Zwischen Rock und Barock

Von Barbara Wiegand |
Die Künstlerin Catherine Lorent geht mit ihrer Kunst oft an die Grenzen der Genres: In ihren Installationen subsummiert sie Zeichnung, Skulptur, Performance, Musik und theatralische Inszenierung in ein Gesamtkunstwerk voll barocker Sinnlichkeit und bizarrem Zeitgeist.
Catherine Lorent sitzt an einem Flügel in ihrem Weddinger Atelier - genauer gesagt, lehnt die hochgewachsene junge Frau über den Seiten des geöffneten Instruments und greift, statt in die Tasten, zum elektrischen Bogen.

Catherine Lorent: "Das ist ein Ebow. Das ist ein elektronischer Bogen. Das ersetzt sozusagen den Bogen beim ... das müssen Sie sich vorstellen wie beim Cello. Es ist eigentlich bekannt als ein Plektrum zu spielen. Es versetzt die Seite in ihre natürliche Schwingung."

Sphärische, obertonreiche Klänge schwingen durch den Raum – meditativ verträumt bis enervierend disharmonisch ...

"In meiner Arbeit habe ich aber schon den Ebow am Klavier eingesetzt. Um Klaviere extern anzuspielen. Sei es durch Bewegungsmelder, da kriegen die Strom und die lösen dann ein elektromagnetisches Feld auf den jeweiligen Seiten aus. Aber für Venedig habe ich sie mit dem Luxemburgischen Soundtechniker Christian Neyens umgerüstet, so dass man sie extern ansteuern kann mit einem Interface."

Das mit dem Bogen gespielte Klavier ist auch Teil der Installation, mit der die 1977 in München geborene Lorent jetzt den Luxemburgischen Pavillon auf der Biennale in Venedig bespielt.

"Das Gesamtkunstwerk Relegation das ist wie eine barocke Wunderkammer. Auf der Seite des Canale Grande stehen drei Flügel in einem Enfilade von drei Räumen, die jeweils mit den Ebows ausgestattet sind. Zugleich sind noch 13 E-Gitarren an den Decken in den Zeichnungen auch teilweise integriert und auch wiederum mit Kabel angeschlossen."

Dabei reicht Catherine Lorents Bezug zur barocken Kunst weit über den Klang hinaus. Neben den Gitarren hängen in Venedig über den Köpfen der Zuschauer fünf Baldachine, deren Motive mitunter an opulente Deckengemälde erinnern, wie man sie aus barocken Kirchen kennt. Putten flattern da umher, Blitze fräsen sich im Zick Zack durch düstre Wolkenformationen, daneben paradiesische Palmen und teuflische Totenköpfe – wahre "Wimmelbilder", in denen es neben barocken auch zeitgenössische Comicfiguren zu entdecken gilt. Großformatige Arbeiten, die Lorent - ganz wie zu Leonardo Da Vincis Zeiten - oft in schwindelnder Höhe zeichnet oder malt.

"Den habe ich zum Teil auch über Kopf gemalt. Da muss man auf der Leiter hoch. Das ist wie früher, bei den Kirchenmalern. Da gibt es ein Gerüst, da legt man sich dahin und hat die Farbe auch dem Bauch – man kann ja im liegen malen. Aber das hier habe ich zum Beispiel meist an der Wand gezeichnet oder auf dem Boden. In der Regel habe ich eine Vorrichtung, das auch auf dem Boden zu bearbeiten."

Gemeinsam mit dem Ebow Sound von Klavier und Gitarre entsteht so eine bisweilen krude Mixtur aus Hoch- und Popkultur. Eine bizarre audiovisuelle Annäherung an existenzielle Themen – den Tod und das Leben, Gut und Böse, Ratio und Religio.

Gitarre und Klavier sind Teil von Lorents Multimedialen Installationen. Zum vielschichtigen Gesamtkunstwerk der 35-jährigen, ledigen Luxemburgerin gehört außerdem die Life Performance unbedingt dazu. Begleitet von Künstlerfreunden spielt sie zu Eröffnungen – und singt dazu mit ihrer tiefen, melancholischen Stimme – so melancholisch wie die Atmosphäre, die über vielen ihrer Bilder liegt.

Vier Instrumente beherrscht Catherine Lorent: Bass und E Gitarre, Klavier, Harmonium. Spielt darauf Klassik, aber auch Hardrock

"Ich bin musikaffin seit ich denken kann. Mit 13 hab ich Lieder gehört am Klavier, von meiner Schwester, die gelernt hat, Klavier zu spielen und ich habe dann irgendwann angefangen, Lieder die ich hörte, mitzuspielen. Einfach Rock und Jazz und Blues – ich hatte jetzt keine klassische Ausbildung. Das kam dann viel später, da war ich schon Student, da habe ich dann ein Jahr lang alles gespielt, Bach das Wohltemperierte Klavier, bis hin zu Beethoven. Und ich liebe Schubert."

Statt Musik studierte Catherine Lorent Malerei an der Uni Karlsruhe. Danach ging sie nach Paris, wo sie an der Sorbonne ihren Doktor in Kunstgeschichte machte. Vor sechs Jahren zog sie dann nach Berlin - da waren viele ihrer Künstlerkollegen schon hier, der Hype um Künstler und Kreative im vollen Gange. Doch Lorent war fasziniert von den Möglichkeiten die sich hier immer noch boten. Sie suchte sich ihre Nischen und mietete ein Atelier abseits der trendigen Viertel.

"Ich bin hier im Wedding, Osloer Straße, Wedding. Es ist ein sehr gutes Gebiet zum arbeiten. Es ist eben noch nicht so überlaufen hier. Eine sehr einfache Struktur, die eigentlich auch damals die Leute auch angeregt hat, nach Berlin zu gehen. Man will einfach nur sein Ding machen."