Zwischen Macht und Ohnmacht
Vor 21 Jahren hatte die EKD-Synode beschlossen, den Frauenanteil in Leitungs- und Beratungsgremien innerhalb von zehn Jahren auf mindestens 40 Prozent zu erhöhen. Heute sind die Protestanten weit von diesem Ziel entfernt – auch wenn es Grund zur Hoffnung gibt.
Alice Schwarzer dürfte ins Schwärmen kommen. Eva und Adam – fast gleich verteilt. Seit zwei Jahren studieren an deutschen Universitäten zum ersten Mal etwas mehr Frauen als Männer evangelische Theologie. Immer weniger ambitionierte junge Männer streben ins Pfarrhaus. Das ist zumindest die Beobachtung von Petra Bahr, der Kulturbeauftragten der evangelischen Kirche.
„Für mich stellt sich die Frage, warum bestimmte Persönlichkeitstypen eigentlich nicht mehr Theologie studieren, zum Beispiel die aus den Pfarrhäusern kommen und häufig sich nicht mehr für ein Theologiestudium entscheiden, sondern lieber Jura studieren oder Volkswirtschaft, (...) gerade wenn sie engagiert sind, begabt sind, entscheiden sie sich gegen ein Theologiestudium. Früher, noch vor 20 Jahren, war das ein Grund, sich für ein Theologiestudium zu entscheiden.
„"Das Problem ist eben, wenn ein Beruf vorwiegend von Frauen ausgeübt wird, das sieht man bei der Erzieherin oder der Krankenpflegerin, dann sinkt das Renommee, die Reputation, irgendwann sinken die Gehälter, und kein Mann möchte diesen Beruf mehr ausüben.“
Meint die Berliner Theologin Rajah Scheepers. Sie erforscht die Feminisierung von Theologie und Religion. Droht dem Pfarrberuf die Zukunft eines Frauenberufs?
„… die droht dem Pfarrerberuf, da Männer weniger Anreiz haben, Theologie zu studieren, als sie das vor 50 Jahren hatten. (...) Wenn das Leitbild für den Pfarrberuf die Pfarrerin ist, dann ist das für Männer nicht mehr attraktiv. Das ist ja das Interessante, dass ein Männerberuf ist für Frauen total attraktiv, aber ein Frauenberuf ist für Männer gar nicht attraktiv. (…) Das liegt auch daran, dass die Reputation des Pfarrberufes insgesamt zurückgegangen ist, vor 50 Jahren waren Pfarrer ja noch mit die angesehensten Personen im Dorfe, das ist heute nicht mehr so.“
Die männlichen Einwände gegen eine vermeintliche Feminisierung der Kirche werden selten laut geäußert, aber auch Petra Bahr kennt diese Diskussionen:
„Es gibt (aber auch) ein Gegrummel, dass gesagt wird: Die Kirche feminisiert sich jetzt, wir haben eine Kirche, die vielleicht ein zu stark weiblich geprägtes Gebilde wird, da müssen wir gegensteuern. Viele trauen sich nicht, das offen zu sagen, aber ich höre das immer wieder (...), und das finde ich einigermaßen irritierend, denn wenn man sich die Zahlen anguckt, gibt es ja keinen Grund zur Sorge, dass es übermorgen nur noch Pfarrerinnen gibt.
„"So weit sind wir noch nicht, wir sind noch auf einem ganz anderen Weg.“
Bekräftigt Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der EKD und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.
„Eigentlich müssen wir noch dafür sorgen, dass viel mehr Frauen Chancen haben, nicht nur die Arbeit auf dem Acker zu machen, sondern auch auf dem Trecker zu sitzen. Da haben wir noch einiges vor uns.“
„Wichtig wäre jetzt, dass das Pfarramt eine Position wird, die sowohl von Männern als auch von Frauen wahrgenommen werden kann und die weder männlich noch weiblich konnotiert ist und ich finde, dass da die Ängste, die da entstehen, unrealistisch sind.“
Sagt Kristin Bergmann, die Gleichstellungsbeauftragte der EKD.
Außer bei den Theologiestudierenden überwiegt überall eine Schieflage der Geschlechter:
Frauen stellen mit 55 Prozent die Mehrheit der knapp 25 Millionen Mitglieder der evangelischen Kirchen. Mehr als zwei Drittel der Ehrenamtlichen sind Frauen. Im Pfarramt sind lediglich etwas mehr als ein Viertel der rund 19.000 Geistlichen weiblich. In den geistlichen Kirchenleitungen liegt der Anteil der Frauen mit 30 Prozent etwas höher, aber das liegt vor allem an den vielen ehrenamtlichen Frauen; in der Spitze der Kirchenverwaltung liegt der Frauenanteil bei weniger als einem Viertel.
