68er-Proteste in Belgien

Statt Weltrevolution lieber gegen die eigenen Kommilitonen

68er-Ausschreitungen im belgischen Leuven
Mit schwerem Gerät geht die Polizei gegen die Studierenden im belgischen Leuven vor © Louis Vos
Von Mathias von Lieben und Winfried Sträter · 11.04.2018
Auch in Belgien gingen im Jahr 1968 die Studierenden auf die Straße. Doch sie wandten sich nicht gegen das Establishment, sondern gegen die Mitstudierenden - und setzten sich am Ende sogar durch.
Studentenrevolte 1968, da denkt man an Proteste gegen den Vietnamkrieg, gegen das Establishment, für die sozialistische Weltrevolution, man denkt an Rudi Dutschke oder Daniel Cohn-Bendit. Aber '68 war mehr als Paris, West-Berlin oder Frankfurt am Main - '68 gab es auch in Belgien, in der flämischen Universitätsstadt Leuven. Auch da gingen Studierende auf die Straße und demonstrierten gegen die Obrigkeit. Aber was sie skandierten, hatte nichts mit der Weltrevolution zu tun: "Wallonen raus!", das war ihr Schlachtruf: Die flämischen Studenten wehrten sich gegen die wallonische Dominanz an ihrer katholischen Universität.
68er-Proteste in belgischen Leuven
68er-Proteste in belgischen Leuven© Louis Vos
Diese Bewegung gehört zu den merkwürdigsten 68er-Phänomenen. Denn die Studenten traten ganz ähnlich auf wie die West-Berliner und Pariser Revolutionäre, sie verstanden sich sogar als Bürgerrechtsbewegung im Sinne des afroamerikanischen Civil Rights Movement. Aber ihr Ziel war, dass die ungeliebten Wallonen von "ihrer" Universität verschwanden. Sie erreichten, was die Pariser Komilitonen nicht geschafft hatten: den Sturz ihrer Regierung. Und am Ende wurde die Universität von Leuven aufgespalten, die Wallonen mussten 40 Kilometer entfernt in eine neue Universitätsstadt umziehen: Louvain-La-Neuve.
Im Gespräch mit Winfried Sträter erzählt Mathias von Lieben mit Originaltönen eines Leuvener 68er-Rebellen, Louis Vos, wie diese sehr spezielle 68er-Geschichte Belgien bis heute prägt.
Louis Vos
Louis Vos© Deutschlandradio/ Mathias von Lieben
Mehr zum Thema