Zypries für EU-weites Verbot der Holocaust-Leugnung
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat ihre Forderung nach einem europaweit einheitlichen Gesetz gegen das Leugnen des Holocausts bekräftigt. Es sei nicht richtig, dass Menschen heute noch sagen dürften, dass es den Völkermord an den Juden nicht gegeben habe, sagte die SPD-Politikerin. Gleichzeitig nütze ein Verbot allein nichts. Auch weiterhin müsse es einen Diskurs über und Aktionen gegen Rechtsradikalismus geben.
Jürgen König: Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft möchte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries den Versuch unternehmen, bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus einheitliche Standards festzulegen, und dazu gehört für sie auch eine strafrechtliche Verfolgung von Tatbeständen wie Volksverhetzung und Leugnung des Holocausts nach gleichen Maßstäben innerhalb der ganzen EU. Etliche Historiker haben sich mittlerweile dagegen ausgesprochen. Das Strafgesetz, sagen sie, das sei nicht das richtige Mittel, um historischen Wahrheiten Geltung zu verschaffen, Meinungsäußerungen, auch zum Holocaust, seien in Demokratien nicht justitiabel, eine staatlich verordnete Geschichtsschreibung, wie sie das nannten, das wolle man nicht. Soweit erstmal die kritischen Stimmen. Guten Morgen Frau Zypries!
Brigitte Zypries: Guten Morgen Herr König!
König: Warum soll die Leugnung des Holocausts europaweit einheitlich geächtet und strafrechtlich verfolgt werden, warum halten Sie das für geboten und sinnvoll?
Zypries: Herr König, man muss zunächst mal sagen, das ist kein neuer Vorschlag von mir, sondern es ist wie alle Vorschläge in der dritten Säule der Justiz ein Vorschlag der EU-Kommission, und dieser Vorschlag der EU-Kommission stammt bereits aus dem Jahre 2001. Das waren die Zeiten – Sie erinnern sich -, wo in ganz Europa sehr starke fremdenfeindliche Ausschreitungen waren, und in dem Zuge wurden ja seinerzeit auch die Antidiskriminierungsrichtlinien verabschiedet, deren Umsetzungen uns zu Beginn dieser Legislaturperiode stark beschäftigt haben.
König: Nun haben aber zum Beispiel Frankreich und Belgien, die haben sehr starke Gesetze. Dort ist die Leugnung des Holocausts jetzt auch ausdrücklich verboten, und gerade da gibt es sehr starke rechtsradikale Parteien. Spricht das nicht gegen ein Verbot?
Zypries: Ja, das ist natürlich immer eine Abwägung, da haben Sie völlig Recht, man kann auf der einen Seite sagen, das Verbot allein nützt nichts, da bin ich ganz dabei und sage, das Verbot alleine nützt nichts. Man muss daneben natürlich noch sehr viel mehr machen. Aber ein Verbot finde ich völlig in Ordnung. Ich halte es nicht für richtig, dass Menschen heute noch sagen können, den Holocaust, den gab es gar nicht, das ist alles ein Hirngespinst von euch, und es sind keine sechs Millionen Juden umgebracht worden. Ich meine, historisch erwiesene Tatsachen – und genau darauf stellt auch unser Beschluss ab -, historisch erwiesene Tatsachen dürfen nicht geleugnet werden, wenn dadurch andere quasi beleidigt werden. Denn was soll ein Jude sagen, dem Deutsche entgegenhalten, was du dir einbildest mit der Vernichtung deines Volkes, das ist doch alles Quatsch, das stimmt doch alles gar nicht.
König: Konrad Jarausch, der Historiker, erzählte bei uns, die Amerikaner verwundere es sehr, dass Meinungsäußerungen zum Holocaust justiziabel seien. Es sei überhaupt kurios, historische Tatsachen unter den Schutz des Gesetzes zu stellen. Hat er nicht Recht?
Zypries: Ja, noch mal: Also man kann das so sehen. Ich weiß, dass es diese Meinungen gibt. Ich weiß, dass es auch in Amerika da sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir haben auch sehr viel positive Resonanz aus Amerika bekommen, die gesagt haben, die Leugnung des Holocaust darf nicht sein. Gleichwohl gibt es eben andere, die sagen, man darf das nicht unter Strafe stellen. Das ist so, ja, und darüber kann man ja auch geteilter Ansicht sein. Man kann natürlich sagen, jeder kann sagen, was er will, aber ich habe eben schon man dargelegt – und will das einfach nicht wiederholen -, weshalb ich meine, dass es sehr wohl bei solchen historisch erwiesenen Tatsachen richtig ist, und genau das ist das, was wir auch machen. Wir sagen: Dann, wenn ein internationales oder nationales Gericht solche Verbrechen endgültig festgestellt hat, dann soll man nicht mehr sagen können, das bildet ihr euch ein, und zwar deshalb, weil darin eine Beleidigung der Volksgruppe liegt, die seinerzeit verfolgt und vernichtet wurde. Das ist ja der tiefere Hintergrund.