Dass Frauen auch bei den Protestanten nicht richtig zum Zug kommen, sei nicht nur ungerecht, meint die Berliner Wissenschaftlerin Rajah Scheepers, sondern auch von Nachteil für die Kirche. Denn jede Organisation profitiert davon, wenn ein Geschlecht nicht zu dominant ist.
„Das ist nachgewiesenermaßen so, auch in der Wirtschaft zum Beispiel, da gibt es zunehmend Studien, die versuchen den Unternehmen darzulegen, dass, wenn Frauen in Führungspositionen gelangen, das Klima besser wird, die Verkaufszahlen steigen, (...) und tatsächlich lässt sich nachweisen, wenn Frauen und Männer etwa gleichstark Positionen besetzen, dass das für das Klima besser ist und auch für die Produktivität, weil das eine Geschlecht sieht eben Sachen, die das andere nicht sieht. Jeder arbeitet auf seine Weise, und wenn beides zusammenkommt, das ist am besten.“
Frauen seien nicht etwa die besseren Menschen, sagt die 35-Jährige, aber sie seien tendenziell stärker im alltäglichen Leben verankert.
„Was Frauen eher versuchen, ist eine Balance hinzubekommen zwischen Kindern, also die Life-Work-Balance, also das, was das Leben noch ausmacht, statt sich nur im Job aufzureiben, wie das traditionell die Rolle von Männern ist, die sich ja noch als Ernährer der Familie sehen.“
Die EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt und die Berliner Kulturbeauftragte der EKD, Petra Bahr, sind überzeugt, dass Frauen einen anderen Führungsstil haben.
Bahr: „Ich glaube, dass Frauen, gerade wenn es um Gremien geht, eher ergebnisorientiert arbeiten, vielleicht auch weil sie es müssen, denn das, was Männer gut können, Allianzen schließen, eine Freude daran haben, sich als Sprecher zu exponieren, fehlt vielen Frauen – zum Glück. Ich habe mir sagen lassen, dass generell die Kirchenratsversammlung bei Pfarrerinnen kürzer sind als bei Pfarrern, und dass auch die Voten von Frauen in Kirchenvorständen kürzer sind als die von Männern.“
Göring-Eckardt: „Was von Frauen erwartet wird, dass sie stärker im Team spielen, das ist ein ganz wichtiger Punkt, aber man könnte auch sagen, es geht eher um einen modernen Führungsstil, und den haben häufiger Frauen, vielleicht auch deswegen, weil sie nicht glauben, dass sie als Führungspersönlichkeiten geboren sind, wie das bei Männern oft der Fall ist, sondern dass sie sich damit beschäftigen, wie man das heute tut, und das führt häufig dazu, dass sie die kompetenteren Führungspersönlichkeiten sind.“
Große Unterschiede in der Wahrnehmung von Männern und Frauen erleben Petra Bahr und Rajah Scheepers auf verschiedenen Ebenen:
Bahr: „Für mich ist die besondere Situation immer die, wenn ich zu einer Veranstaltung komme und jemand steht an der Tür und will mich begrüßen und sagt: Ach, Sie sind also die Referentin des Kulturbeauftragten, weil man mit einem Mann rechnet. Das tut man selbst in der Kultur, wo man doch theoretisch einen hohen Frauenanteil vermutet, in Wahrheit aber doch nur wieder mit Männern zu tun hat.“
Scheepers: „Ich habe mit einem Professor gesprochen, der mir sehr wohlgesonnen ist: Als ich mit meinem zweiten Kind schwanger war, meinte er: Rajah, war das ein Unfall? Und ich: Wie Unfall, ich bin verheiratet, wir haben beide einen guten Job, Unfall? Und er meinte: Mit zwei Kindern habilitieren, wie soll das klappen? Er ist Professor mit vier Kindern geworden, weil er eine Frau hatte, die ihm den Rücken frei gehalten hat.“
Bahr: „In dem Moment, wo eine Frau entschieden eine Position formuliert und sich nicht nach allen Seiten absichert, muss man ihr unterstellen: Sie ist frech oder sie ist dumm. Bei Männern steht dann eher der Verdacht im Raum, der ist machtorientiert. Da gibt es einen großen Unterschied.“
Obwohl viele Männer behaupten, Frauen hätten keinen Humor, glänzen sie oft durch Witz und Ironie.
