Zwischen Poesie und Provokation

Von Ulrike Gondorf · 14.01.2013
In Zeiten von Edelstahloberflächen und grellen LED-Leuchten ist für Romantik kaum Platz. Die Ausstellung "Isn’t it romantic" in Köln zeigt, dass Funktionalität und Perfektion keinen Widerspruch bilden müssen - und gibt Beispiele für kommerzielles Design.
Blau ist doch die Farbe der Romantik. Also lockt die durch Plakat und Ausstellungstitel einschlägig vorgeprägten Besucher erst mal ein großer blauer Farbfleck in den zentralen Ausstellungsraum des Kölner Museums für Angewandte Kunst. Aus dem offenen Treppenhaus kann man schon im Eingangsbereich hinunterschauen auf die etwas tiefer gelegene Fläche.

Ein Holzhäuschen ist dort noch zu sehen, einige archaisch einfach anmutende Möbel, ein Tisch mit irdenen Gefäßen, einige skulpturartige Objekte und eben der Teppich "Ocean" von Hermann August Weizenegger, in allen Blautönen spielend und je nach Blickrichtung in vielen Nuancen changierend wie ein südliches Meer.

Der Teppich gehört zu den Lieblingsobjekten der Ausstellungsmacherin Tulga Beyerle, die als Gastkuratorin aus Wien nach Köln gekommen ist. Sie schaut durch die Brille der Romantik auf zeitgenössisches Design, weil sich ihr überall Parallelen aufdrängen zwischen der Zeit des Umbruchs um 1800 und der Gegenwart.

Beyerle: "Dann hat das für mich Sinn bekommen, dass das eine Sehnsucht oder Suche nach etwas anderem ist, was unserer allzu perfekten, schnellen Welt etwas entgegensetzt, was uns auf einer anderen Ebene befriedigt und glücklich macht."

Auf zwei Ebenen zeigt die Ausstellung diese Bezüge. Sie gibt Beispiele für kommerzielles Design und dokumentiert damit einen Trend zum Verspielten, der längst auf dem Markt angekommen ist und sich auch ungeniert versteigt zum augenzwinkernd dargebotenen Kitsch: Ronan und Erwan Bouroullec, von der Zeitschrift "Architektur und Wohnen" gerade in Köln als Designer des Jahres ausgezeichnet, zeigen zierliche Stühlchen aus pastellfarbigem Rohrgeflecht.

Hayme Hayon macht Porzellanfigürchen, die nicht im Rokokokostüm daherkommen, sondern in Designermode von heute. Ingo Maurer verpasst den Glühbirnen seiner langstieligen Leselampen Flügelchen aus Federn.

Beyerle: "Wie ich angefangen hab, mich mit Romantik zu beschäftigen, ist mir aufgefallen, dass es in der Magazinwelt oder der kommerziellen Designwelt in den letzten Jahren zunehmend Produkte gibt, die etwas sehr Florales, Textiles, Verspieltes an sich haben, vielleicht etwas Ironisches, Absurdes, Groteskes, Bizarres, die allgegenwärtig sind."

So wie die Romantik eine Gegenwelt zur aufkommenden Industrialisierung schuf, besinnen sich Designer in unserer High-Tech-Zeit auf nicht seriell optimierte Verfahren, auf nachhaltige, manchmal auch ganz eng regional ausgewählte Materialien. "Zurück zur Natur" ist das Schlagwort über die Zeiten hinweg.

Beyerle: "Aber das Schöne ist, dass es nicht in Verzweifeln mündet, ein ohnmächtiges Aufgeben, Umweltzerstörung, Ressourcenknappheit, sondern dass Designer sich ermächtigen, Alternativen zu suchen und uns Alternativen in die Hand geben oder Türen öffnen, wie wir mit dieser Welt umgehen könnten."

Die Sehnsucht nach dem Einfachen, Natürlichen, die Freude an Witz und Phantasie - das ist natürlich nur die kommerziell verwertbare Außenseite der Romantik. Kuratorin Tulga Beyerle führt in ihrer Ausstellung aber auch zu den Nachtseiten. Melancholie, Todessehnsucht, schauerlich Abgründiges kann Designer ebenfalls reizen; allerdings nicht zu marktgängigen Serien, sondern zu experimentellen Einzelstücken am Schnittpunkt von Konzeptkunst und Design.

Da liegen in einer Vitrine zum Beispiel winzige Objekte aus edlem weißen Porzellan, mit feinem Pinsel mit goldenen Ornamenten bemalt. Schmucksteine könnte man denken, bis man daneben liest, was die Designerin Julia Lohmann da ausstellt: die abgegossenen Körper tief gefrorener neugeborener Mäuse, wie sie als Schlangenfutter verwendet werden.

Beyerle: "Wenn man aber genauer schaut, ist man doch mit der anderen Welt, die man nicht sehen will, konfrontiert. Dem Tod so Respekt zu erweisen, empfinde ich als schöne Kombination von ebenen, die ganz im Gegensatz zum klass. Designstück steht, das vor allem der Funktionalität und der seriellen Produktion verpflichtet ist."

Isn’t it romantic? Die scheinbare klischeehafte und kitschverdächtige Frage beantwortet die Design-Ausstellung im Kölner Museum für Angewandte Kunst sehr differenziert. Design ist hier nicht stromlinienförmig und funktional, sondern scheut nicht zurück vor Ecken und Kanten, Plüsch und Rüschen, leistet sich Brüche und Widersprüche.