Islamisches Museum in Berlin

Rettung aus Riad − geht das in Ordnung?

Direktoren unter sich (v.l.n.r): Stefan Weber, Direktor des Islamischen Museums, Michael Eissenhauer, Staatliche Museen zu Berlin, Lamia al Majed (Alwaleed Philanthropies Stiftung), Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Direktoren unter sich (v.l.n.r): Stefan Weber, Direktor des Islamischen Museums, Michael Eissenhauer, Staatliche Museen zu Berlin, Lamia al Majed (Alwaleed Philanthropies Stiftung), Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz © Foto: Werner Bloch
Von Werner Bloch · 21.06.2018
In einer Kooperation will eine finanzstarke Stiftung aus Saudi-Arabien das Islamische Museum in Berlin sponsern. Macht sich damit eine große deutsche Kulturinstitution von einem totalitären Staat abhängig?
Es roch nach ganz großer Diplomatie. Der Auftritt von Prinzessin Lamia bint Majed al Saud im Muschatta Saal des Museums für Islamische Kunst wirkte fernsehreif und machte Stefan Weber, den Direktor des Museums, sichtlich stolz. Ein Hauch von Staatsbesuch.
Doch geht das in Ordnung? Kann man als deutsche Institution Geld annehmen aus einem Land wie Saudi-Arabien, in dem die Menschenrechte dauerhaft verletzt werden, in dem Dutzende Oppositionelle hingerichtet wurden und viele im Gefängnis sitzen?
Lamia al Majed, die Präsidentin von Alwaleed Philanthropies, war gekommen, um sich der Öffentlichkeit zu stellen und präsentierte einige Projekte ihrer Stiftung. Es ist die größte Stiftung in der arabischen Welt, mit einem Kapital von 34 Milliarden Euro. Eines der Kernthemen: die Förderung von Frauen.
Lamia al Majed: "Wir freuen uns über die Initiative des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, Frauen zu fördern. Der Gründer unserer Organisation, Prinz al Walid ibn Tahal, war einer der ersten überhaupt, die Frauen gefördert haben. Wir handeln nicht nach politischen Gesichtspunkten. Aber die ersten Wahlen, die überhaupt jemals in Saudi-Arabien mit Frauenbeteiligung stattfanden, waren Kommunalwahlen. Und mit unserer Stiftung waren wir die ersten, die Kurse und Workshops für Frauen angeboten haben, um zu zeigen, wie man abstimmt, den besten Kandidaten auswählt, Wahlkampf macht, welche Rechte saudische Frauen haben. Und all das geschieht jetzt in Saudi-Arabien ganz offiziell. Darüber sind wir glücklich."
Alwaleed Philanthropies ist weltweit tätig, in 164 Ländern. Meist geht es um Katastrophenhilfe, Entwicklung, Impfungen − oder eben, wie jetzt im Fall Berlins, kulturelle Zusammenarbeit.

Geld für brillante Ideen

Neun Millionen Euro bekommt das Islamische Museum nun aus Saudi-Arabien. Gefördert werden sollen damit auch Ausbildungsvorhaben und das Projekt Multaka. Das heißt: Im Museum werden Migranten aus Damaskus oder Aleppo zu Museumsführern ausgebildet und zeigen Flüchtlingen auf arabisch die Schätze des Museums – eine brillante Idee. Dafür gab es schon mehrfach Preise und viel Lob von BBC bis "New York Times" – nur eben kein Geld.
Stefan Weber braucht Geld, um den Umbau seines Museums voranzutreiben und ein ganz neues Museum zu schaffen, das es noch nirgendwo gibt, wie er sagt, ein islamisches Museum 2.0.:
"Wir wollen das Museum umbauen, wir wollen in die Gesellschaft hineingehen mit wichtigen gesellschaftlichen Themen. Dafür habe ich aber null komma null Cent, also alles, was ich an Prorammarbeit mache, muss ich von außen holen. Es gibt kein Geld, das muss ich alles irgendwo herholen."
Eingesammelt wird dieses Geld nun in Riad. Die Stiftung Alwaleed Philanthropies gehört dem Milliardär Al Walid Ibn Talal. Seine Stiftung entstand vor 38 Jahren und ist so etwas wie das arabische Gegenstück zur Bill Gates Stiftung.
Stefan Weber: "Die haben sehr viel unterstützt, ich kenne schon länger die Walid-Zentren, in Oxford, Cambridge, Edinburgh oder an den US-Universitäten, und auch natürlich die Förderung in Paris am Louvre, und da haben wir gedacht: Wenn die das machen, lass uns mal anklopfen und fragen, ob sie nicht auch was für uns haben, denn wir haben wichtige Dinge zu tun."
Über zehn Jahre bekommt das Islamische Museum nun Unterstützung aus Saudi-Arabien. Zwar wesentlich weniger als der Louvre (der erhält 22 Million Euro), aber in Berlin ist das erst mal die Rettung, qualifizierte Mitarbeiter können gehalten werden.

Chance für gegenseitiges Verständnis

Doch eine Rettung um welchen Preis? Muss sich das Museum einer saudischen Agenda unterwerfen und Dankbarkeit zeigen? Gibt es seine demokratischen Standards auf? Ein brisantes Thema.
Zum Beispiel Jemen: Einerseits führt Saudi-Arabien im Jemen einen Krieg und zerstört jemenitische Kultur; andererseits fördert es das jemenitische Kulturerbe im Islamischen Museum in Berlin. Macht sich das Museum abhängig?
Keineswegs, sagt Stefan Weber – und reagiert auf seine Art. Schon im Juli soll eine Ausstellung zur Architektur des Jemen gezeigt werden:
"Wir sind gewöhnt, mit Feldern umgehen, wo die Akteure nicht miteinander können, aber das ist auch unsere Chance, eine Plattform zu bieten, um damit umzugehen. Für uns ist sehr wichtig, dass wir gerade, wenn wir eine solche Förderung haben, ganz klar sagen können: Trotzdem zeigen wir natürlich das jemenitische Kulturerbe, wie es zerstört wird, und das ist ein ganz gutes Zeichen für alle, darüber nachzudenken."

Frauenförderung vom Milliardär

200 Millionen Dollar soll Stiftungsgründer Prinz Al-walid ibn Talal nach Einschätzung des "Spiegel" jährlich spenden. Er gilt als reichster Geschäftsmann der arabischen Welt, hält Beteiligungen an Apple, Amazon, McDonalds, Twitter und Disney.
Prinzessin Lamia al Saud steht für die wohltätigen Zwecke des Unternehmens. Sie ist gelernte Journalistin, sie hat Marketing studiert und einen Roman geschrieben. In Berlin gab sich die Prinzessin, die High Heels trägt, durchaus offen und zugewandt auch für schwierige Fragen.
Vor allem fördert Prinzessin Lamia al-Saud Frauen. Im Werbevideo der Stiftung sieht man eine junge Frau, die auf einem Hügel steht und sich dann plötzlich in eine Schlucht stürzt, gemeinsam mit einem Mann, der ihr folgt. Mit einem Wingsuit rasen die beiden zu Tal.
Das ist schon stark in einem Land, in dem die Förderung von Frauen bisher vor allem ein Lippenbekenntnis war.
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