Bahr: „Humor ist überhaupt das Geheimnis des Überlebens von Frauen in Männerwelten und ein gutes Patentmittel für Frauen, die nicht nur in der Kirche, sondern auch an anderen Orten was werden wollen, ohne ständig verletzt oder überempfindlich zu reagieren.“
Doch Humor allein reicht natürlich, wenn Gottes weibliches Bodenpersonal Karriere machen will.
Doch auch in der Kirche kann eigentlich nur aufsteigen, wer sich fast ausschließlich auf den Beruf konzentriert, sagt Kristin Bergmann, die Gleichstellungsbeauftragte der EKD:
„Man kann das heute auch in kirchlichen Leitungspositionen noch durchgängig sagen, dass dort ein Modell vorherrscht, dass diese Jobs eigentlich nur lebbar sind, wenn sie jemanden haben, der ihnen den Rücken dann frei hält. Und das ist etwas, was bei Frauen traditionell nicht so funktioniert, das Rollenbild ist ein anderes.“
Leider gibt es nur wenige Modelle, die zeigen: Kirche kann auch anders:
„Wir haben in Bayern ein geteiltes Regionalbischofsamt, da geht es, andere Landeskirchen sagen, es ist völlig undenkbar, dass man eine Leitungsposition teilt, man muss auch den Mut haben, es auch zu wollen, und nicht in den gängigen Strukturen fortfahren, und da ist das Problem, wer die Macht hat, auch die Spielregeln setzt, und solange dort (...) keine Männer, die andere Rollenmodelle leben wollen, anzutreffen sind, ändert sich wenig.“
Seit vier Jahren teilt sich das Theologenehepaar Elisabeth Hann von Weyhern und Stefan Ark Nitsche das Amt des Regionalbischofs in Nürnberg. Und die bayerische Landeskirche bietet auch ein Teilzeitvikariat an: Junge Mütter (oder – sehr selten – auch junge Väter -) sehen sich so nicht gezwungen, das Vikariat zu verschieben oder zu unterbrechen.
Ein anderes Modell, das einige Landeskirchen praktizieren, um die Karriere von Frauen zu fördern, ist das Mentoring:
Bergmann: „Das Prinzip des Mentoring ist, dass eine erfahrene Führungsfrau (...) mit einer Menti, also einer Nachwuchskraft, zusammenarbeitet, und sie auch mitnimmt in ihre dienstlichen Zusammenhänge, aber auch dass der Rahmen geschaffen wird, um Dinge, die in keiner Ausbildung vermittelt werden, die für Führungspositionen aber wichtig sind, vermittelt werden können – bis hin zu den Kleider-Codes, die da eine Rolle spielen oder bestimmte Benimm-Codes.“
Mit dem Mentoring-Programm lassen sich wohlmöglich männliche Seilschaften und kirchliche Karriereklüngel durchbrechen, wie das Beispiel der neu fusionierten Kirche in Mitteldeutschland zeigt. Dort werden zwar lediglich sechs von 32 Kirchenkreisen von Frauen geleitet; aber fünf dieser sechs Superintendentinnen haben das Mentoring-Programm durchlaufen.
Doch den meisten Landeskirchen fehlt angeblich das Geld für eine Frauenförderung; anderen Konfessionen und Religionen fehlt das Verständnis, wenn es um Frauen in geistlichen Ämtern geht.
Bahr: „In Bezug auf den Islam habe ich da auch einige sehr harte Erfahrungen gemacht, da wird einem erst gar nicht die Hand gegeben oder es kann passieren, dass gesagt wird, sie sind auf diesem Podium nicht erwünscht, sondern nur ein männlicher Vertreter ihrer Kirche.“
Und auch bei den christlichen Konfessionen sieht es oft nicht viel besser aus: Weltweit leben 85 Prozent der Christinnen und Christen in Kirchen, die keine Frauen in geistliche Ämter zulassen.
Scheepers: „Das hat man ja auch gesehen, als Landesbischöfin Käßmann gewählt worden ist, hat das eher dazu geführt, dass die russisch-orthodoxe Kirche sich abgegrenzt hat, (...) die römisch-katholische Kirche versucht ja sogar mit diesem Argument, dass sie keine Frauen ordiniert, Leute anzuwerben aus anderen Kirchen, etwa aus der anglikanischen, wo ja Frauen auch geweiht und Schwulen und Lesben auch Ämter bekleiden dürfen.“
Doch der Blick auf die anderen Religionen, in denen Frauen oft nur als Gläubige zweiter Klasse behandelt werden, darf nicht die Einsicht verhindern, dass es auch in den evangelischen Landeskirchen noch viel zu tun gibt. Das Sagen im Protestantismus haben noch immer die Männer.
