Beuys konservieren

Von der Schwierigkeit einen Fettfleck zu erhalten

Ein Porträt von Joseph Beuys (1921-1986), Aufnahme circa 1985.
Ein Porträt des Künstlers Joseph Beuys. © imago/Leemage
Von Julian Ignatowitsch  · 23.09.2017
Stillstand ist das Ziel von Konservatoren und Restauratoren in der bildenden Kunst. Gerade bei moderner Kunst kann das zu einer Herausforderung werden: Ein Werk von Joseph Beuys zu erhalten ist durchaus eine besondere Aufgabe.
"Ein Fettfleck auf einem textilen Gewebe."
Da liegt er also auf einem der vier großen Tische in der Mitte des Restaurierungsateliers im Lenbachhaus in München: dieser Meisterfleck von Joseph Beuys.
"Datiert ist das auf 1968, hat also schon ein paar Jährchen auf dem Buckel"
Ein Holzrahmen und eine Glasplatte schützen das bereits restaurierte Objekt, ein rotes Schild warnt, dass es sich hier um Kunst handelt.
"Man nimmt den Daumen, geht in eine Fettmasse rein und schmiert das auf einem Bettlacken ab. Und dann schneidet man das raus."

Ein Restaurator ist wie ein Schönheitschirurg

Iris Winkelmeyer, die leitende Restauratorin des Museums, liefert die Anleitung für den Fettfleck gleich mit – so muss es Beuys wohl gemacht haben.
"Und inzwischen ist das Fett sehr gealtert, das ist so bräunlich, wölbt sich an den Rändern hoch, sieht nicht sehr ansehnlich aus. Als wir das jetzt bekamen, hatte sich das von der Montage gelöst, der Fettfleck war zwar noch auf dem Gewebe, aber das darunter, was das im Rahmen hält, hatte sich abgelöst und damit war der Fleck sehr bedroht, denn das Fett ist so versprödet, das heißt, es hat diese Geschmeidigkeit nicht mehr, die Ränder stehen total hoch."
Was tun gegen den Verfall? Der Beuys’sche Fleck ist nicht größer als ein Euro-Stück, aber inzwischen eine hohe fünfstellige Summe wert. Demnächst wird er im Museum wieder ausgestellt und zwar möglichst in seiner ursprünglichen Erscheinung.
So wie Joseph Beuys verwenden viele moderne und zeitgenössische Künstler ungewöhnliche Materialien. Geht es um den Erhalt, ist bei den Restauratoren Einfallsreichtum gefragt.
"Die Kreativität liegt im Finden der Lösung, nicht unbedingt im handwerklichen Umsetzen. Man muss sehr geschickt sein, aber nicht denken, man ist selber Künstler. Da ist man irgendwie falsch. Es geht nicht darum, dass wir hier 'kleine Beuyse' sind, sondern wir müssen hinter das Werk zurücktreten."
Im Idealfall fällt die Arbeit des Restaurators also hinterher nicht auf. So wie beim Schönheitschirurgen, meint die jüngste Restauratorin im Team, Bianca Albrecht:
"Das ist vielleicht vergleichbar mit einem Lifting. Man hat schon Falten bekommen, dann macht man die wieder weg."
Im Labor des Restaurierungsateliers läuft ein Magnetrührer.
"Da saust jetzt einfach so ein Magnetpropeller in der Lösung rum und sorgt wie bei einem Küchengerät dafür, dass sich das homogen mischt. Das ist eine langkettige Methylcellulose A-4000, die ist sehr viskos, also sehr zäh, man kann die mit wenig Material so ansetzen, dass sie stehenbleibt und nicht wegsuppt. Das ist im Grunde wie Stärke, wenn Sie backen und Sie haben Mondamin, dann ist das so etwas Ähnliches."

Einen hundertprozentigen Stillstand gibt es nicht

Sie wollte das nicht vor laufendem Mikrofon machen, nein, das Risiko wäre viel zu groß gewesen. Schon ein kleiner Windstoß, ein falsches Ein- oder Ausatmen hätte den Fleck zerstören können.
"Ich hab das abends gemacht, als alle weg waren. Ich habe dann eine gute Idee gehabt: Ich habe winziges Japanpapierstreifen geschnitten, wie so Mini-Stege, habe die mit Methylcellulose getränkt und seitlich unter den Fettwulst geschoben und da verankert, so dass man jetzt nur eine transparente kleine Brücke sieht, die das stützt."
Mit bloßem Auge ist nichts zu erkennen. Nur unter dem Mikroskop kann man die kleinen Stützen, wie Spinnweben, erahnen. Winkelmeyer glaubt, dass Beuys das Eingreifen goutiert hätte, auch wenn er sich zu Lebzeiten nie wirklich mit der Frage der Konservierung seiner Werke beschäftigt hat.
"Es sind Materialien die mit dem Werk etwas zu tun haben, ich wollte da keinen Kunststoff oder künstliches Klebemittel einbringen, sondern in dem System bleiben, was Beuys gut gefunden hätte."
Konservieren bedeutet: Den Verfall aufhalten. Aber hundertprozentigen Stillstand erreicht man nicht, sagt Bianca Albrecht:
"Die Veränderung ist trotzdem da, auch die Welt drum herum verändert sich und der Blick darauf."
Und an welchem Beispiel lässt sich das besser zeigen als an Beuys. Erinnern wir uns an die Geschichte seiner Badewanne: 1973 spülte der SPD-Ortsverein Leverkusen-Alkenrath darin seine Gläser nach einer Feier. Beuys war not amused, dann restaurierte er die Wanne höchstpersönlich.

Hören Sie hier die ganze "Echtzeit"-Sendung vom 2. September 2017:
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