Zwischen Kompromisszwang und Blockade
Berlin sollte die neue rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen genau im Auge behalten, denn sie könnte Modellcharakter bekommen - als Muster für eine Situation, in der parlamentarische Mehrheiten nicht mehr stabil zu organisieren sind.
Der Untergang des Abendlandes steht noch nicht bevor. Und der Sozialismus wird in Nordrhein-Westfalen auch nicht eingeführt. Vergessen wir also einfach diese Plakatposse der drei juxenden Generalsekretäre von Union und FDP. Die ist allenfalls ein Beweis für die Publikumsferne mancher Politikprofis, die immer noch glauben, mit derartigen Inszenierungen in der Tradition von Rote-Socken-Kampagnen irgendwie punkten zu können. Das ist altes Denken.
Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen könnte Modellcharakter bekommen, in der Tat. Aber weniger als befürchteter Probelauf für Rot-Rot-Grün im Bund, sondern vielmehr als Muster für eine Situation, in der parlamentarische Mehrheiten nicht mehr stabil zu organisieren sind.
Seit Jahren erleben wir, wie der vermeintliche demokratische Normalfall ausbleibt: Dass nämlich bei einer Wahl die Verluste der einen Volkspartei die Gewinne der anderen werden, sodass es zusammen mit einem kleineren Partner für eine absolute Mehrheit reicht. Im Moment hätten wir bei einer Bundestagswahl eine Situation ähnlich wie in NRW. Sowohl für Rot-Grün als auch für Schwarz-Gelb würde es nicht reichen. Dass es dann automatisch eine rot-grüne Koalition unter Einschluss der Linkspartei geben würde, ist überhaupt nicht ausgemacht. Ist also eine Minderheitsregierung auch ein Modell für den Bund?
Es könnte sich lohnen, von Berlin aus genau zu beobachten, was in nächster Zeit in Düsseldorf passiert. Bei einer Minderheitsregierung bekommen die Fraktionen der Opposition Gestaltungsspielräume, die sie normalerweise nicht haben. Sie können Einfluss nehmen, auf Gesetzesvorhaben, auf den Haushalt.
Das ist nicht gar so bequem und komfortabel, wie es sich anhört. Kooperation mit der Regierung, um Schlimmeres zu verhüten, geht auf Kosten des eigenen Profils und ist bei den eigenen Wählern nicht attraktiv.
Andererseits: Fundamentalopposition von CDU und FDP wäre auch kaum zu vermitteln, denn die Optik einer von der Linkspartei abhängigen Regierung ist das eine. Das andere ist der Effekt, dass die Linke genau dadurch erst Macht und Einfluss bekäme, was zu verhindern Schwarz-Gelb doch immer vorgibt. Es ist also ein Gratwanderung, verbunden mit der Frage nach dem richtigen Maß, und das gilt sowohl für die Regierung wie für die Opposition.
Der positive Nebeneffekt: Wer morgen auf die Unterstützung durch den Gegner von heute angewiesen ist, muss die verbalen Dreschflegel weglegen. Politik ohne Schaukämpfe und taktische Scharmützel, das käme dem Publikum vermutlich entgegen.
Andererseits: Eine Politik, die sich durchwurschteln und tagtäglich neue Mehrheiten finden muss, kann leicht ihre konzeptionelle Linie verlieren. Die Kunst des Kompromisses kann auch zum Fluch werden. Denn viele Fragen lassen sich in die eine wie in die andere Richtung mit jeweils anderen Auswirkungen ordentlich lösen; nur der Kompromiss dazwischen ist in Wahrheit häufig die schlechteste Lösung.
So kann denn Nordrhein-Westfalen ein Laborversuch für eine andere Art von Politik werden, die vielleicht in ein paar Jahren auch in Berlin angesagt ist. Wenn es gut läuft, kommen in einzelnen Politikfeldern ordentliche, tragfähige Lösungen zustande. Läuft es schlecht, wird sich der Eindruck von politischer Lähmung und Handlungsunfähigkeit des parlamentarischen Systems verstärken mit allen unerwünschten Nebenwirkungen in puncto Akzeptanz, Legitimation und Stabilität.
Gedankenspiele in Richtung Volksentscheide mögen gerade in Mode sein, belegen aber nur die Schwäche von Parlamenten und Parteien und würden das Problem am Ende verschlimmern. Das ist womöglich in Hamburg an diesem Wochenende zu besichtigen, wo das politische Projekt einer demokratisch legitimierten und mit parlamentarischer Mehrheit versehenen Regierung per Volksentscheid ausgehebelt werden könnte. Ein bedenklicher Kreislauf: Erst erzwingen die Bürger durch ihr Wahlverhalten eine schwierige politische Partnerschaft. Dann aber werden deren waghalsige politische Kompromisse vom selben Wahlvolk revidiert. Es klingt paradox, aber ein solcher Sieg des Volkes wird eine Schwächung der demokratischen Institutionen bewirken.