„Für mich stellt sich die Frage, warum bestimmte Persönlichkeitstypen eigentlich nicht mehr Theologie studieren, zum Beispiel die aus den Pfarrhäusern kommen und häufig sich nicht mehr für ein Theologiestudium entscheiden, sondern lieber Jura studieren oder Volkswirtschaft, (...) gerade wenn sie engagiert sind, begabt sind, entscheiden sie sich gegen ein Theologiestudium. Früher, noch vor 20 Jahren, war das ein Grund, sich für ein Theologiestudium zu entscheiden.
„"Das Problem ist eben, wenn ein Beruf vorwiegend von Frauen ausgeübt wird, das sieht man bei der Erzieherin oder der Krankenpflegerin, dann sinkt das Renommee, die Reputation, irgendwann sinken die Gehälter, und kein Mann möchte diesen Beruf mehr ausüben.“
Meint die Berliner Theologin Rajah Scheepers. Sie erforscht die Feminisierung von Theologie und Religion. Droht dem Pfarrberuf die Zukunft eines Frauenberufs?
„… die droht dem Pfarrerberuf, da Männer weniger Anreiz haben, Theologie zu studieren, als sie das vor 50 Jahren hatten. (...) Wenn das Leitbild für den Pfarrberuf die Pfarrerin ist, dann ist das für Männer nicht mehr attraktiv. Das ist ja das Interessante, dass ein Männerberuf ist für Frauen total attraktiv, aber ein Frauenberuf ist für Männer gar nicht attraktiv. (…) Das liegt auch daran, dass die Reputation des Pfarrberufes insgesamt zurückgegangen ist, vor 50 Jahren waren Pfarrer ja noch mit die angesehensten Personen im Dorfe, das ist heute nicht mehr so.“
Die männlichen Einwände gegen eine vermeintliche Feminisierung der Kirche werden selten laut geäußert, aber auch Petra Bahr kennt diese Diskussionen:
„Es gibt (aber auch) ein Gegrummel, dass gesagt wird: Die Kirche feminisiert sich jetzt, wir haben eine Kirche, die vielleicht ein zu stark weiblich geprägtes Gebilde wird, da müssen wir gegensteuern. Viele trauen sich nicht, das offen zu sagen, aber ich höre das immer wieder (...), und das finde ich einigermaßen irritierend, denn wenn man sich die Zahlen anguckt, gibt es ja keinen Grund zur Sorge, dass es übermorgen nur noch Pfarrerinnen gibt.
„"So weit sind wir noch nicht, wir sind noch auf einem ganz anderen Weg.“
Bekräftigt Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der EKD und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.
„Eigentlich müssen wir noch dafür sorgen, dass viel mehr Frauen Chancen haben, nicht nur die Arbeit auf dem Acker zu machen, sondern auch auf dem Trecker zu sitzen. Da haben wir noch einiges vor uns.“
„Wichtig wäre jetzt, dass das Pfarramt eine Position wird, die sowohl von Männern als auch von Frauen wahrgenommen werden kann und die weder männlich noch weiblich konnotiert ist und ich finde, dass da die Ängste, die da entstehen, unrealistisch sind.“
Sagt Kristin Bergmann, die Gleichstellungsbeauftragte der EKD.
Außer bei den Theologiestudierenden überwiegt überall eine Schieflage der Geschlechter:
Frauen stellen mit 55 Prozent die Mehrheit der knapp 25 Millionen Mitglieder der evangelischen Kirchen. Mehr als zwei Drittel der Ehrenamtlichen sind Frauen. Im Pfarramt sind lediglich etwas mehr als ein Viertel der rund 19.000 Geistlichen weiblich. In den geistlichen Kirchenleitungen liegt der Anteil der Frauen mit 30 Prozent etwas höher, aber das liegt vor allem an den vielen ehrenamtlichen Frauen; in der Spitze der Kirchenverwaltung liegt der Frauenanteil bei weniger als einem Viertel.