König: Und Sie meinen, das sei das bessere Mittel gegen den Rechtsradikalismus und gegen diese Menschen als zu sagen, die plurale Gesellschaft könne diese Leute viel besser in Schach halten als ein solches Verbot?
Zypries: Das schließt sich ja gar nicht aus. Ich bin natürlich immer ein Verfechter der pluralen Gesellschaft und auch ein Verfechter des Diskurses und ein Verfechter von Aktionen gegen Rechts und von Diskussionen mit Rechten und von der Frage, warum entwickeln sich eigentlich wieder so starke rechte Gruppen in Deutschland zum Beispiel. Das muss alles aufgearbeitet werden. Wir wissen, dass das viel mit sozialem Hintergrund und anderem zu tun hat, und darum muss man sich kümmern. Das hindert aber nichts daran, dass ich nicht möchte, dass Juden sich in spezifischer Weise betroffen und beleidigt fühlen, weil hier in diesem Land, von dem aus die Vernichtung aus ging, behauptet wird, das stimmt doch alles nicht.
König: In Italien haben 150 Historiker und Intellektuelle ein Manifest herausgegeben und unterzeichnet. Darin sagen sie, dass man auf diese Weise, also durch ein solches Gesetz die Leugner des Völkermords an den Juden zu Märtyrern und Verteidigern der Meinungsfreiheit mache. Ist da nicht was dran?
Zypries: Sie stellen jetzt immer wieder dieselbe Frage in kleinen, anderen Worten. Ich kann auch immer nur genauso antworten. Wollen wir ein anderes Thema vielleicht nehmen?
König: Nein, das finde ich nicht.
Zypries: Es ist wirklich immer wieder dasselbe. Jetzt sagen Sie, die Italiener hätten das gesagt. Natürlich ist es richtig, dass es schwierig ist, das gebe ich gerne zu, zu sagen, wir wollen das bestrafen. Unter der Sicht derer, die sagen, die Meinungsfreiheit ist das oberste Gebot, ist das ein Problem. So, jetzt sage ich noch mal: Ich meine, bei historisch erwiesenen Tatsachen, wenn man diese negiert, beleidigt man eine ganze Volksgruppe, und ich meine, das darf nicht sein. Und ich meine auch nicht, dass man diese Menschen dann zu Märtyrern macht. Sie werden in einem ganz normalen Strafprozess abgeurteilt. Wenn das keine allzu große Resonanz erfährt, dann ist das auch kein Märtyrertum, sondern dann kriegen die ganz klar gesagt, es gibt einen bestimmten Komment in dieser Gesellschaft, und den müsst ihr einhalten.
König: Ich will Sie ja nicht langweilen mit immer denselben Fragen. Es haben sich nur einfach sehr viele zu Wort gemeldet. Ich habe auch noch den Generalsekretär der Arabischen Liga hier in petto. Der spricht von einer Doppelmoral des Westens. Sie wissen, worauf es hinausgeht, also der bezog sich auf die Mohammed-Karikaturen, die viele Muslime sehr beleidigt hätten. Da hat man im Westen gesagt, das sei Ausdruck der Meinungsfreiheit, das sei Ausdruck der Kunstfreiheit. Wer den Holocaust leugnet dagegen, mache sich strafbar. Ich weiß, jetzt können Sie wieder sagen, ja, das sind jetzt zwei verschiedene Dinge, aber was würden Sie denn Amr Mussa antworten, dem Generalsekretär der Arabischen Liga, der sehr gegen ein solches Gesetz ist?
