Zwischen Goebbels und Schönberg

27.03.2014
Den Emil Nolde der Musik könnte man ihn nennen – den dänischen Komponisten Paul von Klenau. Allerdings hat sich dieser Anhänger der 12-Ton-Lehre von Arnold Schönberg nie als Opfer des NS-Regimes bezeichnet. Sein Verhalten in den Jahren zwischen 1933 und Kriegsende lässt sich allerdings nicht recht nachvollziehen, auch wenn man es differenziert betrachtet.
Paul von Klenau hat für das dänische Musikleben unendlich viel getan. In den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts gründete er in Kopenhagen die Philharmonische Gesellschaft. Großartige Musik wie die von Schönberg, Korngold, Skrjabin und Berg holte er aus dem Süden und Osten des Kontinents nach Dänemark.In Deutschland, Österreich und daheim war er als Dirigent und vor allem auch als Komponist erfolgreich. Seine drei Opern „Michael Kohlhaas“, „Rembrandt van Rijn“ und „Elisabeth von England“ erlebten in Nazi-Deutschland wichtige Aufführungen. Dass sich von Klenau mehr oder minder offen der 12-Tontechnik Arnold Schönbergs verpflichtet fühlte, schadete ihm und der Rezeption seiner Musik nicht. Dazu nutzte er ideologische Verrenkungen, indem er das Reihensystem als Umsetzung des Führerprinzips zu umschreiben versuchte.Der aus einer ursprünglich deutschen Familie stammende Komponist fühlte sich immer sehr stark dem deutsch-österreichischen Kulturraum zugehörig. Partiell hing er pangermanisch-skandinavischen Ideen an. Anders als seine deutschen Kollegen wie Carl Orff, Richard Strauss oder Werner Egk beteiligte er sich an keiner propagandistischen Aktion und bekleidete er zu keiner Zeit ein kulturpolitisches Amt. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er seit 1940 in Kopenhagen.Die Königlich-Dänische Bibliothek gibt seit vielen Jahren das Gesamtwerk Paul von Klenaus heraus, nachdem ein ähnliches Projekt für den Nachlass des großen Carl Nielsen abgeschlossen ist. Vor einigen Jahren fand sich in einem Teil des Erbes der Klenau-Familie in Wien das Manuskript einer großen neunten Sinfonie von Klenaus.Umfang und vokalsinfonische Ausmaße des Stücks erinnern an Beethoven. Dieses Werk des 1946 gestorbenen Komponisten erlebt nun im Jahre 2014 im Kopenhagener Konserthuset seine Uraufführung. Das habe das Zeug, zum wichtigsten Musikereignis im dänischen Konzertleben der Saison zu werden, meint Michael Schoenwandt. Der renommierte Dirigent (der musikalisch ebenfalls in Dänemark wie in Deutschland zu Haus ist) hat von Klenaus Neunte mit dem Chor und mit dem Orchester des Dänischen Rundfunks einstudiert.Die Musiksprache dieser Sinfonie erinnere an Alban Berg, erzählt Schoenwandt. Spätromantische Passagen wechseln mit 12-tönigen ab. Der Text dieses Werkes ist lateinisch-sakral und deutlich dunkel gefärbt. Ein „Dies Irae“ darin könnte darauf hindeuten, dass sich von Klenau am Ende seines Lebens seiner Verstrickungen durchaus bewusst war.Anders als Emil Nolde, der expressionistische Blumenmaler von der dänisch-deutschen Grenze hat Paul von Klenau nie behauptet, irgendjemand habe ihm vor 1945 das Komponieren verboten, obwohl er sich „entarteter“ Techniken bedient hatte.
Konzerthaus Kopenhagen
Aufzeichnung vom 20.03.2014

Paul von Klenau
Sinfonie Nr. 9
(Uraufführung)

Cornelia Ptassek, Sopran
Susanne Resmark, Alt
Michael Weinius, Tenor
Steffen Bruun, Bass
Dänischer Rundfunkchor
Dänisches Rundfunksinfonieorchester
Leitung: Michael Schønwandt

nach Konzertende ca. 21:50 Uhr Nachrichten