Dass Frauen auch bei den Protestanten nicht richtig zum Zug kommen, sei nicht nur ungerecht, meint die Berliner Wissenschaftlerin Rajah Scheepers, sondern auch von Nachteil für die Kirche. Denn jede Organisation profitiert davon, wenn ein Geschlecht nicht zu dominant ist.
„Das ist nachgewiesenermaßen so, auch in der Wirtschaft zum Beispiel, da gibt es zunehmend Studien, die versuchen den Unternehmen darzulegen, dass, wenn Frauen in Führungspositionen gelangen, das Klima besser wird, die Verkaufszahlen steigen, (...) und tatsächlich lässt sich nachweisen, wenn Frauen und Männer etwa gleichstark Positionen besetzen, dass das für das Klima besser ist und auch für die Produktivität, weil das eine Geschlecht sieht eben Sachen, die das andere nicht sieht. Jeder arbeitet auf seine Weise, und wenn beides zusammenkommt, das ist am besten.“
Frauen seien nicht etwa die besseren Menschen, sagt die 35-Jährige, aber sie seien tendenziell stärker im alltäglichen Leben verankert.
„Was Frauen eher versuchen, ist eine Balance hinzubekommen zwischen Kindern, also die Life-Work-Balance, also das, was das Leben noch ausmacht, statt sich nur im Job aufzureiben, wie das traditionell die Rolle von Männern ist, die sich ja noch als Ernährer der Familie sehen.“
Die EKD-Präses Katrin Göring-Eckardt und die Berliner Kulturbeauftragte der EKD, Petra Bahr, sind überzeugt, dass Frauen einen anderen Führungsstil haben.
Bahr: „Ich glaube, dass Frauen, gerade wenn es um Gremien geht, eher ergebnisorientiert arbeiten, vielleicht auch weil sie es müssen, denn das, was Männer gut können, Allianzen schließen, eine Freude daran haben, sich als Sprecher zu exponieren, fehlt vielen Frauen – zum Glück. Ich habe mir sagen lassen, dass generell die Kirchenratsversammlung bei Pfarrerinnen kürzer sind als bei Pfarrern, und dass auch die Voten von Frauen in Kirchenvorständen kürzer sind als die von Männern.“
Göring-Eckardt: „Was von Frauen erwartet wird, dass sie stärker im Team spielen, das ist ein ganz wichtiger Punkt, aber man könnte auch sagen, es geht eher um einen modernen Führungsstil, und den haben häufiger Frauen, vielleicht auch deswegen, weil sie nicht glauben, dass sie als Führungspersönlichkeiten geboren sind, wie das bei Männern oft der Fall ist, sondern dass sie sich damit beschäftigen, wie man das heute tut, und das führt häufig dazu, dass sie die kompetenteren Führungspersönlichkeiten sind.“
Große Unterschiede in der Wahrnehmung von Männern und Frauen erleben Petra Bahr und Rajah Scheepers auf verschiedenen Ebenen:
Bahr: „Für mich ist die besondere Situation immer die, wenn ich zu einer Veranstaltung komme und jemand steht an der Tür und will mich begrüßen und sagt: Ach, Sie sind also die Referentin des Kulturbeauftragten, weil man mit einem Mann rechnet. Das tut man selbst in der Kultur, wo man doch theoretisch einen hohen Frauenanteil vermutet, in Wahrheit aber doch nur wieder mit Männern zu tun hat.“
Scheepers: „Ich habe mit einem Professor gesprochen, der mir sehr wohlgesonnen ist: Als ich mit meinem zweiten Kind schwanger war, meinte er: Rajah, war das ein Unfall? Und ich: Wie Unfall, ich bin verheiratet, wir haben beide einen guten Job, Unfall? Und er meinte: Mit zwei Kindern habilitieren, wie soll das klappen? Er ist Professor mit vier Kindern geworden, weil er eine Frau hatte, die ihm den Rücken frei gehalten hat.“
Bahr: „In dem Moment, wo eine Frau entschieden eine Position formuliert und sich nicht nach allen Seiten absichert, muss man ihr unterstellen: Sie ist frech oder sie ist dumm. Bei Männern steht dann eher der Verdacht im Raum, der ist machtorientiert. Da gibt es einen großen Unterschied.“
Obwohl viele Männer behaupten, Frauen hätten keinen Humor, glänzen sie oft durch Witz und Ironie.
Bahr: „Humor ist überhaupt das Geheimnis des Überlebens von Frauen in Männerwelten und ein gutes Patentmittel für Frauen, die nicht nur in der Kirche, sondern auch an anderen Orten was werden wollen, ohne ständig verletzt oder überempfindlich zu reagieren.“
Doch Humor allein reicht natürlich, wenn Gottes weibliches Bodenpersonal Karriere machen will.
