Zwischen Klassik und Avantgarde
Klassik, Moderne, Jazz wechseln sich ab und ergänzen sich: Auf dem Festival "Hamburger Ostertöne" werden Werke von Johannes Brahms und moderne Kompositionen von Olivier Messiaen und seinem Schüler Gérard Grisey gegeneinander gestellt. Auch die Künstler der insgesamt zwölf Konzerte kommen aus den verschiedensten stilistischen Bereichen.
"Das Moderne bei Brahms ist vor allem in seinen Strukturen, genau wie in Rinaldo. Es ist keine Oper, kein Oratorium, keine Sinfonie, es gehört eigentlich in keine der traditionellen - Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts gängigen - Kunstgattungen. Es ist einfach ein dramatisches Werk für Orchester, Tenor und Chor und sprengt alle strukturellen Grenzen."
Von Arnold Schönberg stammt der kluge Aufsatz "Brahms, der Fortschrittliche". Brahms, dem oft vorgeworfen wurde, konservativ zu sein, der sich so sehr mühte, nicht von dem Schatten des Riesen Beethoven erdrückt zu werden, der seinen Weg fand, und der genau wie Beethoven mit der Form rang, alte Form-Modelle zwar benutzte, sie aber mit neuem, eigenem Leben erfüllte. Ein gutes Beispiel dafür ist die sehr selten zu hörende Rinaldo-Kantate von 1868. Sie basiert auf einem Goethe-Text, der sich wiederum auf Torquato Tassos Epos "Das befreite Jerusalem" bezieht. Der Kreuzritter Rinaldo versucht sich von der ihn mit weiblichen Reizen gefangen haltenden Zauberin Armida zu lösen. Die Besetzung - Tenorsolo, Männerchor und Orchester - ist ungewöhnlich. Simone Young, Generalmusikdirektorin in Hamburg und künstlerische Leiterin der Ostertöne, sieht in der Rinaldo-Kantate auch eine Hommage von Brahms an Beethoven.
"Er zieht sehr viele Bezüge zu Florestans Arie und zu den Männerchören in Fidelio aus dem ersten Akt, und zu Beethovens Neunter, in der Instrumentation und einigen rhythmischen und harmonischen Ideen. Es ist ein Stück von erhobener intellektueller Struktur und Sprache, aber es greift an eine direkte emotionale Quelle."
Stimmgewaltig, aber sehr flexibel der Südafrikaner Johan Botha als Rinaldo mit strahlend-stählernem Helden-Tenor. Simone Young dirigierte mit theatralischer Verve.
"Kernidee war, das wir diese eigentlich zwei völlig getrennte Publikumsschichten zusammenbringen wollten, das Publikum für neue Musik und das Publikum für große Romantik, für Brahms. Auch die Künstler, die beide Schienen befahren, dass man die auch zusammenbringt, dass man von denen in einem Programm eine Zusammenstellung aus moderner, zeitgenössischer Musik und Werken von Brahms, Kernwerken von Brahms, wünscht."
Das Brahms-Requiem etwa ist seit dem ersten Ostertöne-Festival obligatorisch am Karfreitag. In diesem Jahr gab es allerdings ein Experiment: Das Alte-Musik-Ensemble Concerto Köln übernahm den Orchester-Part. Das ist ungewöhnlich, denn Brahms’ Requiem wird heute üblicherweise mit modernen Instrumenten aufgeführt. Der Klang der alten Instrumente - die Streichinstrumente zum Beispiel werden mit Darm- statt mit Stahlsaiten gespielt -, ist zwar weniger kraftvoll, erlaubt aber einen neuen, anderen Blick auf die Feinstrukturen etwa. Als Kontrast zu Brahms’ Requiem erklang Olivier Messiaens "Mediations sur le Mystere de la Sainte Trinité" für Orgel. Messiaen ist anlässlich seines hundertsten Geburtstages in diesem Jahr bei den Ostertönen ein programmatischer Schwerpunkt gewidmet.
"Messiaen denkt als Komponist, als ein Organist. Er nimmt einen Fundamentton und baut die Obertöne darauf, damit die Farbe dieses Tones geändert wird."
Erstmals wurde für die Ostertöne ein "Artist in residence" engagiert, der österreichische Geiger Benjamin Schmid. Drei Konzerte konnte er gestalten, und hier muss man ihm für seine Vielseitigkeit ein großes Kompliment aussprechen. Gemeinsam mit dem Cellisten Clemens Hagen und dem Pianisten Dejan Lazic hatte er wichtige Kammermusik-Werke von Brahms im Programm - darunter eine selten gespielte Klaviertrio-Fassung des berühmten B-Dur-Streichsextetts -, sowie ein zeitgenössisches Werk von Sofia Gubaidulina und von dem Jubilar Olivier Messiaen unter anderem eine frühe "Fantasie für Violine und Klavier" aus den 1930er Jahren, die erst nach Messiaens Tod 1992 veröffentlicht wurde.
"Es trägt eine hundertprozentige Handschrift der Harmonik von Messiaen, die er ja dann über die Modi ganz wesentlich definiert hat, und die in der ganzen Entwicklung der Kompositionsgeschichte im 20. Jahrhundert eine unglaubliche Rolle gespielt hat. Das war damals schon völlig da, total unperiodische Rhythmik, die sozusagen nach unserem Vier-Viertel-Schema gar nicht funktioniert, schon einen ganz eigenen Beat hat. Man sieht ein junges Genie, das im Nukleus schon da ist, und vielleicht in der ganzen Form noch größer wurde später, das stimmt schon."
