Büke Schwarz über ihre Graphic Novel "Jein"

Die Pflicht sich zu positionieren

08:59 Minuten
Im Panel aus "Jein" läuft die Protagonisten weg von einem Pulk aus Kameraleuten und Journalisten.
"Jein" ist das Graphic-Novel-Debüt der Deutsch-Türkin Büke Schwarz. © Jaja Verlag / Büke Schwarz
Moderation: Frank Meyer · 30.01.2020
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Das Türkei-Referendum, das Präsident Erdoğan weitreichende Machtbefugnisse bescherte, hat die Comic-Autorin und Deutsch-Türkin Büke Schwarz zu einer Graphic Novel inspiriert. Mit "Jein" positioniert sich die Künstlerin persönlich und politisch.
Ela ist Künstlerin, Berlinerin und Halbtürkin. Letzteres ist ihrer Meinung nach nicht so bedeutend für ihre Kunst und ihr Leben.
Doch dann kommt der Tag des Verfassungsreferendums in der Türkei, April 2017, mit dem der türkische Präsident Erdoğan die Demokratie aushebelt. Mit dem Sieg der "Ja"-Fraktion stellt sich für die junge Frau die Frage, ob sie sich mit der Situation in der Türkei künstlerisch auseinandersetzen muss - und falls ja, auf welche Weise.
Ela ist die Protagonistin der Graphic Novel "Jein" – und Comicautorin Büke Schwarz erzählt darin auch ein wenig ihre eigene Geschichte, denn sie zeigt Deutsch-Türken und ihren Umgang mit den Veränderungen in der Türkei.
Im Panel aus "Jein" geben Erdoğan-Anhänger auf der Straße Interviews.
In ihrem Comic "Jein" beschäftigt sich Büke Schwarz mit dem Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland.© Jaja Verlag / Büke Schwarz
Büke Schwarz wurde 1988 in Berlin als Tochter einer türkischen Mutter geboren. Vor allem düstere Themen haben es ihr angetan, es finden sich aber auch humorvolle Motive in ihren Arbeiten.
Nein, sagt sie, autobiografisch sei "Jein" nicht. Aber sie habe das Referendum mit großer Spannung verfolgt. Obwohl sie nicht wählen durfte – Büke Schwarz besitzt keinen Doppelpass -, sei die Abstimmung ein wichtiger Moment für sie gewesen.

Als Künstlerin klare Kante zeigen

Das Ergebnis habe sie furchtbar aufgeregt. "Ich bin Künstlerin, ich lebe in einem Land, in dem es glücklicherweise freien Journalismus und Meinungsfreiheit gibt, und ich dachte: Ich muss etwas tun, um die Menschen zu unterstützen, die leider durch diese Wahl und durch diese Politik einen Rückschritt erfahren und keine Stimme mehr haben."

Der Titel "Jein" beziehe sich unter anderem darauf, wie man sich als Künstlerin in so einer Situation positioniere. Es gehe nicht so sehr um die konkrete Frage, ob Kunst politisch sei, sondern: "Hat man als Künstler die Pflicht oder so eine Art rule of conduct , sich positionieren zu müssen bei politischen Umbrüchen oder politischen Problemen?"
Porträt der Comic-Künstlerin Büke Schwarz.
Büke Schwarz hat in "Jein" auch eigene Erfahrungen verarbeitet.© Malte Weber
Büke Schwarz nennt als Beispiel die Istanbuler Kunst-Biennale im vergangenen Jahr. "Da kam ganz oft die Frage: Geht man als Künstler überhaupt hin, zeigt man was? Welchen Standpunkt beziehe ich, wenn ich in dieses Land gehe?"
Im Panel aus "Jein" flüchtet ein Sprayer vor Erdoğan-Anhängern.
Das türkische Verfassungsreferendum sorgte 2017 auch in Deutschland für Auseinandersetzungen. Schwarz fängt das in ihrer Graphic Novel ein.© Jaja Verlag / Büke Schwarz
Für die Comic-Künstlerin war es interessant zu beobachten, dass ihre Herkunft als Deutsch-Türkin nach dem Referendum plötzlich anfing, eine Rolle zu spielen. Die Erinnerung bringt sie zum Lachen: Vorher hätten viele nicht einmal gewusst, welche Wurzeln sie habe – viele hätten mit ihrem Namen sogar etwas Skandinavisches verbunden.
"Vorher hat die Kunstszene meine Herkunft nicht wirklich interessiert, und mein Umfeld überhaupt nicht – dass ich eine türkische Mutter habe. Erst seit dem Referendum war es den Leuten auf einmal superwichtig, zu wissen, wie ich politisch zur Türkei stehe. Als wäre da so eine schwebende Angst, unbedingt wissen zu wollen: Ist sie jetzt eher eine Erdoğan-Anhängerin oder nicht?" Auch diese Erfahrung hat Büke Schwarz in "Jein" verarbeitet.

Büke Schwarz: Jein
Graphic Novel
Jaja Verlag, Berlin
Erscheint am 1. Februar 2020
232 Seiten, 24 Euro

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