Zwischen Weinen und Lachen
Maximilian Dorner hat sein "Tagebuch eines Behinderten" mit ironischer Distanz zu sich selbst geschrieben. Der an Multiple Sklerose erkrankte Autor schreibt mal zynisch, mal humorvoll, mal philosophisch-abgehoben über seinen schwierigen Alltag. Die Verzweiflung ist spürbar, doch Lächeln erlaubt.
Mit 34 Jahren am Stock. Gehbehindert, dazu impotent und inkontinent. Das hat Maximilian Dorner eiskalt erwischt. Jung, umtriebig und erfolgreich war er, als ein Arzt ihm sagte: "Sie haben MS, Multiple Sklerose." Eine chronische Entzündung des Zentralen Nervensystems. Unheilbar, schwer therapierbar, aber immerhin nicht tödlich.
Wie reagiert ein junger Mensch in dieser Situation, was denkt er, was fühlt er? Und wie lebt er weiter?
In kurzen Essays und kleinen Anekdoten hat Maximilian Dorner aufgeschrieben, wie sein Leben sich verändert. Vier Monate lang hat er jeden Tag etwas notiert: Ein Ereignis, einen Gedanken, Kurioses, etwas Schönes oder eine bittere Erfahrung. Ein Tagebuch aus dem Alltag eines MS-Kranken. Geschrieben von einem, der viel und gerne schreibt: Dorner ist Schriftsteller.
Doch jeden Tag über das eigene Leiden zu schreiben, ist auch für einen Schriftsteller nicht leicht. Es sind keine Figuren, es ist er selbst, der am Stock geht und nicht mehr als zweihundert Meter laufen kann. Man fühlt in jedem Satz, spürt nach jedem Komma die Verzweiflung, die Maximilian Dorner zuweilen plagt.
Wohl aus diesem Grund ist er ständig bemüht, Abstand zu sich zu wahren; er schreibt ironisch humorvoll, manchmal reflektiert er aber auch zynisch über seinen schwierigen Alltag. Viele der Schilderungen könnten Szenen aus einer Filmkomödie sein.
Anekdoten mit barbusigen Frauen an kalten Bergseen oder Geschichten über übereifrige Fluggasthelfer lassen den Lesern zunächst schmunzeln. Am Flughafen erlebt er, wie das Personal ihn wie einen Schwerverletzten in die Maschine transportiert. Und aus dem kalten Bergsee robbt er nackt heraus, weil er seinen Gehstock im Wasser verloren hat. Die Frau am Ufer traut er sich nicht, um Hilfe zu bitten, weil sie das für eine miese Anmache halten könnte.
Maximilian Dorner betrachtet sein Scheitern im Alltag gerne mit ironischer Distanz. Die Pointen sind witzig. Der Leser kann und soll mit dem Gehandicapten lachen. Es kommt aber auch immer wieder der kranke Max Dorner zu Wort, der resümiert, nachdenklich ist und oft verzweifelt. Zum Glück, denn das macht das Buch sehr authentisch. Eine moderne Tragikkomödie, die zwischen Weinen und Lachen steht, und dazu noch über existenzielle Themen philosophiert.
Die Frage nach der eigenen Schuld taucht zum Beispiel immer wieder auf. Motiviert durch eine Erzählung aus der Bibel, diskutiert der Autor mehrmals die Heilung eines Gelähmten im Markusevangelium.
Dorner, der nicht ein einziges Mal von Multiple Sklerose, sondern konsequent von seiner Behinderung spricht, sucht nach dem großen "Warum?". Er will einen Sinn für seine Erkrankung, und weiß gleichzeitig, dass das unmöglich ist.
Maximilian Dorner gelingt es gut, dieses Hin- und Hergerissensein zwischen Annehmen und Ablehnen der Krankheit zu zeichnen. Trotzdem ist sein Buch weit mehr als eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Multiple Sklerose. Es geht um den Umgang mit Behinderungen in unserer Gesellschaft. Wie Behinderte sich verhalten, wie Nicht-Behinderte es tun, wie man miteinander umgeht.
Dorner nennt die Handicaps der Gesellschaft im Umgang mit Behinderungen beim Namen und wehrt sich mit deutlichen Worten. So entgegnet er einer Kollegin, die äußert, sie sei unsicher im Umgang mit seiner Behinderung: "Dann wissen Sie jetzt, wie er sich auf einer Treppe fühle."
