Diversität im Fernsehen

Wer spricht über Rassismus?

03:36 Minuten
Leeres Studio der ARD-Talkshow 'Maischberger'.
Vielleicht auch keine schlechte Idee: In manchen Talkshows könnten die Plätze besser leer bleiben, als Menschen über Dinge sprechen zu lassen, von denen sie nicht betroffen sind. © Geisler-Fotopress
Ein Kommentar von Hadija Haruna-Oelker · 08.06.2020
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Talkshows diskutieren Rassismus – aber nicht immer mit Menschen, die auch davon betroffen sind. Die Redaktionen justieren nach und so kam auch die Politologin Hadija Haruna-Oelker zu Wort. An diesem Beispiel kann man viel lernen, sagt sie.
Seit der Aktion #BlackoutTuesday, bei der Millionen Menschen schwarze Fotos auf Instagram posteten, um auf das Thema rassistisch motivierte Polizeigewalt aufmerksam zu machen, hören wir wieder, wie Schwarze Menschen aufgefordert werden, über ihre persönlichen Erfahrungen zu sprechen.
Seit Jahren müssen sie immer wieder ihre Rassismuserfahrungen belegen und werden danach nicht selten mit Kommentaren hinterfragt: "Ich kann da keinen Rassismus sehen." Und sie müssen aushalten, wenn im Fernsehen zur besten Sendezeit weiße Menschen über Rassismus sprechen – ohne sie.

Die Betroffenen mehr zu Wort kommen lassen

Wie kommt es, dass es nach den Anschlägen von Hanau und den Appellen, die Betroffenen mehr zu Wort kommen zu lassen, eine Reihe Talkshows und Debattenformate ihre Diskutierendenrunde zu Rassismus und Polizeigewalt mit einer weißen Gästeliste besetzen konnten und sich wunderten, dass sie damit einen Sturm der Entrüstung auslösen?
Wer über Rassismus sprechen möchte, aber niemanden einlädt, der ihn erlebt, diskriminiert genau diese Menschen. Aber das sind Schwarze Menschen schon gewohnt. Der Journalist Fabian Goldmann hat nachgezählt, wie viele von ihnen vergangenes Jahr in einer politischen Talkshow saßen: drei! Dabei könnten sie über so viele Themen sprechen, nicht nur über Rassismus. Andersherum ist natürlich nicht jede oder jeder Schwarze geeignet, über Rassismus zu sprechen. Es gibt auch in diesem großen Themenfeld Fachleute. Es bedarf also Recherche.

Viele Stimmen ergeben ein differenziertes Bild

Die übernahmen auf Twitter vergangene Woche dann hunderte Menschen, in denen sie Listen mit Namen veröffentlichten. Der Sturm zeigte Wirkung. Die Sendungen justierten nach, luden Schwarze Gäste ein. Für viele von ihnen keine einfache Situation, sich dafür zu entscheiden, eine nachträgliche Einladung anzunehmen.
Die in letzter Minute bei Maischberger eingeladene US-Germanistin Priscilla Layne aus den USA kommentierte auf Twitter ihre Entscheidung am Mittwoch mit drastischen Worten: Sie verstehe nun, dass ihre Einladung viel von dem "Bullshit" zeige, dem Schwarze Deutsche ausgesetzt seien. In der Sendung am Mittwoch selbst wurde das Thema Rassismus und Polizeigewalt in Deutschland dann aber völlig ausgeblendet. So geht es nicht.
Ich nahm die Einladung zu Markus Lanz dritter Sendung zum Thema am Donnerstag an, mit dem Wunsch, als Schwarze Person nicht allein zu sein. Für alles sprechen zu müssen: Persönlich, journalistisch, wissenschaftlich fundiert ist nicht nur anstrengend, auch nicht richtig. Denn viele Stimmen ergeben ein breites und differenziertes Bild. Weil es schlussendlich eine heterogene Besetzung gab, wurde mein Besuch eine gute Erfahrung. Es geht doch.

Aushalten, was gesagt wird

Was lernen wir daraus? Dass es die Offenheit und den Reflexionswillen der Sendungsverantwortlichen braucht, um Schwarzen Menschen das Wort zu geben, ihnen wirklich zuzuhören. Auch mal auszuhalten, was gesagt wird, weil es die Perspektiven auf ein Thema verändert. Das gilt übrigens nicht nur für Talkshows. Dann könnten wir einen Schritt weiterkommen, um zu verstehen, was den Unterschied macht für Schwarze und weiße Menschen.
"Rassismus ist nicht schlimmer geworden, er wird jetzt gefilmt", erklärte der Schauspieler Will Smith treffend. Wer Bilder als Beweis dafür braucht zu glauben, dass er tatsächlich da ist - der Rassismus und damit auch Polizeigewalt -, der hat ein Privileg. Den Vorteil, nicht hinsehen zu müssen. Schwarze Menschen aber brauchen keine Videos, um zu wissen, dass es diese Gefahren auch hierzulande gibt. Sie kennen die Fälle und Geschichten, sie haben sie selbst erlebt.

Hadija Haruna-Oelker ist Politikwissenschaftlerin und lebt und arbeitet als Autorin, Redakteurin und Moderatorin in Frankfurt am Main. Hauptsächlich ist sie für den Hessischen Rundfunk tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Jugend und Soziales, Migration und Rassismusforschung. Haruna-Oelker ist Preisträgerin des ARD-Hörfunkpreises Kurt Magnus 2015.

© Foto: Katarina Ivanisevic
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