Zwischen Glamour und Arbeitsamt - Die deutsche Filmbranche

Der deutsche Film ist auf Erfolgskurs und sorgt nach dem katastrophalen Kinojahr 2005 wieder für volle Säle: In den aktuellen Top Ten finden sich fünf deutsche Produktionen.
Von Otto Waalkes "7 Zwerge - Der Wald ist nicht genug" über die WM-Dokumentation "Deutschland. Ein Sommermärchen" bis zu dem Roadmovie "Ein Freund von mir". Einer der Kassenschlager des Jahres: Das Stasi-Drama "Das Leben der Anderen". Der Film von Florian Henkel von Donnersmarck behauptete sich 21 Wochen und wurde von mehr als 1,4 Millionen Zuschauer gesehen. Inzwischen wurde er an mehr als 30 Länder verkauft, gilt als einer der Favoriten für den diesjährigen Europäischen Filmpreis und wird als bester fremdsprachiger Film in das Rennen um den Auslands-Oscar 2007 gehen.

Sicherlich ein Grund zum Feiern. Doch auch am Beispiel von "Das Leben der Anderen" zeigt sich die Absurdität der deutschen Filmpolitik, kritisiert Steffen Schmidt-Hug, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Regie. Zwar erhielt der Regisseur für Buch und Regie den Deutschen Filmpreis mit je einer Lola-Statue, aber mit dem Blattgold kann er wenig anfangen. Der Preis für den "Besten Film" geht allerdings, verbunden mit einer Zuwendung von 500.000 Euro für den nächsten Film, ausschließlich an die Produzenten und deren Firma. Der Erfolgsregisseur steht dann oft mit leeren Händen da und weiß nicht , wie er seinen nächsten Film machen soll.

Dazu kämen die schlechter werdenden Drehbedingungen und die fragwürdige Förderpraxis. "Wer es sich erlauben kann, geht weg", warnt der Interessenvertreter Schmidt-Hug. "Unsere Ortsgruppe in Los Angeles ist bald größer als die in Hamburg. Gucken Sie nur, wer alles weg gegangen ist: Wolfgang Petersen, Roland Emmerich, Oliver Hirschbiegel, Uli Edel. In den USA kriegen sie ganz andere Arbeitsbedingungen, ganz andere Gagen. Wenn wir ein Zehntel davon hätten, wären wir glücklich."

Doch nicht nur Regisseure beklagen die Arbeitsbedingungen und die zum Teil skurrile Rechtslage: "Viele Schauspieler werden geradezu in Hartz hineinkatapultiert", sagt Steffen Schmidt-Hug. Im Winter würden die meisten Dreharbeiten eingestellt, viele Filmschaffende müssten sich arbeitslos melden. Nach der neuesten Gesetzeslage bekomme aber nur derjenige Geld, der in den vergangenen zwei Jahren jeden zweiten Tag gearbeitet habe. "Das ist ein Unding, das schafft kaum jemand."

Hark Bohm kennt die Höhen und Tiefen des deutschen Filmgeschäfts genau. Bekannt wurde der Regisseur mit Filmen wie "Nordsee ist Mordsee" (1975) oder "Yasemin" (1988), er ist aber auch Schauspieler – er drehte viel mit Rainer Werner Fassbinder – und Produzent. 1993 gründete er das Filmstudium an der Hamburger Universität, das 2004 in die Hamburg Media School integriert wurde.

Der heute 67-Jährige ist ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Rechte der Filmschaffenden: "Wir haben zwei unterschiedliche Arten von Kino: Das sind zum einen Filme wie ‚7 Zwerge’, aber wir haben eben Low-Budget-Filme. Ich habe vor kurzem eine Rolle in einem solchen Film gehabt, da haben die Leute ohne Gage gespielt. Eine meiner Studentinnen, die gerade den Studenten-Oscar gewonnen hat, drehte im Wald, im Regen, ohne Geld. Bei denen entsteht die Freude dadurch, dass sie daran glauben, an einem bedeutenden Werk zu arbeiten. Aber es ist Selbstausbeutung."

Ihm liegt daran, zu zeigen, wie die Realität des Filmgeschäfts hinter der Glitzer-Fassade des Films aussieht: "Wir haben nicht nur die Stars wie Heike Makatsch. Wir haben tausende von Schauspielern, ohne die kein Film zustande käme. Und es braucht diese Tausende, damit sich die Stars entwickeln können."

"Zwischen Glamour und Arbeitsamt – Die deutsche Filmbranche"
Gemeinsam mit Hark Bohm und Steffen Schmidt-Hug wirft Dieter Kassel heute von 9:07 Uhr bis 11 Uhr einen Blick hinter die Kulissen des Filmgeschäfts. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800/22542254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de