Zwischen News und Propaganda

Von Cornelia Wegerhoff |
In Ägypten wurde Al-Dschasira 2011 als "Stimme der Revolution" gefeiert. Doch nach dem Sturz von Präsident Mursi wird der in Katar angesiedelte TV-Sender von Liberalen und den Privatsendern angefeindet: Al-Dschasira habe sich zum Sprachrohr der Muslimbruderschaft machen lassen.
Aus allen Erdteilen laufen in rasender Geschwindigkeit Linien zusammen, umfassen so den Globus und schmiegen sich dann zu arabischen Buchstaben aneinander: "Al-Dschasira" steht in goldenen Lettern auf dem Bildschirm zu lesen.

Der Trailer vor den Hauptnachrichten ist topmodernes Fernsehdesign und von tiefer Symbolik: "Al-Dschasira” heißt "die Insel” und bezieht sich auf die arabische Halbinsel, auf der auch das Emirat Katar und das Sendezentrum liegen. Von dort strahlt das "CNN der arabischen Welt, der Muslime”, wie der Sender gerne auch genannt wurde, seine Programme in die ganze Welt aus. Rund 50 Millionen Zuschauer täglich soll Al-Dschasira im Nahen Osten haben, 200 Millionen Menschen erreiche täglich das englischsprachige Programm, so die Verantwortlichen.

Als Scheich Hamad bin Chalifa Al Thani, der Emir von Katar, Al-Dschasira einst1996 mit einigen entlassenen BBC-Mitarbeitern gründete, galt es als hehres journalistisches Ziel, endlich Alternativen zu den staatlichen Propaganda-Kanälen der arabischen Diktatoren zu schaffen. Mit Beginn des Arabischen Frühlings nahm der Sender dann schließlich aktiv Einfluss, um sie mit aus dem Amt zu jagen.

In Ägypten stellte sich Al-Dschasira mit seiner Berichterstattung offen auf die Seite der Aufständischen. Als Mubarak schließlich gehen musste, feierten die Demonstranten den Fernsehsender aus Doha als "Stimme der Revolution”.

Logo des arabischen TV-Senders "Al-Jazeera"
Logo von Al Jazeera© Screenshot DRadio.de
Anruf von Mursi
Doch schon da muss Al-Dschasira beste Kontakte zu den bis dahin verfolgten Muslimbrüdern gepflegt haben. Im Chaos des Volksaufstands meldete sich ein Häftling aus den plötzlich geöffneten Gefängnissen als erstes telefonisch bei Al-Dschasira:

"Wollen Sie unsere Namen wissen?", fragt der Mann am Ende des Interviews.
"Bitte. Mohammed Mursi …"

… beginnt er mit sich selbst die Aufzählung. Im Juli 2012 wird Mursi Ägyptens Präsident und Al-Dschasira das "Sprachrohr seiner Muslimbruderschaft”, so die Armeeführung, die Mursi ein Jahr später wieder stürzt. Sie schließt Al-Dschasiras ägyptischen Ableger "Al-Dschasira Mubasher Misr". Er sei zu parteiisch, so der Vorwurf.

In Wort und Bild soll bei Al-Dschasira manipuliert worden sein. Alte Szenen vom menschenleeren Tahrir-Platz seien zum Beispiel gezeigt worden statt aktueller Bilder mit hunderttausenden Mursi-Gegnern.

Auch von Kollegen werden Al-Dschasira-Mitarbeiter inzwischen angefeindet: Reporter wurden aus Pressekonferenzen herausgeworfen und tätlich angegriffen. Auf Handzetteln, die in der Nachbarschaft der Al-Dschasira-Büros verteilt wurden, war neben dem verschlungenen Al-Dschasira-Signet zu lesen: "Eine Kugel kann einen Menschen töten, eine lügende Kamera eine ganze Nation.”
Mehr zum Thema