Zwischen deutscher Wurstbude und Mission

Von Leonie March |
Auswandern wollten sie eigentlich nie. Günther Janz blieb der Liebe und des Berufes wegen im Land und betreibt heute eine zünftige Würstchenbude. Liselotte Dammann kam als Frau eines Missionares und pflegt bis heute den Kontakt zur Zulu-Gemeinde. Das Leben in Südafrika fasziniert sie wie am ersten Tag.
Grüne Hügel, Volksmusik schallt aus den Lautsprechern, der Duft von gebratenen Würstchen liegt in der Luft. Günther Janz trägt Lederhosen, streichelt seinen Bernhardiner, genießt die Aussicht vor seinem Haus. Nicht etwa im Oberbayrischen, sondern in den südafrikanischen Midlands.

"Also, wenn man sich das anschaut, dann könnte man das auch vergleichen mit Österreich oder dem Alpenvorgebiet. Das ist nicht sehr afrikanisch. Aber deswegen hat uns das auch gereizt, so ein kleines Gartenrestaurant auf Basis einer Wurstbude zu machen."

Etwa zweihundert Kilometer südwestlich genießt auch Liselotte Dammann die Aussicht: Das saftige Grün der Zuckerrohrplantagen, das Türkisblau des Indischen Ozeans. Ein historischer Blick, erzählt die lebhafte Frau mit dem grauen Dutt.

"Der rote Weg hier ist der alte Ochsenwagen-Weg, parallel zur Küste verläuft der und auf dem sind die Siedler hier angekommen. Ein ganzer Streifen parallel zum Meer war German Country. Ein Teil heißt Marburg, weil der allererste Missionar, der hierher geschickt worden war, aus dem Ipsdorfer Grund bei Marburg kam, und der durfte seine Station nennen wie er wollte."

Samstag kurz nach 11. Bald kommen die ersten Gäste zum Mittagessen, sagt Günther Janz, graue Haare, gepflegter grauer Vollbart, lebhafte blaue Augen hinter der Brille. Zwanzig Tische mit rot-weiß karierten Tischdecken stehen auf dem Rasen. Mit nur zweien habe ich hier gemeinsam mit meiner Frau angefangen, erinnert sich der gebürtige Hamburger.

"Wir sind also vor 12 Jahren hierher gekommen aus Johannesburg. Wenn man ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat, macht man sich Gedanken, was ich jetzt noch möchte, und dann sind wir halt umgestiegen. Ich bin also Spediteur von Beruf, aus Hamburg, meine Frau war im Rechnungswesen tätig, und dann haben wir einfach mal was anderes gemacht."

Im Erdgeschoss des Hauses vermieten die Janzens Zimmer an Touristen. Draußen verkaufen sie Würstchen mit Sauerkraut, Bratkartoffeln und Bier. Das ist aktiver Ruhestand ganz nach meinem Geschmack, sagt der 63-jährige mit einem Schmunzeln. Dabei war ein ganzes Leben in Südafrika gar nicht geplant. Die Schule besucht der gebürtige Hamburger in der Schweiz, macht zurück an der Küste eine Ausbildung zum Spediteur, geht zur Luftwaffe nach Bayern.

"Ich wollte, bevor ich aus der Bundeswehr zurück in die freie Wirtschaft gehen wollte, in ein Land gehen, für eine kurze Zeit, um Sprachkenntnisse und auch bisschen berufliche Auslandserfahrung zu sammeln. Und damals bot Südafrika die besten Voraussetzungen. Das heißt: Die Regierung bezahlte die Reise, Flug oder Schiffsreise, bezahlte die Unterkunft in Südafrika bis zur festen Anstellung oder Vermittlung, machte also alle Vorbereitungen, und das hat mir gefallen.

So kam ich dann 1968 am 11. Juli in Kapstadt an, hielt es aber nur 14 Tage in Kapstadt aus. Und dann kam ich in Johannesburg an und hatte also innerhalb von einer Woche eine Anstellung gefunden als Leiter der Logistik- oder Speditionsabteilung für ein deutsches Chemieunternehmen, für die ich dann 20 Jahre tätig war innerhalb des südlichen Afrikas."

Das war eher Schicksal als eine bewusste Entscheidung Auszuwandern, fügt Günther Janz hinzu, krault seinen Bernhardiner.