Zypries: Okay, der eine Gesichtspunkt, den haben Sie eben genannt. Es geht um die Leugnung oder Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen. Deswegen fällt der Holocaust darunter. Und diese Leugnung soll dann bestraft werden, wenn ein nationales oder internationales Gericht festgestellt hat, dass es auch tatsächlich so war. Also das ist die eine Seite. Dann ist die andere Seite, die wir bestrafen wollen, die Aufstachelung oder der Aufruf zu Hass und Gewalt aus rassistischen oder fremdenfeindlichen Gründen. Also wenn man so sagt, kommt her, wie hauen diese dreckigen Zigeuner raus aus der Stadt. Solche Sachen sollen strafbar sein, solche Sprüche. Und dann stellte sich ja jetzt die Frage, stacheln diese Karikaturen tatsächlich zu Hass und Gewalt auf. Das ist fraglich, glaube ich, weil das per se schon mal fraglich ist von dem Gegenstand der Karikatur her, und dann gehört zur Karikatur natürlich auch immer noch der Gegenpart der Kunstfreiheit, der zu berücksichtigen ist. Die Auseinandersetzung in Deutschland um die Frage, wann Karikaturen strafbar sind und wann nicht, die ja auch sehr hoch geführt wurde, haben Sie vielleicht in Erinnerung.
König: In Italien wurde jetzt ein Gesetzentwurf verabschiedet, allerdings nicht mit dem Zusatz, das Leugnen des Holocausts ausdrücklich darin aufzunehmen. Wie sehen Sie die Chancen, dass dieser Plan nun endgültig verwirklicht werden kann?
Zypries: Die Meinungsäußerungen von verschiedenen Ländern oder Wissenschaftlern, die Sie eben zitiert haben, gibt es natürlich auch in den Regierung, und es wird in der Tat kontrovers diskutiert. Es gab von Italien einen Vorbehalt in der Vergangenheit, der aber jetzt aufgehoben wurde, so dass ich gerade mit Italien ganz gute Möglichkeiten sehe. Und es gibt auch zahlreiche andere Länder, die sehr gerne und dringlich diesen Rahmenbeschluss verabschiedet sehen wollen.
König: Zu guter Letzt, noch mal zu dem Thema an sich: Wo beginnt und wo endet eigentlich der Tatbestand der Leugnung, also Beispiel: Wenn jemand in einer Kneipe in größerem Kreise also schon öffentlich sagt, dass sechs Millionen Juden ermordet wurden, das glaube ich nicht, der macht sich strafbar?
Zypries: Ja, das glaube ich nicht, ist dann vielleicht eine Frage, über die man diskutieren kann. Es geht ja hier darum, dass man es leugnet oder verharmlost, und dann muss man es in bestimmter Form eben auch äußern. Also wenn es im Rahmen einer Diskussion ist, wo jemand sagt, na ja, das glaube ich nicht so ganz, können Sie mir das nachweisen oder so, dann mag man darüber diskutieren können, ob das schon eine Leugnung oder Verharmlosung ist. Aber es gibt ja doch zahlreiche Organisationen und auch Einzelpersonen, die ganz dezidiert sagen, das ist alles Quatsch, was da behauptet wird über die Judenvernichtung, und so was ist mit Sicherheit, zählt dann unter den Tatbestand. Ich will sagen: Ich will nicht eine ernsthafte Auseinandersetzung von jemandem, der Fragen hat, mit der Thematik unter Strafe stellen.
König: Das Leugnen des Völkermords an den Juden soll europaweit einheitlich verfolgt werden können. Ein Gespräch mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Brigitte Zypries: Guten Morgen Herr König!
König: Warum soll die Leugnung des Holocausts europaweit einheitlich geächtet und strafrechtlich verfolgt werden, warum halten Sie das für geboten und sinnvoll?
Zypries: Herr König, man muss zunächst mal sagen, das ist kein neuer Vorschlag von mir, sondern es ist wie alle Vorschläge in der dritten Säule der Justiz ein Vorschlag der EU-Kommission, und dieser Vorschlag der EU-Kommission stammt bereits aus dem Jahre 2001. Das waren die Zeiten – Sie erinnern sich -, wo in ganz Europa sehr starke fremdenfeindliche Ausschreitungen waren, und in dem Zuge wurden ja seinerzeit auch die Antidiskriminierungsrichtlinien verabschiedet, deren Umsetzungen uns zu Beginn dieser Legislaturperiode stark beschäftigt haben.
König: Nun haben aber zum Beispiel Frankreich und Belgien, die haben sehr starke Gesetze. Dort ist die Leugnung des Holocausts jetzt auch ausdrücklich verboten, und gerade da gibt es sehr starke rechtsradikale Parteien. Spricht das nicht gegen ein Verbot?