Benjamin Schmid stellte Messiaens Fantasie von 1930 in seinem zweiten Konzert eine ganz andere stilistische Facette an die Seite. Er ist nämlich auch Jazz-Musiker und trat auch mit dem legendären Jazz-Geiger Stéphane Grappelli auf. Eine ganze Konzert-Hälfte war der Musik von Grappelli und Django Reinhardt gewidmet. Dies war sicher der interessante Kontrapunkt zu den klassischen Konzerten der diesjährigen Hamburger Ostertöne.
Von Arnold Schönberg stammt der kluge Aufsatz "Brahms, der Fortschrittliche". Brahms, dem oft vorgeworfen wurde, konservativ zu sein, der sich so sehr mühte, nicht von dem Schatten des Riesen Beethoven erdrückt zu werden, der seinen Weg fand, und der genau wie Beethoven mit der Form rang, alte Form-Modelle zwar benutzte, sie aber mit neuem, eigenem Leben erfüllte. Ein gutes Beispiel dafür ist die sehr selten zu hörende Rinaldo-Kantate von 1868. Sie basiert auf einem Goethe-Text, der sich wiederum auf Torquato Tassos Epos "Das befreite Jerusalem" bezieht. Der Kreuzritter Rinaldo versucht sich von der ihn mit weiblichen Reizen gefangen haltenden Zauberin Armida zu lösen. Die Besetzung - Tenorsolo, Männerchor und Orchester - ist ungewöhnlich. Simone Young, Generalmusikdirektorin in Hamburg und künstlerische Leiterin der Ostertöne, sieht in der Rinaldo-Kantate auch eine Hommage von Brahms an Beethoven.
"Er zieht sehr viele Bezüge zu Florestans Arie und zu den Männerchören in Fidelio aus dem ersten Akt, und zu Beethovens Neunter, in der Instrumentation und einigen rhythmischen und harmonischen Ideen. Es ist ein Stück von erhobener intellektueller Struktur und Sprache, aber es greift an eine direkte emotionale Quelle."
Stimmgewaltig, aber sehr flexibel der Südafrikaner Johan Botha als Rinaldo mit strahlend-stählernem Helden-Tenor. Simone Young dirigierte mit theatralischer Verve.
"Kernidee war, das wir diese eigentlich zwei völlig getrennte Publikumsschichten zusammenbringen wollten, das Publikum für neue Musik und das Publikum für große Romantik, für Brahms. Auch die Künstler, die beide Schienen befahren, dass man die auch zusammenbringt, dass man von denen in einem Programm eine Zusammenstellung aus moderner, zeitgenössischer Musik und Werken von Brahms, Kernwerken von Brahms, wünscht."
Das Brahms-Requiem etwa ist seit dem ersten Ostertöne-Festival obligatorisch am Karfreitag. In diesem Jahr gab es allerdings ein Experiment: Das Alte-Musik-Ensemble Concerto Köln übernahm den Orchester-Part. Das ist ungewöhnlich, denn Brahms’ Requiem wird heute üblicherweise mit modernen Instrumenten aufgeführt. Der Klang der alten Instrumente - die Streichinstrumente zum Beispiel werden mit Darm- statt mit Stahlsaiten gespielt -, ist zwar weniger kraftvoll, erlaubt aber einen neuen, anderen Blick auf die Feinstrukturen etwa. Als Kontrast zu Brahms’ Requiem erklang Olivier Messiaens "Mediations sur le Mystere de la Sainte Trinité" für Orgel. Messiaen ist anlässlich seines hundertsten Geburtstages in diesem Jahr bei den Ostertönen ein programmatischer Schwerpunkt gewidmet.
"Messiaen denkt als Komponist, als ein Organist. Er nimmt einen Fundamentton und baut die Obertöne darauf, damit die Farbe dieses Tones geändert wird."
Erstmals wurde für die Ostertöne ein "Artist in residence" engagiert, der österreichische Geiger Benjamin Schmid. Drei Konzerte konnte er gestalten, und hier muss man ihm für seine Vielseitigkeit ein großes Kompliment aussprechen. Gemeinsam mit dem Cellisten Clemens Hagen und dem Pianisten Dejan Lazic hatte er wichtige Kammermusik-Werke von Brahms im Programm - darunter eine selten gespielte Klaviertrio-Fassung des berühmten B-Dur-Streichsextetts -, sowie ein zeitgenössisches Werk von Sofia Gubaidulina und von dem Jubilar Olivier Messiaen unter anderem eine frühe "Fantasie für Violine und Klavier" aus den 1930er Jahren, die erst nach Messiaens Tod 1992 veröffentlicht wurde.
"Es trägt eine hundertprozentige Handschrift der Harmonik von Messiaen, die er ja dann über die Modi ganz wesentlich definiert hat, und die in der ganzen Entwicklung der Kompositionsgeschichte im 20. Jahrhundert eine unglaubliche Rolle gespielt hat. Das war damals schon völlig da, total unperiodische Rhythmik, die sozusagen nach unserem Vier-Viertel-Schema gar nicht funktioniert, schon einen ganz eigenen Beat hat. Man sieht ein junges Genie, das im Nukleus schon da ist, und vielleicht in der ganzen Form noch größer wurde später, das stimmt schon."
Benjamin Schmid stellte Messiaens Fantasie von 1930 in seinem zweiten Konzert eine ganz andere stilistische Facette an die Seite. Er ist nämlich auch Jazz-Musiker und trat auch mit dem legendären Jazz-Geiger Stéphane Grappelli auf. Eine ganze Konzert-Hälfte war der Musik von Grappelli und Django Reinhardt gewidmet. Dies war sicher der interessante Kontrapunkt zu den klassischen Konzerten der diesjährigen Hamburger Ostertöne.