"Die Idee war damals für 18 Monate. Das musste ich damals meinen Eltern versprechen. Ich musste zur Silberhochzeit wieder zurück sein. Und bei einer solchen Sache sagt man das denen schnell zu. Aber ich habe gar nicht gedacht, wie schnell 18 Monate vergehen im Ausland. Und dann - da war ich glaube ich 12 Monate in Südafrika - da lernte ich ein junges Mädchen kennen. Aus diesem Mädchen wurde dann meine Freundin oder später dann meine Verlobte, heutige Frau.

Da kann man sagen, ich bin der Liebe wegen hier geblieben. Einmal wegen der Carmen und dann auch, weil ich dieses Land und diesen Subkontinent einfach gern mag. Und ich glaube, wenn man einmal diese Ellbogenfreiheit - oder diese Freedom of Africa - erlebt und gespürt hat, dann ist das schwierig, sich wieder in Europa zurechtzufinden."

Günther Janz steht auf, zieht sein schwarzes Trachtenhemd mit den Hornknöpfen gerade. Er muss in die Küche. Schauen, ob alles bereit ist fürs Mittagessen.

Die Freiheit Afrikas, die Weite des Landes, die Schönheit der Natur. All das gefällt auch Liselotte Dammann, als sie das erste Mal einen Fuß auf den Kontinent setzt. Das war 1963. Ich bin mit 20 als Braut von Hessen nach Südafrika gekommen, sagt die heute 65-jährige. Orangefarbene Leinenhose, weißes T-Shirt, die langen grauen Haare in einen Dutt gebunden. Sie sitzt bei offener Tür in ihrem Auto, vor der weiß getünchten Kirche der ersten deutschen Siedler in Uvongo, einer Kleinstadt an der Ost-Küste Südafrikas. Ihr Mann war hier Missionar, Sohn einer deutschstämmigen Familie.

"Wie ich hierher kam: Also, das war insofern für mich wunderbar, als ja mein Verlobter ein Südafrikaner war, von der alten deutschen Sorte. Und ich kannte ihn in Deutschland ja schon fünf Jahre, während seines Studiums. Er war der mittelste von sieben Geschwistern, die alle deutsch sprachen und alle deutsch verheiratet sind und deren 25 Kinder alle deutschsprachig sind, immernoch. Ich war sozusagen die Jüngste, die dazu kam. Und jeder nahm mich so in Schutz und ich konnte mich also wirklich gleich zu Hause fühlen."

Liselotte Dammann schaut übers Lenkrad auf die saftig grünen Zuckerrohrplantagen, auf die weißgetünchte Kirche, den indischen Ozean in der Mittagssonne.

"Was mir von Anfang an auffiel, schon in den 60er Jahren, dass die Frauen alle Auto fuhren. Von meiner Mutter kannte ich das nicht, meine Mutter ließ sich chauffieren. Aber das war hier die selbstverständlichste Sache von der Welt, dass alle Frauen, auch die älteren, auch die Generation meiner Mutter, selber Auto fuhr. Ich fand die Frauen hier kolossal selbstständig. Auch mit eigenem Scheckbuch und so. Also, meine Mutter hätte davon nur träumen können, muss ich sagen."

In Südafrika wird aus der jungen Braut eine selbstbewusste Frau, Mutter zweier Kinder. Sie gewöhnt sich schnell ein, auch wenn das Leben nicht immer bequem und einfach ist: Ihr Mann ist oft unterwegs in den umliegenden Dörfern. Die schwülheiße Hitze im Sommer verlangsamt das Leben. Strom gibt es anfangs nur abends und dienstags, erinnert sich die 65-jährige, lehnt sich im Fahrersitz zurück.

"Ich bin dann nach sieben Jahren zum ersten Mal wieder in Deutschland gewesen, und ich dachte: Ach, wie ist denn hier alles so klein. Der Vorgarten zu Hause, der war doch eigentlich ganz groß, jetzt war er ja so furchtbar klein! Und unser Bübchen, der war damals fünf, der sagte zu meiner jüngsten Schwester, Tante Bärbel: Zeig' mir doch jetzt mal euren richtigen Garten! Wieso? Ja, also diese 700 Quadratmeter bei meinen Eltern, was hauptsächlich ein Grasgarten mit Obstbäumen war, das war kein richtiger Garten für meinen Winfried. Also, Obst und Gemüse und Salat und Beete und so, das war ein richtiger Garten."

