Zwischen Küchengeschichten, Bukowski und Weihnachten

Von Jörg Taszman · 30.11.2010
Die Filme des norwegischen Regisseurs Bent Hamer erfreuen sich in Deutschland bei einem ausgewählten Arthouse Publikum durchaus einer gewissen Beliebtheit. Nun hat der 54-Jährige einen etwas anderen Weihnachtsfilm gedreht, der ab Donnerstag in die Kinos kommt: "Home for Christmas".
Er hält es mit Weihnachten, wie wohl so einige unter uns. Der kommerzielle Aspekt schreckt ihn eher ab, aber dem familiären Teil kann man sich nicht so ohne Weiteres entziehen. Bent Hamer hat sich diesmal an einem Episodenfilm versucht, der innerhalb weniger Stunden in der norwegischen Kleinstadt Skogli spielt. Man verfolgt u.a die Wege eines Obdachlosen, der einst bessere Zeiten gesehen hat, oder eines bosnischen Flüchtlingspaares, das ein Kind erwartet. Für Tragikomik sorgt die Odyssee eines verzweifelten, geschiedenen Vaters, der seine Tochter zum Fest unbedingt sehen möchte. Wie so oft in Episodenfilmen bestand auch für Bent Hamer die Kunst darin, die vielen Erzählstränge miteinander zu verbinden.

"”Vor allem bevor ich anfing, war dies eine große Herausforderung. Wenn man sich auf einen Ensemble-Film einlässt, auf diese filmischen Short Cuts , dann weiß man genau, dass man nicht tiefer in jede einzelne Figur eintauchen kann. Das ist nun einmal das Konzept und wem das nicht gefällt, okay. Natürlich versucht man dennoch alles, um diese Geschichten zusammenzufügen. Man kann nur versuchen, das Beste daraus zu machen.""

Die Handlung basiert auf einigen Kurzgeschichten des Autors Levi Henriksen. Gelungen ist "Home for Christmas" immer dann, wenn Bent Hamer gar nicht erst versucht, die ganz großen Themen wie Liebe, Tod und Hoffnung filmisch anzureißen. So schwänzt ein kleiner Junge einfach den "Heiligen Familienabend", indem er sich zu seinem muslimischen Freund begibt. Der geschiedene Vater schlägt den neuen Freund seiner Ex-Frau behutsam K.O, um selber in das Weihnachtskostüm zu schlüpfen und der Tochter nahe zu sein. Den Nebenbuhler entsorgt er dann an einem öffentlichen Platz mitten in der Stadt. Die sanfte Melancholie des Films fand sich auch schon in den vorangehenden Werken von Bent Hamer wieder.

"”Da ist wahrscheinlich auch eine gewisse Melancholie in mir, es ist meine Art das Leben zu sehen und zu beschreiben. Wahrscheinlich geht es mir dabei auch um viel mehr als nur Einsamkeit. Ich kann so einfach sehr viel mehr erzählen von dieser gewissen Stimmung, von den Figuren, von dem, was sie umtreibt, wie sie ihr Leben organisieren, ihre Probleme lösen. Es ist schwer zu sagen, warum ich das mache, aber es entspricht einfach meinem Geschmack.""

Denkt man an die Filme von Bent Hamer, so fallen einem unvergessliche Bilder ein. So der Stolz im Gesicht des alten Eisenbahners O’ Horten auf seiner letzten Zugfahrt oder aber der im Hochsitz mit Notizblock bewaffnete Mitarbeiter eines Meinungsforschungsinstituts im Film "Kitchen Stories". Neben diesen beiden sehr skandinavischen Filmen ragt dann aber in der Filmografie von Bent Hamer vor allem "Factotum" aus dem Jahr 2005 heraus, seine amerikanisch-norwegische Koproduktion über Charles Bukowski. Mit Matt Dillon drehte dabei sogar ein echter Hollywoodstar mit, den man sich zunächst kaum als Bukowski vorstellen mochte.

"”Ich glaube, ich war sogar noch überraschter, als man seinen Namen ins Spiel brachte. Mir ging es dabei wie Ihnen, ich dachte überhaupt nicht an ihn. Das lag natürlich vor allem daran, dass man Matt Dillon zehn bis fünfzehn Jahre lang meist nur noch in romantischen Komödien gesehen hatte. Aber dann erwähnte Jim Stark, mein Freund und Koproduzent, seinen Namen und versicherte mir, Matt wollte wirklich wieder einmal etwas völlig Anderes ausprobieren. Und als ich mich dann mit ihm unterhielt, kamen wir schnell wieder auf seine frühen Filme wie "Drugstore Cowboy" von Gus van Sant zu sprechen. Damals mochten wir ihn ja alle, als er noch diese starken und gleichzeitig verletzlichen Charaktere spielte.""

In seinem Bukowski-/Henri Chinaski-Porträt "Factotum" ging es Bent Hamer auch darum, sich nicht nur auf die skandalträchtigen Aspekte, diesen gewissen Schmutz im Werk Bukowskis einzulassen, sondern auch eine gewisse Balance zu schaffen, andere, sensiblere Seiten des Autors zu offenbaren. "Sie können mich nun natürlich dafür kritisieren, dass ich ein zu großes, weiches Herz habe", sagt Bent Hamer noch, aber genau davon leben seine Filme. Bei aller Schroffheit und nüchternen Lakonie, sind es Charaktere die aus dem ganz banal erscheinenden Alltag stammen. Nicht unbedingt Menschen wie Du und Ich, aber Menschen denen man gerne zuschaut.

Filmhomepage "Home for Christmas"
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