"Mein Dämon ist ein Stubenhocker" ist ein Buch ohne Schnörkel, amüsant, ohne oberflächlich zu sein. Lesenswert für jeden, der über die vielen kleinen Schwächen des Lebens lachen möchte, um an den großen Problemen nicht zu verzweifeln.
Rezensiert von Susanne Nessler
Maximilian Dorner: Mein Dämon ist ein Stubenhocker.
Aus dem Tagebuch eines Behinderten
Zabert Sandmann Verlag
168 Seiten, 16,95 Euro
Wie reagiert ein junger Mensch in dieser Situation, was denkt er, was fühlt er? Und wie lebt er weiter?
In kurzen Essays und kleinen Anekdoten hat Maximilian Dorner aufgeschrieben, wie sein Leben sich verändert. Vier Monate lang hat er jeden Tag etwas notiert: Ein Ereignis, einen Gedanken, Kurioses, etwas Schönes oder eine bittere Erfahrung. Ein Tagebuch aus dem Alltag eines MS-Kranken. Geschrieben von einem, der viel und gerne schreibt: Dorner ist Schriftsteller.
Doch jeden Tag über das eigene Leiden zu schreiben, ist auch für einen Schriftsteller nicht leicht. Es sind keine Figuren, es ist er selbst, der am Stock geht und nicht mehr als zweihundert Meter laufen kann. Man fühlt in jedem Satz, spürt nach jedem Komma die Verzweiflung, die Maximilian Dorner zuweilen plagt.
Wohl aus diesem Grund ist er ständig bemüht, Abstand zu sich zu wahren; er schreibt ironisch humorvoll, manchmal reflektiert er aber auch zynisch über seinen schwierigen Alltag. Viele der Schilderungen könnten Szenen aus einer Filmkomödie sein.
Anekdoten mit barbusigen Frauen an kalten Bergseen oder Geschichten über übereifrige Fluggasthelfer lassen den Lesern zunächst schmunzeln. Am Flughafen erlebt er, wie das Personal ihn wie einen Schwerverletzten in die Maschine transportiert. Und aus dem kalten Bergsee robbt er nackt heraus, weil er seinen Gehstock im Wasser verloren hat. Die Frau am Ufer traut er sich nicht, um Hilfe zu bitten, weil sie das für eine miese Anmache halten könnte.
Maximilian Dorner betrachtet sein Scheitern im Alltag gerne mit ironischer Distanz. Die Pointen sind witzig. Der Leser kann und soll mit dem Gehandicapten lachen. Es kommt aber auch immer wieder der kranke Max Dorner zu Wort, der resümiert, nachdenklich ist und oft verzweifelt. Zum Glück, denn das macht das Buch sehr authentisch. Eine moderne Tragikkomödie, die zwischen Weinen und Lachen steht, und dazu noch über existenzielle Themen philosophiert.
Die Frage nach der eigenen Schuld taucht zum Beispiel immer wieder auf. Motiviert durch eine Erzählung aus der Bibel, diskutiert der Autor mehrmals die Heilung eines Gelähmten im Markusevangelium.
Dorner, der nicht ein einziges Mal von Multiple Sklerose, sondern konsequent von seiner Behinderung spricht, sucht nach dem großen "Warum?". Er will einen Sinn für seine Erkrankung, und weiß gleichzeitig, dass das unmöglich ist.
Maximilian Dorner gelingt es gut, dieses Hin- und Hergerissensein zwischen Annehmen und Ablehnen der Krankheit zu zeichnen. Trotzdem ist sein Buch weit mehr als eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Multiple Sklerose. Es geht um den Umgang mit Behinderungen in unserer Gesellschaft. Wie Behinderte sich verhalten, wie Nicht-Behinderte es tun, wie man miteinander umgeht.
Dorner nennt die Handicaps der Gesellschaft im Umgang mit Behinderungen beim Namen und wehrt sich mit deutlichen Worten. So entgegnet er einer Kollegin, die äußert, sie sei unsicher im Umgang mit seiner Behinderung: "Dann wissen Sie jetzt, wie er sich auf einer Treppe fühle."
"Mein Dämon ist ein Stubenhocker" ist ein Buch ohne Schnörkel, amüsant, ohne oberflächlich zu sein. Lesenswert für jeden, der über die vielen kleinen Schwächen des Lebens lachen möchte, um an den großen Problemen nicht zu verzweifeln.
Rezensiert von Susanne Nessler
Maximilian Dorner: Mein Dämon ist ein Stubenhocker.
Aus dem Tagebuch eines Behinderten
Zabert Sandmann Verlag
168 Seiten, 16,95 Euro