Zwischen Verklärung und Aufarbeitung
In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche Filme, Theaterstücke und Ausstellungen mit der RAF und dem Deutschen Herbst 1977 beschäftigt. Doch haben Kunst und Kultur eher zur Aufklärung oder zur Verklärung beigetragen? Mit dieser Frage befasst sich eine zweitägige Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin.
Barbara Wahlster: Im Jahr 2003 sorgte eine geplante Kunstausstellung in Berlin zum Thema der RAF für heftige Kritik. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion sagte damals: "Eine Ausstellung über das Wirken und die ideellen Hintergründe dieses Phänomens kann einzig und allein eine Demütigung der Opfer sein." 30 Jahre nach dem Deutschen Herbst 1977 will nun die Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung Berlin Erfahrungen und Lehren aus dem RAF-Terrorismus zusammentragen. Die zweitägige Konferenz beleuchtet heute die "Reflexionen in Kunst und Kultur". Melanie Piepenschneider, die Leiterin der Akademie ist jetzt am Telefon. Guten Abend! Was hat sich seit 2003 verändert, dass Kunst und Kultur in ihren Blick rücken?
Melanie Piepenschneider: Aus Sicht der Konrad-Adenauer-Stiftung hat sich nichts verändert. Uns geht es darum, das Datum Deutscher Herbst 1977 zum Anlass zu nehmen, über das Thema zu reflektieren und die gesellschaftlichen Folgen zu beleuchten. Und da spielt natürlich Kunst und Kultur eine wichtige Rolle, denn Kunst und Kultur hat ja einen gesellschaftlichen Auftrag, Kunst und Kultur sind frei und trotzdem stellen sie sich Fragen, wo und wie der gesellschaftliche Diskurs seine Grenzen hat. Was kann Kunst leisten zum Thema RAF? Oder führt zum Beispiel künstlerische Überhöhung oder Verfremdung eines solchen Themas zu einer Legendenbildung oder zur Verdeutlichung des Sachverhaltes? Wie sieht es aus mit der Ästhetisierung? Diese Fragen wollen wir erörtern.
Wahlster: Der Choreograph Johann Kresnik hat 1990 ein Tanztheaterstück über Ulrike Meinhof gemacht, es hat außerdem eine Fülle von Filmen zur RAF-Thematik gegeben. Verklärung oder Geschichtsaufarbeitung?
Piepenschneider: Genau das ist die Frage, die wir heute Abend diskutieren wollen. Wo ist da die Grenze? Wo geht es da in die Verklärung? Wo geht es in die Romantisierung? Wo geht es in die Ästhetisierung? Und wo ist die Ausprägung, die Kunst und Kultur natürlich hat, dem Thema nicht förderlich. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass in den über 20 Jahren, in denen die RAF terroristische Anschläge verübt hat, 43 Menschen ihr Leben lassen mussten, über 100 Menschen entführt oder als Geisel gefangen gehalten wurden, in einer Phase, wo Politiker in angespannter Situation mit einem ungeheueren Verantwortungs- und Handlungsdruck belegt waren, wo die junge Demokratie Bundesrepublik Deutschland, ich will nicht sagen an die Grenze gekommen ist, aber sich doch jeder fragte, wie kann sie dem Angriff auf die Grundordnung standhalten, wird sie standhalten, und sie hat ja standgehalten - das sind alles Fragen, die man reflektieren sollte, auch wenn man über Kunst und Kultur spricht. Und da reicht es eben nicht allein, sich mit der Aufarbeitung, Darstellung oder Wissensvermittlung im Sinne einer politischen Bildung zu beschäftigen, sondern das ist gerade auch das Ausdrucksmittel Kunst und Kultur ein wichtiger Aspekt.
Das Gespräch mit Melanie Piepenschneider können Sie bis zum 29.1.2008 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Melanie Piepenschneider: Aus Sicht der Konrad-Adenauer-Stiftung hat sich nichts verändert. Uns geht es darum, das Datum Deutscher Herbst 1977 zum Anlass zu nehmen, über das Thema zu reflektieren und die gesellschaftlichen Folgen zu beleuchten. Und da spielt natürlich Kunst und Kultur eine wichtige Rolle, denn Kunst und Kultur hat ja einen gesellschaftlichen Auftrag, Kunst und Kultur sind frei und trotzdem stellen sie sich Fragen, wo und wie der gesellschaftliche Diskurs seine Grenzen hat. Was kann Kunst leisten zum Thema RAF? Oder führt zum Beispiel künstlerische Überhöhung oder Verfremdung eines solchen Themas zu einer Legendenbildung oder zur Verdeutlichung des Sachverhaltes? Wie sieht es aus mit der Ästhetisierung? Diese Fragen wollen wir erörtern.
Wahlster: Der Choreograph Johann Kresnik hat 1990 ein Tanztheaterstück über Ulrike Meinhof gemacht, es hat außerdem eine Fülle von Filmen zur RAF-Thematik gegeben. Verklärung oder Geschichtsaufarbeitung?
Piepenschneider: Genau das ist die Frage, die wir heute Abend diskutieren wollen. Wo ist da die Grenze? Wo geht es da in die Verklärung? Wo geht es in die Romantisierung? Wo geht es in die Ästhetisierung? Und wo ist die Ausprägung, die Kunst und Kultur natürlich hat, dem Thema nicht förderlich. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass in den über 20 Jahren, in denen die RAF terroristische Anschläge verübt hat, 43 Menschen ihr Leben lassen mussten, über 100 Menschen entführt oder als Geisel gefangen gehalten wurden, in einer Phase, wo Politiker in angespannter Situation mit einem ungeheueren Verantwortungs- und Handlungsdruck belegt waren, wo die junge Demokratie Bundesrepublik Deutschland, ich will nicht sagen an die Grenze gekommen ist, aber sich doch jeder fragte, wie kann sie dem Angriff auf die Grundordnung standhalten, wird sie standhalten, und sie hat ja standgehalten - das sind alles Fragen, die man reflektieren sollte, auch wenn man über Kunst und Kultur spricht. Und da reicht es eben nicht allein, sich mit der Aufarbeitung, Darstellung oder Wissensvermittlung im Sinne einer politischen Bildung zu beschäftigen, sondern das ist gerade auch das Ausdrucksmittel Kunst und Kultur ein wichtiger Aspekt.
Das Gespräch mit Melanie Piepenschneider können Sie bis zum 29.1.2008 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio