Gedehnte Zeit

Geschichten vom Warten

Eine Marmorbüste von Homer im Antikenmuseum in Basel, am 13. März 2008.
Auch Homer soll das Warten zum Lebensinhalt erhoben haben. © picture alliance / dpa / Georgios Kefalas
Von Beate Ziegs · 24.12.2017
Fünf Jahre seines Lebens verbringt ein Bundesbürger im Durchschnitt mit Warten: an Kassen oder Schaltern, im Auto, vor geschlossenen Türen oder schlaflos im Bett. Das ist selten ein erstrebenswerter Zustand - Wünsche wollen jetzt gleich erfüllt werden.
Daher ist die sofortige Lieferung ein zentrales Versprechen der heutigen Konsumgesellschaften. Ihnen erscheint Warten als unsinnige Verschwendung, denn Zeit sei ja nichts anderes als Geld!
In der Literatur jedoch gibt es keine vertane Zeit, keine leeren Minuten, Stunden oder Tage. Im Gegenteil: Homer, Samuel Beckett, Gabriel García Márquez, Vladimir Sorokin, David Leavitt oder Gabriele Wohmann erheben das Warten zum Lebensinhalt, der nicht immer langweilig oder quälend sein muss. Manche Schriftsteller verleihen ihm sogar einen aktiven Charakter. Hirnforscher, Psychologen und selbst einige Investmentbanker geben den Literaten recht und haben die besonderen Qualitäten des Wartens erkannt.
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