Sachbuch "China-Protokolle“

Mit Folter und Zwangsabtreibungen gegen Uiguren

13:07 Minuten
Asgar Can, Vorsitzender der Ostturkistanischen Union Uigurische Gemeinde bei einer Rede waehrend einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt im Bezirk Berlin-Mitte. Dahinter protestieren maskierte Demonstranten der Aktivistengruppe Die Jungen Gerechten mit Transparenten und Protestplakaten gegen den Voelkermord an den Uiguren in der chinesischen autonomen Region Xinjiang und der Einhaltung der Menschenrechte und fordern einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking.
Zu Wort melden können sich in erster Linie Uiguren die im Ausland leben. © imago / Olaf Schuelke
Alexandra Cavelius im Gespräch mit Christian Rabhansl · 12.02.2022
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Chinas Regierung geht grausam etwa mit medizinischen Versuchen, Zwangsarbeit, bis hin zum Mord gegen Minderheiten im Land vor, beschreibt Alexandra Cavelius in ihrem neuen Buch. Zuleich betreibe China seine Propaganda auch im Ausland.
Die Autorin und Journalistin Alexandra Cavelius hat bereits das zweite Buch über den Umgang Chinas und der Kommunistischen Partei (KPCh) mit Minderheiten wie den Uiguren und den Kasachen veröffentlicht. „China-Protokolle – Vernichtungsstrategien der KPCh im größten Überwachungsstaat der Welt“ lautet der Titel, es ist wieder gemeinsam mit Sayragul Sauytbay entstanden, wie schon das erste Buch dazu: „Die Kronzeugin“, das im Jahr 2020 erschien.
Sauytbay, die nach Schweden fliehen konnte, sei die erste Zeugin überhaupt gewesen, „die den ungeheuren Mut hatte, in der Öffentlichkeit über dieses wirklich strengst geheim gehaltene Lagersystem zu sprechen“, erklärt Alexandra Cavelius. „Es gab nur Gerüchte über Masseninhaftierungen, Folter und auch Mord. Aber keiner wusste genau, was dort geschieht.“

Brutale Maßnahmen nur für Musliminnen

Das neue Buch enthalte Protokolle von Interviews, die sie mit verschiedenen Zeugen geführt habe, denen ebenfalls die Flucht ins Ausland gelungen ist, so Alexandra Cavelius. „Diese Leute berichten über die einzelnen Verbrechen der KPCh wie Enteignungen, medizinische Versuche, Zwangsarbeit, Zwangsabtreibungen, Folter oder auch Mord. Und noch viele andere Sachen.“
Zu Zwangsabtreibungen – auch noch kurz vor der Geburt – und Zwangssterilisierungen sagt Alexandra Cavelius: Das oberste Gebot der Partei sei, Geburten bei Frauen aus muslimischen Minderheiten zu verhindern. Wenn die grausamen Methoden zum Tod der Frauen führen, sei das weniger schlimm, als eine mögliche weitere Schwangerschaft. Und: „Von diesen brutalen Maßnahmen sind nur muslimische Frauen betroffen. Chinesinnen sind davon explizit ausgenommen.“
Sayragul Sauytbay habe sich auf die Analyse der einzelnen Verbrechen konzentriert. Als ehemalige KPCh-Beamtin und Lagerinsassin kenne sie das Denken so gut wie kaum jemand sonst. „Es ist uns gelungen, für jedes einzelne Verbrechen Zeugen zu finden.“ Es gebe mittlerweile sehr viele Zeugen, die ihre Aussagen unabhängig voneinander bestätigten. Zudem gebe es auch geleakte Staatsdokumente wie die „China Cables“, die „Karakax-Liste“. Sie zeigten, „was die Partei in Xinjiang plant und mit den Menschen macht“.

Versuche Chinas, im Westen Einfluss zu nehmen

Außerdem gebe es mittlerweile auch „durchgestochene Videofilme, zum Beispiel über Zwangsarbeit oder auch über Menschen, die aus den Lagern entlassen werden. In welchem Zustand die sind: skelettiert, nicht mehr in der Lage zu laufen.“ Es gebe Satellitenfotos und Drohnen-Aufnahmen. „Die Beweislage ist mittlerweile erdrückend“, so Alexandra Cavelius. Die Zeuginnen und Zeugen würden bis in westliche Ländern von der KPCh verfolgt und bedroht.

In zwei weiteren aktuellen Büchern berichten uigurische Frauen über ihre Erfahrungen mit dem chinesischen Lagersystem: über systematische Demütigung, Vergewaltigung und Mord – und darüber, wie sie den Lagern entkamen. Hören Sie hier den Beitrag von Marko Martin .

Gulbahar Haitiwaji, Rozenn Morgat: „Wie ich das chinesische Lager überlebt habe“
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz und Uta Rüenauver
Aufbau Verlag, Berlin 2022
259 Seiten, 20 Euro

Mihrigul Tursun, Andrea C. Hoffmann: „Ort ohne Wiederkehr. Wie ich als Uigurin Chinas Lager überlebte“
Heyne Verlag, München 2022
286 Seiten, 12 Euro

Peking mache kein Geheimnis mehr daraus, „dass es bis 2050 plant, die Spitze der Weltmacht zu erobern und die USA von ihrem Thron zu stoßen“. Zugleich solle überall die Ideologie der KPCh eingeführt werden. Auch in Deutschland versuche China bereits, Einfluss zu nehmen und Zensur auszuüben. „Zum Beispiel gibt es hier an den Universitäten einige Leute, die von China geschickt werden, um entsprechende Zensur zu importieren, bestimmte Themen nicht mehr anzusprechen.“
Zudem gebe es die Konfuzius-Institute, „die zum Beispiel in Bayern auch finanziell bezuschusst werden und die mittlerweile bekannt sind als Propagandainstrumente der KPCh“. Ihre Hoffnung sei, so Cavelius, „dass wir uns unsere Werte nicht gegen Geld abkaufen lassen – so wie das gerade IOC-Präsident Bach bei der Olympiade in Peking vormacht“, sondern es schafften, neue Märkte zu erschließen.
(abr)
Alexandra Cavelius, Sayragul Sauytbay: "China-Protokolle. Vernichtungsstrategien der KPCh im größten Überwachungsstaat der Welt"
Europa Verlag, Hamburg 2021
408 Seiten, 22 Euro

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