Zypries: Ja, das ist natürlich immer eine Abwägung, da haben Sie völlig Recht, man kann auf der einen Seite sagen, das Verbot allein nützt nichts, da bin ich ganz dabei und sage, das Verbot alleine nützt nichts. Man muss daneben natürlich noch sehr viel mehr machen. Aber ein Verbot finde ich völlig in Ordnung. Ich halte es nicht für richtig, dass Menschen heute noch sagen können, den Holocaust, den gab es gar nicht, das ist alles ein Hirngespinst von euch, und es sind keine sechs Millionen Juden umgebracht worden. Ich meine, historisch erwiesene Tatsachen – und genau darauf stellt auch unser Beschluss ab -, historisch erwiesene Tatsachen dürfen nicht geleugnet werden, wenn dadurch andere quasi beleidigt werden. Denn was soll ein Jude sagen, dem Deutsche entgegenhalten, was du dir einbildest mit der Vernichtung deines Volkes, das ist doch alles Quatsch, das stimmt doch alles gar nicht.
König: Konrad Jarausch, der Historiker, erzählte bei uns, die Amerikaner verwundere es sehr, dass Meinungsäußerungen zum Holocaust justiziabel seien. Es sei überhaupt kurios, historische Tatsachen unter den Schutz des Gesetzes zu stellen. Hat er nicht Recht?
Zypries: Ja, noch mal: Also man kann das so sehen. Ich weiß, dass es diese Meinungen gibt. Ich weiß, dass es auch in Amerika da sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir haben auch sehr viel positive Resonanz aus Amerika bekommen, die gesagt haben, die Leugnung des Holocaust darf nicht sein. Gleichwohl gibt es eben andere, die sagen, man darf das nicht unter Strafe stellen. Das ist so, ja, und darüber kann man ja auch geteilter Ansicht sein. Man kann natürlich sagen, jeder kann sagen, was er will, aber ich habe eben schon man dargelegt – und will das einfach nicht wiederholen -, weshalb ich meine, dass es sehr wohl bei solchen historisch erwiesenen Tatsachen richtig ist, und genau das ist das, was wir auch machen. Wir sagen: Dann, wenn ein internationales oder nationales Gericht solche Verbrechen endgültig festgestellt hat, dann soll man nicht mehr sagen können, das bildet ihr euch ein, und zwar deshalb, weil darin eine Beleidigung der Volksgruppe liegt, die seinerzeit verfolgt und vernichtet wurde. Das ist ja der tiefere Hintergrund.
König: Und Sie meinen, das sei das bessere Mittel gegen den Rechtsradikalismus und gegen diese Menschen als zu sagen, die plurale Gesellschaft könne diese Leute viel besser in Schach halten als ein solches Verbot?
Zypries: Das schließt sich ja gar nicht aus. Ich bin natürlich immer ein Verfechter der pluralen Gesellschaft und auch ein Verfechter des Diskurses und ein Verfechter von Aktionen gegen Rechts und von Diskussionen mit Rechten und von der Frage, warum entwickeln sich eigentlich wieder so starke rechte Gruppen in Deutschland zum Beispiel. Das muss alles aufgearbeitet werden. Wir wissen, dass das viel mit sozialem Hintergrund und anderem zu tun hat, und darum muss man sich kümmern. Das hindert aber nichts daran, dass ich nicht möchte, dass Juden sich in spezifischer Weise betroffen und beleidigt fühlen, weil hier in diesem Land, von dem aus die Vernichtung aus ging, behauptet wird, das stimmt doch alles nicht.
König: In Italien haben 150 Historiker und Intellektuelle ein Manifest herausgegeben und unterzeichnet. Darin sagen sie, dass man auf diese Weise, also durch ein solches Gesetz die Leugner des Völkermords an den Juden zu Märtyrern und Verteidigern der Meinungsfreiheit mache. Ist da nicht was dran?
Zypries: Sie stellen jetzt immer wieder dieselbe Frage in kleinen, anderen Worten. Ich kann auch immer nur genauso antworten. Wollen wir ein anderes Thema vielleicht nehmen?
König: Nein, das finde ich nicht.
Zypries: Es ist wirklich immer wieder dasselbe. Jetzt sagen Sie, die Italiener hätten das gesagt. Natürlich ist es richtig, dass es schwierig ist, das gebe ich gerne zu, zu sagen, wir wollen das bestrafen. Unter der Sicht derer, die sagen, die Meinungsfreiheit ist das oberste Gebot, ist das ein Problem. So, jetzt sage ich noch mal: Ich meine, bei historisch erwiesenen Tatsachen, wenn man diese negiert, beleidigt man eine ganze Volksgruppe, und ich meine, das darf nicht sein. Und ich meine auch nicht, dass man diese Menschen dann zu Märtyrern macht. Sie werden in einem ganz normalen Strafprozess abgeurteilt. Wenn das keine allzu große Resonanz erfährt, dann ist das auch kein Märtyrertum, sondern dann kriegen die ganz klar gesagt, es gibt einen bestimmten Komment in dieser Gesellschaft, und den müsst ihr einhalten.