Der Kontakt zu Deutschland, die Kultur und Sprache ihrer Heimat aber bleiben Liselotte Dammann wichtig. Zu Hause wird nur deutsch gesprochen, damit die Kinder es richtig lernen. Die Familie besucht regelmäßig den deutschen Gottesdienst, pflegt den Kontakt zu den anderen Einwanderern in der Gegend, besucht regelmäßig die Familie in der alten Heimat, gründet eine deutsch-südafrikanische Kulturvereinigung. Mit dem heutigen Vorsitzenden ist Liselotte Dammann gleich im Gemeindezentrum verabredet.

Bei "Günther's" stehen inzwischen die ersten hungrigen Gäste vor der Wurstbude. Zwei Paare mit ihren Kindern. Günther Janz hat sich eine Schürze über die Lederhose gebunden, steht gemeinsam mit seiner Frau hinter der Holztheke, plaudert mit seinen Kunden, erklärt, was es hier zu essen gibt: Vier verschiedene Sorten Würstchen, mit frischen Brötchen, Bratkartoffeln und Sauerkraut.

"Das Sauerkraut ist importiert, das können die Südafrikaner nicht so richtig machen. Es kommt also aus Bayern, genauso wie der Senf, der kommt auch aus Bayern. Und die dazu passenden Getränke, lokale und auch importierte."

Die beiden Männer bestellen Bier aus Bayern, ihre Frauen südafrikanischen Weißwein, dazu natürlich Würstchen und sogar Sauerkraut. Exotisches Essen für Südafrikaner - und vielleicht deshalb so beliebt. Inzwischen ist "Günther's" eine kleine Attraktion. Einige Gäste kommen von weit her, um hier zu essen, erzählt der deutsche Wirt, während er die Würstchen auf dem Grill wendet.

Doch das deutsch-schweizerische Essen, die Lederhosen und die mächtigen Kuhglocken aus der Schweiz, die neben der Wurstbude aufgehängt sind, sind mehr als eine gute Geschäftsidee, mehr als Kulisse. Der Auswanderer fühlt sich in seiner alten Heimat noch immer stark verwurzelt.

"Wir machen es immer wieder, wenn wir Zeit und auch die finanziellen Möglichkeiten haben, nach Europa zurückzufahren in den Urlaub, so dass wir diesen Kontakt nach Europa nie haben abreißen lassen. Ich bin auch der Meinung, dass es unwahrscheinlich wichtig ist, dass man 'up to date' bleiben muss, mit der Kultur, mit der Sprache, mit der politischen Entwicklung in Europa. Das persönliche Gespräch ist immer noch besser als nur ein Fernseher, und so machen wir das fast jedes Jahr einmal: Also, elf Monate in Südafrika, einen Monat in Europa."

Typisch deutsch ist vielleicht auch die Art, wie Günther Janz seine Wurstbude führt, obwohl er bei dem Ausdruck die Stirn runzelt. Die Küche ist blitzblank, nur zehn Minuten nach der Bestellung haben die Gäste das Essen auf ihrem Tisch. In Südafrika, wo die Uhren oft etwas langsamer ticken, fallen deutsche Pünktlichkeit und Ordnung besonders auf.

"Diese frühere Bemerkung, die ich gemacht habe, mit meiner Tätigkeit in der Luftwaffe, das sagen teilweise heute noch Leute: 'Günther, Du organisierst und führst Deinen Laden immer noch so wie so ein Airforce-Camp.' Wir können ja nun nicht alles vergessen oder alles ändern. Ich habe mich ja bemüht, mich zu ändern.

Typisch dies, typisch das, ist schwierig zu sagen. Sicherlich hängt unsere Erziehung damit zusammen, unsere Kultur. Wir haben es gelernt von unseren Großeltern, denn mein Vater war zu diesem Zeitpunkt noch Kriegsgefangener. Der hat uns Disziplin beigebracht. Sicherlich, der Erziehungsstil ändert sich und wird dem heutigen Lebensstil angepasst, aber es ist nichts verkehrt mit Disziplin."

Günther Janz nimmt die fertigen Würstchen vom Grill, richtet sie mit Bratkartoffeln und Sauerkraut an, stellt die Teller auf ein Tablett, trägt es hinaus in den Garten.

Liselotte Dammann steht im Gemeindezentrum - eine große leere Halle mit großer Fensterfront und Bühne. Neben ihr ein Mann mit kariertem Hemd und blauen Shorts. Der Vorsitzende der deutsch-südafrikanischen Kulturvereinigung. Zu den Veranstaltungen kommen nicht nur deutsche Auswanderer und die Nachfahren der deutschen Siedler, sondern auch andere Südafrikaner, erzählt die 65-jährige.