Doch auch in der Kirche kann eigentlich nur aufsteigen, wer sich fast ausschließlich auf den Beruf konzentriert, sagt Kristin Bergmann, die Gleichstellungsbeauftragte der EKD:
„Man kann das heute auch in kirchlichen Leitungspositionen noch durchgängig sagen, dass dort ein Modell vorherrscht, dass diese Jobs eigentlich nur lebbar sind, wenn sie jemanden haben, der ihnen den Rücken dann frei hält. Und das ist etwas, was bei Frauen traditionell nicht so funktioniert, das Rollenbild ist ein anderes.“
Leider gibt es nur wenige Modelle, die zeigen: Kirche kann auch anders:
„Wir haben in Bayern ein geteiltes Regionalbischofsamt, da geht es, andere Landeskirchen sagen, es ist völlig undenkbar, dass man eine Leitungsposition teilt, man muss auch den Mut haben, es auch zu wollen, und nicht in den gängigen Strukturen fortfahren, und da ist das Problem, wer die Macht hat, auch die Spielregeln setzt, und solange dort (...) keine Männer, die andere Rollenmodelle leben wollen, anzutreffen sind, ändert sich wenig.“
Seit vier Jahren teilt sich das Theologenehepaar Elisabeth Hann von Weyhern und Stefan Ark Nitsche das Amt des Regionalbischofs in Nürnberg. Und die bayerische Landeskirche bietet auch ein Teilzeitvikariat an: Junge Mütter (oder – sehr selten – auch junge Väter -) sehen sich so nicht gezwungen, das Vikariat zu verschieben oder zu unterbrechen.
Ein anderes Modell, das einige Landeskirchen praktizieren, um die Karriere von Frauen zu fördern, ist das Mentoring:
Bergmann: „Das Prinzip des Mentoring ist, dass eine erfahrene Führungsfrau (...) mit einer Menti, also einer Nachwuchskraft, zusammenarbeitet, und sie auch mitnimmt in ihre dienstlichen Zusammenhänge, aber auch dass der Rahmen geschaffen wird, um Dinge, die in keiner Ausbildung vermittelt werden, die für Führungspositionen aber wichtig sind, vermittelt werden können – bis hin zu den Kleider-Codes, die da eine Rolle spielen oder bestimmte Benimm-Codes.“
Mit dem Mentoring-Programm lassen sich wohlmöglich männliche Seilschaften und kirchliche Karriereklüngel durchbrechen, wie das Beispiel der neu fusionierten Kirche in Mitteldeutschland zeigt. Dort werden zwar lediglich sechs von 32 Kirchenkreisen von Frauen geleitet; aber fünf dieser sechs Superintendentinnen haben das Mentoring-Programm durchlaufen.
Doch den meisten Landeskirchen fehlt angeblich das Geld für eine Frauenförderung; anderen Konfessionen und Religionen fehlt das Verständnis, wenn es um Frauen in geistlichen Ämtern geht.
Bahr: „In Bezug auf den Islam habe ich da auch einige sehr harte Erfahrungen gemacht, da wird einem erst gar nicht die Hand gegeben oder es kann passieren, dass gesagt wird, sie sind auf diesem Podium nicht erwünscht, sondern nur ein männlicher Vertreter ihrer Kirche.“
Und auch bei den christlichen Konfessionen sieht es oft nicht viel besser aus: Weltweit leben 85 Prozent der Christinnen und Christen in Kirchen, die keine Frauen in geistliche Ämter zulassen.
Scheepers: „Das hat man ja auch gesehen, als Landesbischöfin Käßmann gewählt worden ist, hat das eher dazu geführt, dass die russisch-orthodoxe Kirche sich abgegrenzt hat, (...) die römisch-katholische Kirche versucht ja sogar mit diesem Argument, dass sie keine Frauen ordiniert, Leute anzuwerben aus anderen Kirchen, etwa aus der anglikanischen, wo ja Frauen auch geweiht und Schwulen und Lesben auch Ämter bekleiden dürfen.“
Doch der Blick auf die anderen Religionen, in denen Frauen oft nur als Gläubige zweiter Klasse behandelt werden, darf nicht die Einsicht verhindern, dass es auch in den evangelischen Landeskirchen noch viel zu tun gibt. Das Sagen im Protestantismus haben noch immer die Männer.