König: Ich will Sie ja nicht langweilen mit immer denselben Fragen. Es haben sich nur einfach sehr viele zu Wort gemeldet. Ich habe auch noch den Generalsekretär der Arabischen Liga hier in petto. Der spricht von einer Doppelmoral des Westens. Sie wissen, worauf es hinausgeht, also der bezog sich auf die Mohammed-Karikaturen, die viele Muslime sehr beleidigt hätten. Da hat man im Westen gesagt, das sei Ausdruck der Meinungsfreiheit, das sei Ausdruck der Kunstfreiheit. Wer den Holocaust leugnet dagegen, mache sich strafbar. Ich weiß, jetzt können Sie wieder sagen, ja, das sind jetzt zwei verschiedene Dinge, aber was würden Sie denn Amr Mussa antworten, dem Generalsekretär der Arabischen Liga, der sehr gegen ein solches Gesetz ist?
Zypries: Okay, der eine Gesichtspunkt, den haben Sie eben genannt. Es geht um die Leugnung oder Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen. Deswegen fällt der Holocaust darunter. Und diese Leugnung soll dann bestraft werden, wenn ein nationales oder internationales Gericht festgestellt hat, dass es auch tatsächlich so war. Also das ist die eine Seite. Dann ist die andere Seite, die wir bestrafen wollen, die Aufstachelung oder der Aufruf zu Hass und Gewalt aus rassistischen oder fremdenfeindlichen Gründen. Also wenn man so sagt, kommt her, wie hauen diese dreckigen Zigeuner raus aus der Stadt. Solche Sachen sollen strafbar sein, solche Sprüche. Und dann stellte sich ja jetzt die Frage, stacheln diese Karikaturen tatsächlich zu Hass und Gewalt auf. Das ist fraglich, glaube ich, weil das per se schon mal fraglich ist von dem Gegenstand der Karikatur her, und dann gehört zur Karikatur natürlich auch immer noch der Gegenpart der Kunstfreiheit, der zu berücksichtigen ist. Die Auseinandersetzung in Deutschland um die Frage, wann Karikaturen strafbar sind und wann nicht, die ja auch sehr hoch geführt wurde, haben Sie vielleicht in Erinnerung.
König: In Italien wurde jetzt ein Gesetzentwurf verabschiedet, allerdings nicht mit dem Zusatz, das Leugnen des Holocausts ausdrücklich darin aufzunehmen. Wie sehen Sie die Chancen, dass dieser Plan nun endgültig verwirklicht werden kann?
Zypries: Die Meinungsäußerungen von verschiedenen Ländern oder Wissenschaftlern, die Sie eben zitiert haben, gibt es natürlich auch in den Regierung, und es wird in der Tat kontrovers diskutiert. Es gab von Italien einen Vorbehalt in der Vergangenheit, der aber jetzt aufgehoben wurde, so dass ich gerade mit Italien ganz gute Möglichkeiten sehe. Und es gibt auch zahlreiche andere Länder, die sehr gerne und dringlich diesen Rahmenbeschluss verabschiedet sehen wollen.
König: Zu guter Letzt, noch mal zu dem Thema an sich: Wo beginnt und wo endet eigentlich der Tatbestand der Leugnung, also Beispiel: Wenn jemand in einer Kneipe in größerem Kreise also schon öffentlich sagt, dass sechs Millionen Juden ermordet wurden, das glaube ich nicht, der macht sich strafbar?
Zypries: Ja, das glaube ich nicht, ist dann vielleicht eine Frage, über die man diskutieren kann. Es geht ja hier darum, dass man es leugnet oder verharmlost, und dann muss man es in bestimmter Form eben auch äußern. Also wenn es im Rahmen einer Diskussion ist, wo jemand sagt, na ja, das glaube ich nicht so ganz, können Sie mir das nachweisen oder so, dann mag man darüber diskutieren können, ob das schon eine Leugnung oder Verharmlosung ist. Aber es gibt ja doch zahlreiche Organisationen und auch Einzelpersonen, die ganz dezidiert sagen, das ist alles Quatsch, was da behauptet wird über die Judenvernichtung, und so was ist mit Sicherheit, zählt dann unter den Tatbestand. Ich will sagen: Ich will nicht eine ernsthafte Auseinandersetzung von jemandem, der Fragen hat, mit der Thematik unter Strafe stellen.
König: Das Leugnen des Völkermords an den Juden soll europaweit einheitlich verfolgt werden können. Ein Gespräch mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.