Zwischen Humor und Religion

Von Kirsten Dietrich · 24.01.2009
Der Maler, Zeichner und Dichter Wilhelm Busch hat einen Großteil seines Lebens in protestantischen Pfarrhäusern verbracht. Deshalb und auch weil er ein gläubiger Mensch war, hielt er sich mit Spott gegenüber der Religion zurück. In "Wie schad, daß ich kein Pfaffe bin" untersucht Hans Werner Dannowski Buschs Verhältnis zum Glauben.
Die fromme Helene, Pater Fiducius, der heilige Antonius und sein nicht minder heiliges Schwein – der Kosmos des Wilhelm Busch ist bevölkert von Figuren mit religiösem Hintergrund. Doch wirklich heilig sind sie nicht: Die meisten dieser Figuren gehen auffallend respektlos mit der Religion um. So wie die fromme Helene beim Briefeschreiben.

"Der Onkel ist gottlob! Recht dumm;
Die Tante nöckert so herum,
Und beide sind so furchtbar fromm!
Wenn’s irgend möglich, Franz, so komm
Und trockne meiner Sehnsucht Träne!
10.000 Küsse von
Helene."

"Frömmigkeit ist für ihn das Medium, das Mittel, um das Böse zu bewältigen, und um so schlimmer, wenn sie so versagt, wie er sie darstellen muss, ob das bei der Frommen Helene oder wo auch immer ist, – und Heuchelei natürlich. Heuchelei ist das schlimmste, was es gibt, gerade weil die Frömmigkeit so hohe Erwartungen weckt, dann zu entdecken, die wird benutzt, die benutzt, die Frömmigkeit, das ist das schlimmste, was es gibt."

Gerade der Spott zeigt, wie wichtig Wilhelm Busch die Frömmigkeit war, sagt Hans Werner Dannowski. Wer Wilhelm Buschs Verhältnis zur Religion ergründen will, muss lernen, solche indirekten Zeichen zu deuten. Denn nur selten äußert sich Busch so direkt wie in einem Brief an seine Nichte:

"Der Glaube ist so was wie die Liebe; er beruht nicht auf Gründen, sondern auf Ursachen. Deshalb ist mit dem Verständnis nicht viel zu machen dabei. Weder für noch wider, und darum überlassen wir den Rationalismus wohl am besten den aufgeklärten Hausknechten und Gemüsefrauen."

"Also so einfache, klare, deutliche Sätze kann er formulieren. Auf der anderen Seite weiß er vom Weihnachtsfest nichts anderes zu erzählen in seinen Briefen, als dass sie mit Tannenbaum gefeiert haben, und mit seinen Pastorenneffen verhandelt er va. über Gartendinge, was sie anbauen sollen und was nicht, dass man sich fragt, hat er überhaupt wahrgenommen, was diese beiden Pastorenneffen eigentlich gemacht haben? Sieht aus, als würde sich Pfarrerleben im Garten des Pastoren abspielen."

Dabei müsste Wilhelm Busch es besser wissen. Fast sein ganzes Leben hat er in protestantischen Pfarrhäusern verbracht, als Kind beim Onkel, später, als deutlich wurde, dass er in der Welt der Künstler nicht heimisch wurde, beim Schwager und beim Neffen. Buschs Bibel war völlig zerlesen und blieb eines der Bücher, über die er nie Scherze machte – auch wenn er noch so sehr über die Eitelkeit der Pastoren spottete.

"Wie schad, daß ich kein Pfaffe bin.
Das wäre so mein Fach.
Ich bummelte durchs Leben hin
Und dächt nicht weiter nach."

Das Eintauchen ins protestantische Milieu ist die entscheidende Konstante im Leben des Malers, Zeichners und Dichters. Mit dieser Interpretation steht Dannowski nicht allein. Schon andere haben darin den Schlüssel zur Person Buschs gesehen – allerdings mit entgegengesetzten Vorzeichen. Protestantisches Sündenbewusstsein habe den Menschen Wilhelm Busch kleingehalten. Mehr noch, es habe auch den Maler Wilhelm Busch zu Boden gedrückt, habe ihn nicht zu seinen großformatigen Ölgemälden stehen lassen, sondern in die Selbstbeschränkung auf das kleine Format der Bildergeschichten gezwungen. Gegen diese Position verwahrt sich Hans Werner Dannowski vehement, wegen Busch und auch aus eigener Berufsehre als protestantischer Pfarrer. Wer Busch nur von protestantischem Schuldgefühl niedergedrückt sehe, verkenne nicht nur Wilhelm Busch. Er verkenne auch, was Protestantismus ausmache, selbst den zugebenermaßen oft verknöcherten Protestantismus des 19. Jahrhunderts. Neben Pflichtgefühl und Druck aufs Ego sei auch damals immer die Freiheit eines Christenmenschen gültig und wirksam gewesen. Wilhelm Busch habe sich immer gegen angemaßte weltliche Autorität gestemmt.

"Natürlich ist das auch ein Element von Freiheit, die er hat, etwas, was ihm persönlich auch wichtig ist, dann wirklich auch zu kritisieren und bloßzulegen und bloßzustellen."

Wilhelm Busch war ein empfindsamer Mensch, auch in Glaubensdingen. Deswegen, so Dannowski, beschäftigte er sich so oft mit dem Bösen. Und deswegen wird das Böse oder die Verfehlung in seinen Geschichten auch immer bestraft, nicht aus schwarzer Pädagogik, sondern aus einem tiefen Glauben an die Gerechtigkeit Gottes.

"Max und Moritz sind ja auch unheimlich vitale Burschen und die eigentlichen Karikaturen sind die Opfer, die das erleiden müssen, da ist die Lust am Bösen da, aber auf der anderen Seite ist das in Balance gehalten zu einer großen Verletzbarkeit durch das Böse, das wird im Grunde zusammengehalten doch durch einen metaphysischen Gerechtigkeitszusammenhang. Am Ende wird dann ja doch Gerechtigkeit Genüge getan und die Bösen landen in der Hölle und Antonius landet im Himmel, da ist so was wie jenseitige Gerechtigkeitsvermutung da, die er aufrechterhält, und die ihm sicher auch wichtig war."

Auch ein sicherer Glauben kann sich in Ambivalenz äußern, wenn er nur auf einen komplizierten Charakter trifft. Vor allem das kann man aus Hans Werner Dannowskis charmantem Buch mitnehmen. Und eine große Lust daran, endlich einmal wieder einen neuen und vertieften Blick auf die vertrauten Figuren zu werfen, von der Höllenfahrt der frommen Helene bis zu den völlig aus dem Ruder gelaufenen Streichen von Max und Moritz.

"Was ich schade finde, ist, dass er so stark im Pastorenmilieu verankert war, dass er’s nicht gewagt hat, mit Ausnahme des Kandidaten Jobs, der ja ein Lutheraner ist, wirklich lutherische Pastoren auf die Schippe zu nehmen. Das hätte ihm wahrscheinlich in der Verwandtschaft solchen Ärger eingebracht, dass er das lieber nicht gemacht hat."

"Gestern ging ich wieder mal
In die Schenke schnelle,
wie der durstge Pilgersmann
eilt aus der Kapelle
Alldieweil der durst so groß,
Trink ich etwas eilger
Und erglänze alsobald
Wie ein neuer Heilger."