Zwischen Genre und Autorenkino
Was vor neun Jahren als kleine Werkschau begann hat sich längst zum wichtigsten Festival für den spanischen Film entwickelt: Beim Filmfest in Malaga wurde "Los Aires Dificiles" ("Die schwierigen Lüfte") des renommierten spanische Produzenten und Regisseurs Gerardo Herrero mit dem Preis für den besten Film ausgezeichnet.
Auch dieses Jahr setzte das Festival in Malaga auf den Nachwuchs: Sechs der insgesamt 14 Wettbewerbsbeitraege waren Erstlingsfilme. "Azuloscurocasinegro" ("Dunkelblaufastschwarz"), der erste Spielfilm des Fernsehautoren Daniel Sánchez erzählt vom Erwachsenwerden, von verwirklichten und unverwirklichten Lebensträumen. Die beeindruckend dicht inszenierte Liebesgeschichte eines jungen Pförtners zwischen der hermetischen Welt des Gefängnisses und der eines Madrider Wohnblocks ist die Fortführung eines Kurzfilmes, mit dem der Autor bereits vor drei Jahren den Kurzfilmpreis in Malaga gewann.
In anderen Wettbewerbsfilmen stand die persönliche Erinnerung am Anfang. So erzählt der katalanische Regisseur Roger Gual in seinem zweiten Spielfilm "Remake" von Generationskonflikten, vom Wandel politischer Perspektiven und vom Laufe der Zeit: Zwei geschiedene Ehepaare und ihre Kinder kehren nach Jahren in ein nordspanisches Gebirge zurück, wo sie vor Jahren eine Hippiekommune bildeten. Im Laufe des Wochenendes prallen die Spannungen und die aufgestauten und unbewältigten Konflikte aufeinander - die Kinder der Linken werfen ihren Eltern ihre verkorkste Kindheit vor:
Roger Gual: "Meine Eltern sind Ex-Hippies, und ich lebte als ich klein war in einer Kommune. Das war der Ausgangspunkt meiner Geschichte, aber der Rest ist Fiktion."
Für Regisseur Roger Gual liegt die größte Schwierigkeit junger spanischer Filmemacher weniger darin Filme zu machen, als darin, ihr Publikum zu finden:
"Ich glaube, wir hängen zu sehr von einem Markt ab, in der nur die Marketingabteilungen der großen Verleiher entscheiden. Wir laufen dabei Gefahr, das Kino als kulturelles Gut zu verlieren, denn wenn Film ein Kulturgut ist, dann muss man ihn auch schützen und andere Verleihmöglichkeiten anbieten in denen er nicht in Konkurrenz mit dem Mainstream steht."
"Remake" ist eine spanisch-argentinische Coproduktion, und dieses Jahr hat das Festival eine neue Sektion mit lateinamerikanischen Filmen eingerichtet. Der gemeinsame spanischsprachige Coproduktions-Markt über die zahlreichen Akzent- und Dialektgrenzen hinweg ist eine neue Realität erzählt Carmelo Gomez, der Leiter des Filmmarktes in Malaga:
"Früher wurden die spanischsprachigen Filme aus Südamerika in Spanien neu synchronisiert. Aber das hat sich radikal geändert, besonders durch das Fernsehen. Durch Fernsehprogramme, besonders die Telenovelas, hat sich der Zuschauer auf beiden Seiten des Atlantiks an die unterschiedlichen spanischen Akzente gewöhnt."
Malaga versteht sich als Festival für alle audiovisuellen Formate: Vom Kinofilm über die Dokumentation, über den Videoclip bis zu Filmen, die für den Handykonsum produziert werden. Herrscht im offiziellen Wettbewerb ein konventioneller gefälliger filmischer Ausdruck vor, so sind die ungewöhnlichen, extremen und skurrilen Filme der Sektion "ZonaZine" vorbehalten.