"Das ist dann wirklicher Brückenbau, dass das auch an die englisch- und afrikaanssprachigen Leute geht. Ich habe auch schon Zulu Leute mit her gebracht, die deutsch gelernt haben, auf der Schule. Das ist dann auch immer interessant. Eine südafrikanische Kultur in dem Sinne, wie es eine deutsche gibt, gibt es eigentlich, glaube ich, noch gar nicht.

Was mir hier so gefällt ist, dass man kann hier viel individualistischer leben kann als in Deutschland und dass jeder das, was er für wichtig hält, weiter pflegt. Und ob ich nun Weihnachten so oder so feiere, das kann eben hier jeder machen, wie er will. Vieles wird nachgeahmt und vieles wird, sagen wir mal, international gemacht. Und der Christbaum ist dann überall, auch hier mitten im heißen Sommer, aber wir brauchen nicht zu singen 'Leise rieselt der Schnee'."

Liselotte Dammann verabschiedet sich herzlich vom Vereinsvorsitzenden, spricht noch kurz auf Zulu mit einem Handwerker, der im Blaumann die Tür der Gemeindehalle repariert. Es ist die Vielfalt in Südafrika, die es der 65-jährigen von Anfang angetan hat. Durch ihren Mann, der in den einheimischen Dörfern als Missionar arbeitet, kommt sie schon als junge Frau, zu Zeiten der Apartheid, in Kontakt mit schwarzen Südafrikanern. Noch heute besucht sie regelmäßig die Zulu-Gemeinde.

"Jeden Sonntag muss ich überlegen, wo passt es denn nun zeitmäßig. Meistens habe ich zwei Gottesdienste, einen Zulu, und den brauche ich einfach auch wegen des Singens und wegen der ganzen Liturgie. Das ist so herzerfrischend. Dann unterstütze ich gewöhnlich auch den deutschen, wenn es zeitlich zu machen ist."

Über die frisch gemähte Wiese geht Liselotte Dammann von der Gemeindehalle zurück zu ihrem Auto, das im Schatten unter einem Baum vor der Kirche geparkt ist. Seit einigen Jahren lebt sie allein. Ihr Mann ist gestorben. Ihr Sohn lebt mit Frau und Kindern in England. Nur für ein paar Jahre, hoffe ich, sagt die 65-jährige. Dass ihre Tochter nach Südafrika zurück kehrt, glaubt sie dagegen nicht. Sie lebt seit ihrer Berufsausbildung in Deutschland.

"Für mich war das, ja, eigentlich umwerfend, dass meine Barbara mir sagte: 'Mutter, hier in Kassel gefällt es mir, hier bleibe ich. In Südafrika in meinem Leben, da reden wir zu Hause deutsch, und wir wissen doc: Wir sind anders als die Deutschen in Deutschland. Wir reden englisch in der Schule und überall im Geschäftsleben, und wir sind nicht englisch. Und wir reden afrikaans, weil es die zweite Landessprache war, und wir sind nicht afrikaans. Und noch all das viele zulu, was der Vater Erwin machte, mit den Zulu-Gemeinden. Also, in Deutschland weiß ich, alle reden so, und es geht einen Weg.' Und für mich war es gerade das Umgekehrte, das für mich eine Herausforderung war: Mit all den vier Sprachen hier gut zurechtzukommen."

Die Mittsechzigerin bleibt kurz stehen, blickt auf den Indischen Ozean, die Kleinstadt Uvongo, die seit über vierzig Jahren ihre Heimat ist, auf die Zuckerrohrplantagen hinter der Kirche, geht weiter zu ihrem Auto.

Bei "Günther's" läutet ein Kind die Schweizer Kuhglocken, die an einem Gestell vor der Wurstbude in der Reihenfolge von groß nach riesig aufgehängt sind. Im Garten sitzen Familien mit Kindern, junge Paare, ein älteres Pärchen. Auf den Tischen Teller mit Würstchen und Bratkartoffeln. Günther Janz schaut zufrieden über die Holztheke. Ich habe die Entscheidung eigentlich nie bereut, sagt er auf die Frage, welche Vor- und welche Nachteile das Leben in Südafrika hat.