Bonn ist nicht Weimar, so lautete das berühmte Wort des Schweizer Journalisten Fritz René Allemann. Nur wissen wir inzwischen auch: Berlin ist nicht Bonn. Berlin muss auf längere Sicht mit sechs Parteien im Parlament vernünftig zurechtkommen, bei anhaltender Schwäche der beiden Großen und nachlassender Wahlbeteiligung. Deshalb müssten eigentlich alle Parteien daran interessiert sein, dass die Minderheitsregierung in Düsseldorf nicht zu einem kompletten Desaster wird.
Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen könnte Modellcharakter bekommen, in der Tat. Aber weniger als befürchteter Probelauf für Rot-Rot-Grün im Bund, sondern vielmehr als Muster für eine Situation, in der parlamentarische Mehrheiten nicht mehr stabil zu organisieren sind.
Seit Jahren erleben wir, wie der vermeintliche demokratische Normalfall ausbleibt: Dass nämlich bei einer Wahl die Verluste der einen Volkspartei die Gewinne der anderen werden, sodass es zusammen mit einem kleineren Partner für eine absolute Mehrheit reicht. Im Moment hätten wir bei einer Bundestagswahl eine Situation ähnlich wie in NRW. Sowohl für Rot-Grün als auch für Schwarz-Gelb würde es nicht reichen. Dass es dann automatisch eine rot-grüne Koalition unter Einschluss der Linkspartei geben würde, ist überhaupt nicht ausgemacht. Ist also eine Minderheitsregierung auch ein Modell für den Bund?
Es könnte sich lohnen, von Berlin aus genau zu beobachten, was in nächster Zeit in Düsseldorf passiert. Bei einer Minderheitsregierung bekommen die Fraktionen der Opposition Gestaltungsspielräume, die sie normalerweise nicht haben. Sie können Einfluss nehmen, auf Gesetzesvorhaben, auf den Haushalt.
Das ist nicht gar so bequem und komfortabel, wie es sich anhört. Kooperation mit der Regierung, um Schlimmeres zu verhüten, geht auf Kosten des eigenen Profils und ist bei den eigenen Wählern nicht attraktiv.
Andererseits: Fundamentalopposition von CDU und FDP wäre auch kaum zu vermitteln, denn die Optik einer von der Linkspartei abhängigen Regierung ist das eine. Das andere ist der Effekt, dass die Linke genau dadurch erst Macht und Einfluss bekäme, was zu verhindern Schwarz-Gelb doch immer vorgibt. Es ist also ein Gratwanderung, verbunden mit der Frage nach dem richtigen Maß, und das gilt sowohl für die Regierung wie für die Opposition.
Der positive Nebeneffekt: Wer morgen auf die Unterstützung durch den Gegner von heute angewiesen ist, muss die verbalen Dreschflegel weglegen. Politik ohne Schaukämpfe und taktische Scharmützel, das käme dem Publikum vermutlich entgegen.
Andererseits: Eine Politik, die sich durchwurschteln und tagtäglich neue Mehrheiten finden muss, kann leicht ihre konzeptionelle Linie verlieren. Die Kunst des Kompromisses kann auch zum Fluch werden. Denn viele Fragen lassen sich in die eine wie in die andere Richtung mit jeweils anderen Auswirkungen ordentlich lösen; nur der Kompromiss dazwischen ist in Wahrheit häufig die schlechteste Lösung.
So kann denn Nordrhein-Westfalen ein Laborversuch für eine andere Art von Politik werden, die vielleicht in ein paar Jahren auch in Berlin angesagt ist. Wenn es gut läuft, kommen in einzelnen Politikfeldern ordentliche, tragfähige Lösungen zustande. Läuft es schlecht, wird sich der Eindruck von politischer Lähmung und Handlungsunfähigkeit des parlamentarischen Systems verstärken mit allen unerwünschten Nebenwirkungen in puncto Akzeptanz, Legitimation und Stabilität.
Gedankenspiele in Richtung Volksentscheide mögen gerade in Mode sein, belegen aber nur die Schwäche von Parlamenten und Parteien und würden das Problem am Ende verschlimmern. Das ist womöglich in Hamburg an diesem Wochenende zu besichtigen, wo das politische Projekt einer demokratisch legitimierten und mit parlamentarischer Mehrheit versehenen Regierung per Volksentscheid ausgehebelt werden könnte. Ein bedenklicher Kreislauf: Erst erzwingen die Bürger durch ihr Wahlverhalten eine schwierige politische Partnerschaft. Dann aber werden deren waghalsige politische Kompromisse vom selben Wahlvolk revidiert. Es klingt paradox, aber ein solcher Sieg des Volkes wird eine Schwächung der demokratischen Institutionen bewirken.
Bonn ist nicht Weimar, so lautete das berühmte Wort des Schweizer Journalisten Fritz René Allemann. Nur wissen wir inzwischen auch: Berlin ist nicht Bonn. Berlin muss auf längere Sicht mit sechs Parteien im Parlament vernünftig zurechtkommen, bei anhaltender Schwäche der beiden Großen und nachlassender Wahlbeteiligung. Deshalb müssten eigentlich alle Parteien daran interessiert sein, dass die Minderheitsregierung in Düsseldorf nicht zu einem kompletten Desaster wird.