So ist der Film "Ellos Robaron La Picha De Hitler" ("Sie raubten Hitlers Schwanz") ein typisches Beispiel für spanischen Genre-Trash: Im Jahre 2006 wird in Berlin ein geheimer Bunker entdeckt mit dem intakten, in Formalin eingelegten Geschlechtsteil Hitlers. Spanische Neonazis rauben das Relikt aus dem Museum, denn in Südspanien will der Sohn eines alten Naziarztes einen neuen Führer klonen ...
Dem Publikum gefiel der grotesk Politgruselfilm: "Ellos Robaron La Picha De Hitler" erhielt den "ZonaZine"-Publikumspreis.
Malaga hat in den letzten Jahren auch eine Renaissance des spanischen Dokumentarfilms erlebt. Neben politisch engagierten oder sehr persönlichen Dokumentarfilmen, zur Situation im Baskenland oder zum Schweigen in den Familien zur Francodiktatur, gibt es immer mehr die Tendenz, die Begrenzungen zwischen Dokumentarischem und der Fiktion zu durchbrechen und zu parodieren - der so genannte "falso documental", der "falsche Dokumentarfilm" ist in Spanien längst zum eigenen Genre geworden. Für den Filmkritiker und Filmhistoriker Mirito Torereiro, dem Leiter der Dokumentarfilmreihe in Malaga, drückt das nicht nur postmodernes Unbehagen, sondern auch einen politischen Protest gegen die mediale Manipulation aus:
"Warum soll man einer Welt, in der die Fernsehnachrichten lügen, in der die Politiker lügen, in der die Privatinvestoren lügen - warum soll man da nicht selbst falsche Wahrheiten aufbauen, falsche Wahrheiten konstruieren, die von falschen Grundvoraussetzungen ausgehen."
Malaga repräsentiert die verschiedensten Facetten des spanischen Films. Das macht ihn auch für ausländische Einkäufer interessant, mehr als 70 sind für den Filmmarkt akkreditiert. Das Profil des spanischen Films liegt in seiner Bandbreite zwischen Genre und Autorenkino, sagt der Filmhändler Daniel Otto aus München:
"Das heißt, für jeden ist etwas dabei, der etwas sucht: Sowohl Arthouse-Verleiher, die Filme vielleicht auch nur mit Untertiteln herausbringen werden in einer kleinen Anzahl von Kopien, als auch Video- Distributeure, die den Film gar nicht erst ins Kino bringen, sondern dann in einer deutschen Synchronfassung auf Video herausbringen. Und der dann relativ bald hoffentlich auch im Pay-TV als auch im Free TV zu sehen sein wird. Das heißt, es gibt eigentlich kein Etikett für den spanischen Film an sich - außer, dass er häufig mehr Überraschungen bietet, als man vielleicht erwartet."
In anderen Wettbewerbsfilmen stand die persönliche Erinnerung am Anfang. So erzählt der katalanische Regisseur Roger Gual in seinem zweiten Spielfilm "Remake" von Generationskonflikten, vom Wandel politischer Perspektiven und vom Laufe der Zeit: Zwei geschiedene Ehepaare und ihre Kinder kehren nach Jahren in ein nordspanisches Gebirge zurück, wo sie vor Jahren eine Hippiekommune bildeten. Im Laufe des Wochenendes prallen die Spannungen und die aufgestauten und unbewältigten Konflikte aufeinander - die Kinder der Linken werfen ihren Eltern ihre verkorkste Kindheit vor:
Roger Gual: "Meine Eltern sind Ex-Hippies, und ich lebte als ich klein war in einer Kommune. Das war der Ausgangspunkt meiner Geschichte, aber der Rest ist Fiktion."
Für Regisseur Roger Gual liegt die größte Schwierigkeit junger spanischer Filmemacher weniger darin Filme zu machen, als darin, ihr Publikum zu finden:
"Ich glaube, wir hängen zu sehr von einem Markt ab, in der nur die Marketingabteilungen der großen Verleiher entscheiden. Wir laufen dabei Gefahr, das Kino als kulturelles Gut zu verlieren, denn wenn Film ein Kulturgut ist, dann muss man ihn auch schützen und andere Verleihmöglichkeiten anbieten in denen er nicht in Konkurrenz mit dem Mainstream steht."
