Zwischen Zirkus und Theater

Rainer Frimmel im Gespräch mit Christine Watty |
Beim Gipfeltreffen des deutschsprachigen Filmnachwuchses in Saarbrücken wird nicht selten die Frage nach dem "richtigen" Leben gestellt. So auch im Festivalbeitrag der beiden Regisseure Tizza Covi und Rainer Frimmel.
Die beiden Protagonisten ihres Films "Der Glanz des Tages", der Burgschauspieler Philipp Hochmair und der ehemalige Artist Walter Saabel, kommen aus unterschiedlichen Sphären, haben aber auch Gemeinsamkeiten.

Christine Watty fragte Rainer Frimmel zunächst, wie die Idee zu dem Film überhaupt zustande kam:

Rainer Frimmel: Uns verbindet schon mit beiden Personen eine sehr lange Freundschaft, und unabhängig davon wollten wir über beide einen Film machen. Und die Idee, diese völlig verschiedenen Lebensentwürfe miteinander zu verbinden, die ist dann einfach entstanden, weil wir gedacht haben, dass das sicher ein sehr interessantes Experiment wäre, die beiden aufeinanderprallen zu lassen. Und das war auch am Anfang der Dreharbeiten, haben wir eigentlich auch nicht gewusst, wie sie aufeinander reagieren werden, und das hat dann doch auch gewisse Spannungen gegeben, da das doch so verschiedene Lebensauffassungen sind. Aber ich glaube, davon hat der Film dann auch letztlich profitiert.

Christine Watty: Bleiben wir doch gleich bei den unterschiedlichen Lebensentwürfen: Man könnte ja auch denken, ein Schausteller und ein Schauspieler, mehr oder weniger kommen sie aus der gleichen Zunft. Sie stehen immer wieder beide auf der Bühne. Was macht denn genau diese unterschiedlichen Lebensentwürfe von Walter und Philipp in diesem Film aus?

Frimmel: Ja, also, wenn man jetzt das vom Beruf her allein schon nimmt, das ist bei Walter … Zirkus ist einfach Leben. Alles im Zirkus ist Leben, man wird hineingeboren, man lebt dort. Die Vorstellung selber ist dann letztlich nur ein kleiner Teil dieses Lebens und hat gar nicht diese Wichtigkeit, die sie im Theater hat. Im Theater ist für Philipp genau die Vorführung, das ist für ihn der Glanz des Tages, dort sich zu präsentieren und ein Publikum mit seinen Texten zu beglücken. Und das ist letztlich eine … hat eine gewisse Oberflächlichkeit, aber natürlich eine große Tiefe. Und bei Walter ist es die Suche nach den wahren Problemen des Lebens, in seinem speziellen Fall bezieht sich das auf die Kindheit. Und dieser Film ist für mich auch ein Film über Kindheit, wo es um die Wurzeln geht. Und das sind Dinge, die beim Philipp in seiner Beschäftigung nur mit seinen Rollen ganz verloren gehen. Er verliert das Bewusstsein, wer er selber ist. Und in dem Fall sind das sehr spannende Auseinandersetzungen, die da passieren.

Watty: Wie arbeiten Sie in diesem Film diese unterschiedlichen Lebensentwürfe und die verschiedenen Lebensansätze heraus? Denn es handelt sich ja nicht um eine ganz einfache Dokumentation, wo man die beiden Protagonisten einfach erzählen lässt, sondern es gibt ja schon eine Geschichte wiederum in diesem Film. Wie ist die gestaltet, dass wir hinterher auch genau dieses Gegenspiel der beiden Charaktere miterleben können?

Frimmel: Ja, wir haben uns schon vorgenommen, eine Geschichte zu erzählen, weil das doch in der Form eines Spielfilms sehr spannende Momente gibt, wenn man dokumentarische Szenen da hineinbaut. Also, wenn wir jetzt nur einen Dokumentarfilm gemacht hätten, dann wäre vieles verloren gegangen. Und für mich sind die spannendsten Momente des Films auch, wo sich das so vermischt, das Dokumentarische und das Spielfilmmoment, dass man nicht mehr weiß, auf welcher Ebene man sich befindet. Also, wenn Walter auf der Suche nach seinem Lehrer, der ihn ein Leben lang beschäftigt hat, weil er ihn als Kind so gequält hat, in ein Dorfwirtshaus kommt und dort auf wirkliche Leute trifft, die das bestätigen können, seine Erinnerungen, und auch über diese Zeit erzählen, und das dann einzubauen in eine Geschichte, glaube ich, verstärkt dann die Wirkung auch der Wahrheit.

Watty: Wo haben die beiden sich denn eigentlich im Film dann wiederum gefunden, trotz dieser unterschiedlichen Lebensentwürfe und -haltungen gibt es ja sicherlich auch eine große Art der Übereinstimmung. Also, der Freiheitswille zum Beispiel, Themen, die die beiden dann wahrscheinlich auch sehr miteinander verbunden haben?

Frimmel: Es gibt in der Mitte vom Film so eine Schlüsselszene, wo sie über ihre beiden Lebensentwürfe reden, und da gibt es natürlich auch Parallelitäten, da geht es eben um die Freiheit. Aber jeder sieht seine Freiheit, hat ganz andere Ziele und sieht die Freiheit ganz anders, und dadurch erkennt man eigentlich schon, dass das wirklich grundverschiedene Menschen sind!

Watty: Zum Abschluss noch eine Frage direkt an den Ort gestellt, an dem Sie sich gerade befinden: Welchen Stellenwert hat für Sie eigentlich das Max-Ophüls-Festival, auf dem Sie die letzten Tage verbracht haben? Natürlich mit Ihrem Film "Der Glanz des Tages"!

Frimmel: Ja, für mich hat das einen sehr großen Stellenwert und ich finde das auch sehr schön, dass hier deutschsprachiger Film so im Mittelpunkt steht und besprochen wird und sehr viel Publikum da ist und junge Filmemacher die Möglichkeit haben, ihre Filme zu präsentieren und … Ja, ich glaube, dass das sehr wichtig ist, weil, Filmfestivals bekommen einfach immer eine viel größere Bedeutung, da es ja immer schwieriger wird, unkonventionellere Arbeiten zu präsentieren. Und ich hoffe aber, dass eben auch die jungen Filmemacher unkonventionell arbeiten und solche Festivals auch dazu nutzen, mutig zu sein und nicht versuchen, Mainstream zu machen, der dann aber irgendwie doch nicht ganz funktioniert.


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