Schrauben. Dann fährt der Arm plötzlich hinunter, setzt seinen Metallgreifer punktgenau auf eine der Knebelschrauben, dreht sie auf.
Berger: "Wir haben es hier ja circa zehn Umdrehungen zu tun. Das heißt, eine normale Roboterhand könnte sicherlich sich nur einmal um sich selber drehen. Das heißt, der Mechanismus ist in der Lage, hier mehrere Umdrehungen hintereinander durchzuführen, bis die Schraube komplett aufgeschraubt ist."
Sobald eine Schraube gelöst ist, fährt der Roboterarm hoch, dreht sich zur nächsten Schraube. Am Ende setzt er einen Magneten auf den Deckel, öffnet ihn.
Der Roboter braucht insgesamt etwas länger als der Arbeiter - doch er agiert autonom in einer komplexen Umgebung, erkennt seine Aufgaben von selbst. Die Elektronik muss dabei gut verkapselt sein – schließlich soll der Roboter draußen agieren: Bei Regen, Wind, Eis und Schnee.
Harry Gnorski geht zwischen zwei Bahngleisen entlang, zeigt den möglichen Einsatzort im Verladebahnhof der Raffinerie.
Gnorski: "Wir stehen also hier am Ende der Trasse, im Verladebereich und hier sind unsere Vorstellung so, dass wir in diesem Bereich einen Roboter installieren, der zwischen diesen zwei Gleisen auch hin- und herfahren kann, auf einer Arbeitsebene, sodass wir einen Roboter später installieren, der auf zwei Gleisen die Kesselwagen öffnen kann."
Noch steht der Prototyp des Roboters im Labor an der TU Cottbus. Doch bereits im kommenden Jahr könnte er hier in Schwedt eingesetzt werden – und dann selbstständig die Deckel der Kesselwagen öffnen. Kontrollieren, ob er richtig arbeitet, werden ihn dann die Mitarbeiter vor Ort.
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