"Remake" ist eine spanisch-argentinische Coproduktion, und dieses Jahr hat das Festival eine neue Sektion mit lateinamerikanischen Filmen eingerichtet. Der gemeinsame spanischsprachige Coproduktions-Markt über die zahlreichen Akzent- und Dialektgrenzen hinweg ist eine neue Realität erzählt Carmelo Gomez, der Leiter des Filmmarktes in Malaga:
"Früher wurden die spanischsprachigen Filme aus Südamerika in Spanien neu synchronisiert. Aber das hat sich radikal geändert, besonders durch das Fernsehen. Durch Fernsehprogramme, besonders die Telenovelas, hat sich der Zuschauer auf beiden Seiten des Atlantiks an die unterschiedlichen spanischen Akzente gewöhnt."
Malaga versteht sich als Festival für alle audiovisuellen Formate: Vom Kinofilm über die Dokumentation, über den Videoclip bis zu Filmen, die für den Handykonsum produziert werden. Herrscht im offiziellen Wettbewerb ein konventioneller gefälliger filmischer Ausdruck vor, so sind die ungewöhnlichen, extremen und skurrilen Filme der Sektion "ZonaZine" vorbehalten.
So ist der Film "Ellos Robaron La Picha De Hitler" ("Sie raubten Hitlers Schwanz") ein typisches Beispiel für spanischen Genre-Trash: Im Jahre 2006 wird in Berlin ein geheimer Bunker entdeckt mit dem intakten, in Formalin eingelegten Geschlechtsteil Hitlers. Spanische Neonazis rauben das Relikt aus dem Museum, denn in Südspanien will der Sohn eines alten Naziarztes einen neuen Führer klonen ...
Dem Publikum gefiel der grotesk Politgruselfilm: "Ellos Robaron La Picha De Hitler" erhielt den "ZonaZine"-Publikumspreis.
Malaga hat in den letzten Jahren auch eine Renaissance des spanischen Dokumentarfilms erlebt. Neben politisch engagierten oder sehr persönlichen Dokumentarfilmen, zur Situation im Baskenland oder zum Schweigen in den Familien zur Francodiktatur, gibt es immer mehr die Tendenz, die Begrenzungen zwischen Dokumentarischem und der Fiktion zu durchbrechen und zu parodieren - der so genannte "falso documental", der "falsche Dokumentarfilm" ist in Spanien längst zum eigenen Genre geworden. Für den Filmkritiker und Filmhistoriker Mirito Torereiro, dem Leiter der Dokumentarfilmreihe in Malaga, drückt das nicht nur postmodernes Unbehagen, sondern auch einen politischen Protest gegen die mediale Manipulation aus:
"Warum soll man einer Welt, in der die Fernsehnachrichten lügen, in der die Politiker lügen, in der die Privatinvestoren lügen - warum soll man da nicht selbst falsche Wahrheiten aufbauen, falsche Wahrheiten konstruieren, die von falschen Grundvoraussetzungen ausgehen."
Malaga repräsentiert die verschiedensten Facetten des spanischen Films. Das macht ihn auch für ausländische Einkäufer interessant, mehr als 70 sind für den Filmmarkt akkreditiert. Das Profil des spanischen Films liegt in seiner Bandbreite zwischen Genre und Autorenkino, sagt der Filmhändler Daniel Otto aus München:
"Das heißt, für jeden ist etwas dabei, der etwas sucht: Sowohl Arthouse-Verleiher, die Filme vielleicht auch nur mit Untertiteln herausbringen werden in einer kleinen Anzahl von Kopien, als auch Video- Distributeure, die den Film gar nicht erst ins Kino bringen, sondern dann in einer deutschen Synchronfassung auf Video herausbringen. Und der dann relativ bald hoffentlich auch im Pay-TV als auch im Free TV zu sehen sein wird. Das heißt, es gibt eigentlich kein Etikett für den spanischen Film an sich - außer, dass er häufig mehr Überraschungen bietet, als man vielleicht erwartet."