"Die Vorteile sind sicherlich: Man kann heute noch etwas erreichen. Leute, die sich beschweren über die Art und Weise der Geschäftsanbahnung oder Kontakt und Verkehr mit den Regierungsstellen, das ist immer noch einfacher als in Deutschland. Also die Vorteile, heute noch etwas selbst schaffen zu können, sind da. Das Potenzial ist groß. Die Schattenseiten sind sicherlich die ungewisse Zukunft des Schwarzen Kontinents."

Nachdenklich, den Blick auf die grünen Hügel der Midlands gerichtet, streicht Günter Janz seine weiße Schürze glatt. In den letzten vierzig Jahren habe ich den Wandel im Land hautnah mit erlebt, erzählt er, zuerst die Apartheid, dann die demokratische Wende 1994. Die Probleme im Land sind noch immer groß: Aids, Arbeitslosigkeit und Armut bestimmen das Leben vieler Südafrikaner. Pessimistisch ist der gebürtige Hamburger deshalb aber nicht.

"Südafrika ist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Man muss diesem Land und diesem Kontinent Zeit geben und immer wieder auch besuchen. Und man muss auch verschiedene Regionen besuchen. Denn die Leute brauchen, immer wieder brauchen sie Anregung. Nicht sagen: 'Ihr müsst das so und so machen, this is how we do it in Germany and this is the only way'. Es gibt immer mehr Wege als einen, verkehrt oder richtig zu sein."
Auf die Theke gestützt schaut der Auswanderer auf die friedliche Idylle: die Gäste in seinem Garten, die liebliche Landschaft. Von der Kriminalität im Land ist hier nichts zu spüren. Doch nicht nur in den Großstädten sind Raub, Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung. Auch hier auf dem Land werden Farmen überfallen, Menschen ausgeraubt und getötet. Günther Janz runzelt die Stirn. Es ist nicht lange her, da wurde ein befreundetes Paar, Deutschstämmige, die nicht weit von hier lebten, in ihrem Hotel erschossen, erzählt er.

"Sicherlich beunruhigt einen das immer wieder, speziell dann, wenn es wie jetzt jemanden getroffen hat, der einem sehr nahe stand. Dann kommen natürlich die Gedanken: Hast Du das Richtige gemacht? Dein ganzes Investment hast Du jetzt hierher verlegt, und der Wechselkurs würde ja im Augenblick nicht in unserem Sinne sein, wenn man das jetzt transferieren würde. Also, welche Möglichkeiten hat man noch?

Sie sehen ja selbst hier: Da sind also keine hohen Zäune drumherum, kein elektrischer Zaun, jeder kann hier herein. Ich kann doch jetzt nicht sagen: Nur, weil Du jetzt nicht so aussiehst, als wenn Du hier rein passt, darfst du hier nicht rein. Ich muss den ja bedienen, und dann kann mir das genauso passieren, wie jetzt meinen Freunden auch."

Langsam geht Günther Janz ein paar Schritte, durch die Tür neben der Theke in den Garten.

"Beunruhigend ist es schon. Aber trotzdem glaube ich nicht, dass es der Zeitpunkt ist, jetzt alles abzubrechen oder abzuhauen. Das liegt schon gar nicht in meiner Natur. Ich glaube, dass man das in den Griff kriegen kann, wenn man Druck auf die Stellen ausüben kann und sagen: Ihr müsst jetzt was machen. Es ist ja eine Mittelschicht in Südafrika herangewachsen, seit1994.

Und wenn dieser Druck zusammenkommt, dann könnte man sicherlich etwas erreichen. Aber es darf jetzt nicht einschlafen. Ansonsten gefährden wir nicht nur unser Leben, unsere Existenz ja auch. Denn ohne Leute kann ich hier einpacken. Wenn keiner kommt, kann ich nichts verkaufen, kann das Haus nicht vermieten. Ich kann mich zwar über Wasser halten, sicherlich, aber das ist ja nicht die Art und Weise des Lebens, so wie wir es uns vorgestellt haben."

Ein Paar mit zwei Kindern kommt vom Parkplatz auf die Terrasse, auf Günther Janz zu. Der winkt ihnen kurz zu, geht zurück in die Küche, erwartet die neuen Gäste hinter der Theke seiner Wurstbude.

Liselotte Dammann sitzt wieder hinter dem Steuer ihres Autos vor der weißgetünchten Kirche der deutschen Siedler. Angesprochen auf die Kriminalität im Land macht sie eine wegwerfende Handbewegung.

