Zwischen Kunstdiebstahl und verschlossenen Türen

Von Ludger Fittkau |
Ein Verbrechen kann nützlich sein, wenn es um die öffentliche Wahrnehmung des Erbes eines Malers geht. Das zeigen die Folgen des Diebstahls, den ein ehemaliger Student der Kunstgeschichte an den Werken des Impressionisten Max Slevogt beging. Tatort: Das "Slevogt-Haus", ein imposantes Hofgut in der Südpfalz.
Aus der Asservatenkammer der Justiz und zwei sogenannten "Archivräumen" des privaten Slevogt-Hofes holte Dr. Sigrun Paas im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz große Teil des zeichnerisches Werkes von Max Slevogt. Ein ehemaliger Kunststudent hatte sich unter anderem durch Fahrdienste zum Arzt das Vertrauen der alten Slevogt-Erben auf den Hofgut des Malers erschlichen und rund tausend Slevogt-Zeichnungen im Wert von mehr als einer Million Euro aus den Archivräumen des Privathauses Euro abtransportiert. Ein Teil des Diebesgutes konnte wieder sichergestellt werden. Sigrun Paas:

"Als ich den Nachlass im Oktober vor zwei Jahren geholt habe, da durfte ich an drei Schränke und habe die dann unter Aufsicht ausgeräumt und verpackt und wir haben damals die ganzen Sachen mit Wachs zugelötet und verplombt. Und dann auf der Ludwigshöhe unter Zeugen wieder aufgemacht. Und da habe ich die Auflistung gemacht, denn die Erben wollten ja wissen, was ich da alles mitgenommen habe. Denn beim Einpacken war nicht genug Zeit und die Testamentsvollstreckerin wollte das natürlich auch wissen. Und das wurde dann die Grundlage für eine Schätzung des Wertes.
"

Zu dreieinhalb Jahren Gefängnis, erzählt die Slevogt-Expertin des rheinland-pfälzischen Landesmuseums, sei der ehemalige Kunststudent schließlich Ende 2009 verurteilt worden. Längst nicht alle Werke seien wiedergefunden worden, so Sigrun Paas:

"Wir haben festgestellt, das manche Sachen, die 1992 noch da waren bei uns in der Ausstellung, in der großen Slevogt-Ausstellung, die Mainz mit Saarbrücken zusammen gemacht hat, das die jetzt nicht aufgetaucht sind. Ich schaue mir den Kunstmarkt immer genau an, und da entdecke ich oft Sachen, wo ich sage: Hoppla, das hat eine Montur, das könnte aus dem Nachlass sein."

Doch die Kunsthändler verraten ihr nicht, von wem das Werk stammt, sagt Sigrun Paas, da müsste schon ein Staatsanwalt aktiv werden, was zurzeit nicht der Fall sei. Doch der Diebstahl hat auch eine positive Wirkung gehabt: Rund 2000 Slevogt- Zeichnungen aus dem Nachlass sind nun sichergestellt und werden nun für eine große Slevogt-Ausstellung im kommenden Jahr in Mainz konservatorisch behandelt. Die Erben des Malers denken allerdings auch nach dem Diebstahl auf dem schwer zu sichernden privaten Slevogt-Hof nicht daran, die Zeichnungen dem Land als Schenkung zu überlassen:

"Das ist nie zur Diskussion gestanden, dass es geschenkt wird. Und dann hat das Land schon mehrmals Versuche gemacht, diesen Nachlass zu kaufen und es waren schon zwei- oder dreimal Verträge fertig und jedes Mal hat die Enkelin von Slevogt zurückgezuckt im letzten Moment und hat es nicht verkauft."

Stattdessen wurde nun der Slevogt-Hof an einen Landauer Architekten verkauft. Dieser ist zurzeit in Urlaub und kann nicht zu seinen Plänen mit dem Hof befragt werden. Die Bilder des Landes Rheinland-Pfalz, die immer noch leihweise im Slevogt-Hof hängen, ebenso wie landeseigene Skulpturen und die von Rheinland-Pfalz erworbene Bibliothek des Impressionisten sind zurzeit für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Ein unmöglicher Zustand, findet Sigrun Paas:

"Also, das ist ganz schlimm vom touristischen Aspekt her. Vom wissenschaftlichen Aspekt her nicht so sehr, aber eher vom touristischen. Für die Gemeinden wie Leinsweiler und Landau ist es ganz schlimm, das der Hof zu ist. Ich habe mit den Tourismusbüros telefoniert und die haben gesagt, es kämen immer wieder Anfragen. Die Leute haben sich bei ihnen beschwert, das man nicht hochgehen kann und das man keine Antwort kriegt. Also auch, wenn man telefonisch versucht, irgendwas zu erreichen, geht niemand dran. Also das so ein Hof zu ist, ist für die ganze Pfalz schlecht."

Der rheinland-pfälzische Rechnungshof bestätigt auf Nachfrage von Deutschlandradio Kultur: Die Mainzer Landesregierung ist dafür verantwortlich, dass die Slevogt-Werke, die sich in öffentlichen Besitz befinden, auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Sigrun Paas vom Mainzer Landesmuseum fühlt bei dieser Frage zurzeit ein wenig alleingelassen – ebenso wie bei den stockenden Verhandlungen des Landes mit den Slevogt-Erben über den Erwerb der 2000 Zeichnungen.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat Sigrun Paas zwar die "Max Slevogt-Medaille" verliehen, mit der das Land Menschen ehrt, die auf dem Gebiet der bildenden Kunst besondere Verdienste erworden haben. Dennoch ist sie unzufrieden damit, wie das Land mit dem Slevogt-Erbe in der Pfalz umgeht. Besonders schmerzt die Kunsthistorikerin, dass die Landesregierung den Slevogt-Hof nicht kauft, der dem Impressionisten zahlreiche Motive lieferte, die heute noch so erhalten sind wie in den 1920er-Jahren, als Max Slevogt hier arbeitete:

"Ja, das ist eben Rheinland-Pfalz, würde ich sagen. Bei anderen Sachen wird zugegriffen und da nicht, da hat man Skrupel. Ich muss sagen, auf der einen Seite wird immer die Vergangenheit der Pfalz mit Bayern beschworen. Und da muss man sagen, unglücklicherweise existiert sie nicht mehr. Denn in Bayern wäre das sicher nicht passiert. Der bayerische Staat hätte sich das Kleinod nicht aus den Fingern nehmen lassen."

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