Zwischen Nähe und Distanz

Wie kann Nachbarschaft gelingen?

84:51 Minuten
Kinderzeichnung von vielen Häusern, die eng beieinander stehen.
Am 28. Mai ist der "Tag der Nachbarn". Aber was macht "gute" Nachbarschaft überhaupt aus? © imago / fStop Images / Josephine Artois
Moderation: Gisela Steinhauer |
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Wenn es gut läuft, sind sie unerlässliche Helfer: Nachbarn nehmen Pakete an, gießen die Blumen, passen auf die Kinder auf. Was aber, wenn es Streit gibt? Was macht eine gute Nachbarschaft aus? Wie wichtig ist ein Miteinander in diesen Corona-Zeiten?
Am 28. Mai ist der "Tag der Nachbarn". Er soll nicht nur zeigen, wie wichtig ein gutes Miteinander ist, im Haus, in der Straße, im Dorf oder der Stadt. An diesem Tag soll die Nachbarschaft auch gefeiert werden. Wie kann ein gutes Miteinander gelingen?

"Nachbarschaft ist eine unerschöpfliche Ressource"

"Für mich bedeutet Nachbarschaft Zusammenhalt, Solidarität, das gute Gefühl, gut aufgehoben zu sein – und zwar quer durch alle Altersgruppen", sagt Erdtrud Mühlens, Gründerin von "Netzwerk Nachbarschaft". Es war 2004 die erste bundesweite Plattform für den Austausch und die Vernetzung von Nachbarn; mittlerweile sind darin rund 3000 Projekte organisiert.
Deren Bandbreite ist groß, so Erdtrud Mühlens: "Hauseigentümer diskutieren über Solargemeinschaften, Eltern bauen Spielplätze, Rentner helfen bei den Hausaufgaben und gründen Senioren-WGs, gärtnerisch Talentierte bepflanzen Dächer, Straßen und Höfe."

Diese "Wahlverwandtschaften" hätten sich auch in diesen Corona-Zeiten bewährt: "In der ganzen Bundesrepublik entstehen Telefonnetzwerke und -Konferenzen, Einkaufshilfen, Balkonaktionen, Bücherspenden, Kochangebote oder Hunde- und Kinderbetreuungsaktionen. Neue Brieffreundschaften entstehen. Und: Das Schwarze Brett im Hausflur feiert in vielen Nachbarschaften ein regelrechtes Comeback."

Ihre Überzeugung: "Nachbarschaft ist eine unerschöpfliche Ressource, die die Lebensqualität erhöht."

Nachbarn kann man sich nicht aussuchen

"Nachbarschaft darf man nicht romantisieren", sagt Prof. Dr. Sebastian Kurtenbach. "Es ist eine soziale Beziehung, die sich aufgrund von Nähe konstruiert. Freundschaft ist nicht die Regel." Der Soziologe von der FH Münster erforscht Formen des städtischen Zusammenlebens, dazu gehört auch die Nachbarschaft.
Nachbarn könne man sich nicht aussuchen, da könne es auch schon mal zu Auseinandersetzungen kommen, so der Wissenschaftler. Die Klassiker: Lärm oder – bei Grundstücksbesitzern – der überhängende Ast vom Nachbarn. Damit Nachbarschaft gelingt, brauche es "kollektive Wirksamkeit": "Ich glaube, hier hilft mir jemand, wenn es mir schlecht geht. Das muss gar nicht sein, dass man sich gegenseitig in den Kochtopf guckt."

Nachbarschaft stärken

Für seine Doktorarbeit hat Kurtenbach Feldforschung in Köln-Chorweiler betrieben und drei Monate in einem der Hochhäuser gelebt. Er wollte herausfinden, wie sehr eine Nachbarschaft die Menschen beeinflusst. Seine Erfahrung: "Je enger Menschen zusammenwohnen, desto mehr versuchen sie, Distanz zueinander zu schaffen."
Man könne sich in derlei engen Wohnverhältnissen kaum aus dem Weg gehen, das sei gerade jetzt in Corona-Zeiten ein Problem. Umso wichtiger sei es, Nachbarschaft zu stärken, durch Sozialarbeit, Quartiersmanagement. Und da es immer mehr digitale Angebote und Plattformen zur Vernetzung gibt, erforscht Kurtenbach auch diese Möglichkeiten – auch auf dem Land.

Seine Erfahrung: "Ein guter Nachbar zu sein, ist jeden Tag eine neue Herausforderung."

Zwischen Nähe und Distanz – Wie kann Nachbarschaft gelingen?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer am Sonnabend von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit dem Soziologen Sebastian Kurtenbach und mit Erdtrud Mühlens vom "Netzwerk Nachbarschaft". Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 oder per E-Mail: gespraech@deutschlandfunkkultur.de.
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(sus)
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