"Ich meine, mit gesundem Menschenverstand und offenen Augen muss man überall herum gehen, dass einem nichts passiert. Und wenn etwas passieren soll, dann hat es halt so sollen sein. Ich denke, je mehr man sich intensiv mit Dingen beschäftigt, auch wohin der Karren laufen soll, die verschiedensten Meinungen und Diskussionen, ob das nun im Parlament ist, oder sonst wo: Das ist doch interessant zu beobachten und wichtig, dass man mit lebt und nicht nur als Zuschauer ein bisschen mitkriegt.

Irgendwo haben wir doch alle einen Auftrag, im Kleinen beizutragen, dass ein gutes Verhältnis in der Nachbarschaft ist und so in unserem eigenen Umfeld. Das ist für mich hier eine größere Herausforderung, als es in Deutschland wäre, wo ich denn so als Oma - und naja, eigentlich ist sie ja aus dem Ausland - mitleben sollte, könnte, müsste."

Energisch schließt die 65-jährige die Autotür, lässt den Motor an, biegt in die Straße ein, die von der Kirche zurück ins Stadtzentrum von Uvongo führt. Schon einmal habe ich erlebt, dass die Menschen hier scharenweise das Land verlassen haben, erzählt sie, Mitte der 90er kurz vor und nach den ersten demokratischen Wahlen.

"Wir haben einen Neffen, der auch dann gegangen ist und auch ganz schnell, weil man ja dachte: Jetzt geht hier also wirklich die Welt unter. Ich denke, das hat immer mit Desinformation und zu wenig Information zu tun. Gut, es war heikel, es hätte auch anders ausgehen können, aber die Zeichen standen nicht nur auf Sturm, also, das kann man nicht sagen.

Aber es gab ganz viele Leute, die glaubten, damals schon würde ja nun die Elektrizität abgeschnitten, und das Essen wäre nicht mehr zu haben. Und die haben sich mit Kerzen und wer weiß was alles eingedeckt, bis auf Monate. Und wir haben jetzt manchmal darüber gelacht, wenn die Sprache darauf kam."

Eine Rückkehr nach Deutschland kommt für mich nicht in Frage, sagt Liselotte Dammann, während sie in eine kleine Straße einbiegt. Ein paar Meter weiter hält sie an. Hinter dem Zaun ein üppiger subtropischer Garten mit alten Bäumen, etwas versteckt dahinter ihr Haus mit Veranda zur Straße hin.

"Ich denke mal, ich bin eine Deutsch sprechende Südafrikanerin. Und wenn mich heute Leute fragen: Deine Kinder sind ins Ausland gegangen, und Dein Mann ist gestorben, willst Du denn nicht nach Deutschland zurück? Dann sage ich: Nein, meine Wurzeln sind eigentlich in 44 Jahren jetzt hier in die Erde gesunken, und ich finde es hier noch immer riesig interessant. Wenn man sich so tagtäglich darum kümmert, was sich hier im Land ereignet und was diskutiert wird, dann sind die Herausforderungen schon ganz enorm, und es regt den Geist an, das muss ich sagen."

Liselotte Dammann steigt aus ihrem Auto, öffnet das Tor zu ihrem Garten, geht den Weg entlang zu ihrem Haus. Keine Frage. Sie hat ihr Glück in Südafrika gefunden.

Inzwischen ist es Nachmittag. Bei "Günther's" sitzt nur noch das ältere Pärchen im Garten. Der Besitzer der Wurstbude hängt seine Schürze an einen Haken in der Küche und geht auf die Terrasse vor seinem Haus. In Südafrika fühle ich mich immernoch als Gast, sagt der 63-jährige, denn ich bin ja schließlich immernoch Deutscher.

"Ich bin als Deutscher geboren und diesen Pass hat mir die Bundesrepublik Deutschland gegeben, und das war immer meine Einstellung: Ich behalte meinen deutschen Pass und meine deutsche Staatsangehörigkeit."

Für Günther Janz eine Sache des Prinzips. Doch zurück nach Deutschland zu ziehen, das kann auch er sich nicht vorstellen.

"Ich glaube, das ist eine theoretische Option. Ich persönlich bin der Meinung: Wenn diese Demokratisierung, Liberalisierung, in die richtigen Wege gelenkt wird in Afrika, dann ist dieses Land, dieser Kontinent, die Zukunft."

Günther Janz setzt sich auf eine Bank im Garten, krault seinem Bernhardiner den Kopf, genießt den Blick auf die südafrikanischen Midlands. An dieser Aussicht kann er sich nicht satt sehen.