Zwischen Jazz und Folklore

Von Katrin Wilke · 26.11.2007
Die tschechische Sängerin Marta Topferova hat den lateinamerikanischen Kontinent musikalisch mit viel Liebe erschlossen. Das Ergebnis sind Songs irgendwo zwischen Jazz und Folklore. Wo sie auftritt, bewegt sie die Gemüter.
Die Tschechin hat sich diesen musikalisch reichhaltigen Subkontinent namens Lateinamerika mit viel Liebe erschlossen. Das Ergebnis sind ganz eigene, zwischen Jazz und Folklore pendelnde Songs, die hier und da auch Echos von brasilianischem Bossa Nova oder spanischem Flamenco hören lassen. Vor zehn Tagen beging die introvertierte Sängerin ihren 32. Geburtstag, aber nicht mit der ihrem Alter gemäßen Party, sondern arbeitend... Mit einem Konzert nämlich - in Washington in der tschechischen Botschaft. Und wo sie auftritt, bewegt sie die Gemüter. So pries die "New York Times" die "elegante Sehnsucht" in Marta Topferovas Stimme. Katrin Wilke hat die Künstlerin zwischen Tschechien und den USA abgepasst und ist gemeinsam mit ihr ebendieser Sehnsucht nachgegangen.

"Ich glaube, in der Kunst muss man etwas Schönes schaffen, etwas Transzendentes. Die Menschheit braucht Frieden, braucht Schönheit, braucht die Liebe. Und das versuche ich, mit meiner Musik zu geben. Der Künstler hat die Verantwortung, etwas Schönes beizutragen, was den Leute Ruhe und Trost gibt, was sie liebkost."

Klar könne sie auch davon singen, wie schlimm dies oder das sei. Aber das Ungute sei ja ohnehin präsent auf der Welt. Der Tonfall, in dem Marta Topferova das sagt, lässt - wie auch ihr getragen-herber Gesang - an eine altersweise Frau denken. Für ihre gerade mal 32 Jahre ruht die Sängerin mit dem hübschen, klaren Gesicht, dem langem brünetten Haar und den großen, melancholischen Augen gut in sich.

"Ich bin ein ziemlich friedliebender Mensch, ich mag die Stunden der Stille, Spaziergänge... Für mich ist das etwas Essenzielles, um komponieren, um Musik hören zu können. Ich hab die Melancholie wohl einfach in mir. Ich las mal bei Jorge Luis Borges: Der Künstler verfasst, zu was er in der Lage ist - nicht was er schreiben möchte. Eine sehr profunde Wahrheit."

"Flor Nocturna" – Nächtliche Blume, das Titelstück der aktuellen CD ist der Mutter gewidmet. Mit ihr und der Schwester verlässt Marta 1987 – da ist sie elf – die damalige Tschechoslowakei in Richtung USA. Wie sie sagt, ohne irgendeine Idee von ihrer zukünftigen Heimat. Viel lieber wäre sie bei einem kleinen Zwischenstopp gleich in Paris geblieben. In Seattle angekommen, flieht die introvertierte Marta vor den vielen neuen Eindrücken in die Gedichte von García Lorca, Borges und Neruda. Angeregt durch ihre ersten neuen Freunde – vor allem Latinos. Deren Musik hatte sie schon zuvor ins Herz geschlossen.

"Zum ersten Mal hörte ich südamerikanische Musik mit sechs bis sieben Jahren. Meine Eltern bekamen ein paar Platten von der chilenischen Gruppe Inti Illimani – durch Freunde, die damals in die Tschechoslowakei gekommen waren, um dort zu leben. Und unwillkürlich fühlte ich eine Verbindung zu dieser Musik, hörte sie rauf und runter."

Vor allem die rhythmische Vielfalt Lateinamerikas und die großen Barden, etwa die Argentinier Atahualpa Yupanqui und Mercedes Sosa, ziehen die SingerSongwriterin in diesen, für eine Tschechin eher exotischen Kulturkreis. Die in Ostrava geborene, später in Prag lebende Tochter zweier Schauspieler bekam dafür in ihrem weltoffenen Elternhaus die nötigen Impulse und in diversen Kinderchören den Kontakt zu anderen Sprachen. So auch zum Spanischen, mit dem sich Marta auf Anhieb wohl fühlte. In der Sprache ihrer neuen Heimat singt und dichtet sie dagegen bis heute nicht. Das sei - wie sie mutmaßt – wohl "eine Sache der Seele".

In die "Stadt mit tausend wachen und verschlafenen Augen aus Glas", wie sie ihre Wahlheimat New York besingt, verschlug es Marta Topferova vor elf Jahren. Mit diesem unidyllischen Ort verbindet die Naturliebhaberin eine Art Hassliebe. Eine – wie es scheint - überaus anregende - fand doch die ambitionierte und perfektionistische Musikerin dort viele seelenverwandte Musiker und ihren Lebenspartner.

"N. Y. ist kein Ort zum Relaxen, wo du denkst: Ach, ich hab Zeit! – Nein, du musst viel arbeiten! N. Y. ist für mich auch nicht der allerschönste, kein sehr romantischer Ort zum Leben. Aber es ist ein Ort, wo man in sich hinein schaut und sucht. N. Y. war für mich eine unglaubliche Schule – musikalisch, menschlich – in jeder Hinsicht!. Ich konnte mit Wahnsinnsmusikern von überall her arbeiten. Und die Stadt hat mich provoziert, das Beste aus mir herauszuholen."

Vor lauter "In-die-Ferne-schweifen" hat Marta allerdings nicht vergessen, wo sie herkommt. Auf ihrem Debütalbum vor fünf Jahren sang sie Folksongs ihrer Heimat. Und auch heute lässt es sich die Musikerin bei ihren Auftritten nicht nehmen, hier und da auf Tschechisch zu singen.

"Die tschechische Musik reizt mich sehr. Als wir das letzte Mal in Tschechien auf Tour waren, trafen wir auf eine Gruppe aus Mähren. Sie spielten eine ganz spezielle Folklore aus dieser mährischen Region. Ich musste weinen. Als sie begannen, da war mir, als war das die aller erste Musik, die ich – vermutlich noch im Mutterleib - gehört habe."