Zwischen den Kunstwelten
Für schwarze Künstler ist der Zugang zu mehrheitlich weißen Galerien und Museen in New York immer noch besonders schwer. Die Galerie Five Myles in Brooklyn versucht eine Brücke schlagen zwischen der schwarzen und weißen Kunstwelt. Gegründet wurde die Galerie von der deutschen Künstlerin Hanne Tierney, die Ende der fünfziger Jahre in die USA ausgewandert ist.
"In New York ist im Prinzip die Artwelt ziemlich getrennt. Also es ist eine schwarze Artwelt und eine weiße Artwelt. Und die beiden haben relativ wenig mit einander zu tun."
Hanne Tierney hat sich unter die Besucher gemischt. Heute ist Ausstellungseröffnung in ihrer Galerie Five Myles in Brooklyn. Der amerikanisch-haitianische Künstler Edouard Steinhauer hat den Raum in eine glitzernde Landschaft verwandelt. Seine Arbeiten sind mit Alufolie beklebt, in der Mitte des Raumes dreht sich über den Köpfen der Besucher etwas, das aussieht wie ein riesiges Radargerät. Schwarze Künstler kommen in den etablierten Galerien in Chelsea nur schwer unter. Bei Five Myles sind fast die Hälfte Afroamerikaner:
"Es ist ganz natürlich so gekommen. Es ist einfach so, diese Galerien da sitzt dann jemand am Schreibtisch und da stehen dann Orchideen, und für jemanden da reinzugehen und zu sagen, ach könnte ich vielleicht mal meine Arbeit zeigen, das ist einfach einschüchternd. Hier ist das viel einfacher."
Hier, das ist mitten in Brooklyn, nicht weit vom Brooklyn Museum. Als die Galerie vor dreizehn Jahren hier eröffnete, wohnten in dieser Gegend fast nur Schwarze. Vor allem bei Weißen hatte das Viertel einen schlechten Ruf. Sie mieden den Stadtteil aus Angst vor Überfällen, Mord und Drogenkriminalität. Hanne Tierney entschied sich trotzdem, hier ihre Galerie aufzumachen. Heute ist Five Myles aus dem Viertel nicht mehr wegzudenken. Hier treffen sich alle: Künstler, Kuratoren und Nachbarn.
Hanne Tierney kommt 1959 nach New York. Sie ist neunzehn Jahre alt und hat einen Job als Au-Pair-Mädchen angenommen. Aufgewachsen ist sie in der einem kleinen Dorf in der Oberlausitz. Sie entflieht dem Nachkriegsdeutschland, der Enge auf dem Land und bricht auf - nach Amerika:
"Ich war wirklich culture geschockt. Was mich am meisten fertig gemacht hat war, dass die Frauen alle so irre jung aussahen. Wir hatten ja letzten Endes gerade den Krieg hinter uns gebracht und gerade in Ostdeutschland, ich meine so sahen die Frauen einfach nicht aus. Und dann überall dieses Essen - Du konntest den Eisschrank aufmachen und es gab überall Essen. Und alle waren glücklich und die Sonne schien immer zu scheinen (lacht) so zumindest habe ich das in Erinnerung."
Hanne Tierney verliebt sich - in die Stadt und ihren Mann, mit dem sie zwei Kinder bekommt. Ende der 60er-Jahre zieht sie mit der ganzen Familie ins Chelsea Hotel - an den Ort, an dem kurz vorher noch Künstler wie Jimi Hendrix, Patti Smith und Robert Mapplethorpe lebten. Hanne Tierney will Schriftstellerin werden, doch sie findet sich nicht gut genug. Sie besetzt eine Fabriketage in SoHo und beginnt, mit der Kunst zu experimentieren und ihre eigene Form zu finden - zwischen Jazzmusikern und Minimalisten:
"Ich lebe auf der Wouster Street und alle Minimalisten wohnten auf der Wouster Street und dann gab es das Food Restaurant, wo jeder aß und jeder kochte. Da haben wir immer alle einmal in der Woche für das Publikum gekocht - es gab nur ein Gericht. Und alle haben zusammen gearbeitet und man hat zum ersten mal richtig verstanden, was Raum bedeutet. Dass man den mit dazu nehmen muss. Oder zumindest haben die Minimalisten das mit dazu genommen. Und ich bin ja letzten Endes immer noch ein Minimalist. Das interessiert mich immer noch am meisten."
Hanne Tierney findet ihre Kunstform zwischen Theater, Literatur und Performance. Gerade probt sie ihr neues Stück. Hunderte Schnüre hat sie entlang der Zimmerdecke gespannt. An ihnen hängen schillernde Stoffbahnen aus chinesischer Seide wie Gespenster im Raum. Wenn Hanne Tierney an den Schnüren zieht, bewegen sich die Stoffe wie Marionetten.
Es liegt am Zuschauer diese Bewegungen als Gesten zu interpretieren. Fürsorge, Liebe, Trauer - all das drückt Hanne Tierney mit einem Stück Stoff aus. Hanne Tierney braucht Platz für ihre Kunst - auch deshalb entscheidet sie sich 1999 mit ihrem Atelier nach Brooklyn zu ziehen. Dort sind die Mieten noch günstiger. Auch ihr Sohn Myles soll mit einziehen. Doch dann ereignet sich die große Tragödie ihres Lebens. Ihr Sohn ist Journalist und dreht zu diesem Zeitpunkt einen Film über Kindersoldaten in Ruanda. Er gerät in einen Schusswechsel. Myles stirbt:
"Da ich dieses Gebäude hier schon besorgt hatte, wollte ich, dass er hier wohnen und auch an dem Film arbeiten könnte. Und als er dann starb, als er tot war, habe ich gesagt, o.k., es war immer sein Raum und jetzt muss er auch nach ihm benannt werden und wir machen was damit. Und am Anfang haben ein Freund und ich das als Theater benutzt und Vorführungen gemacht und dann hat es sich ganz schnell in eine Galerie umgewandelt."
Heute ist beides hier: Hanne Tierneys Atelier im hinteren, die Galerie im vorderen Teil des Gebäudes. Hanne Tierney ist die erste weiße Galeristin in dieser Gegend:
"Es war von Anfang an so - es kamen immer alle rein die Nachbarn waren riesig froh, dass diese alte Rattengarage, das war so ganz eingefallen und von Ratten zerfressen und die Nachbarn waren alle riesig froh, dass hier mal was passiert. Und außerdem wir mochten uns alle gut leiden. Die Kinder kamen immer rein, weil hier mehr Platz war und dann lagen sie in der Galerie auf dem Bauch und machten hier ihre Schularbeiten. Und im Sommer haben wir dann aus lauter Spaß an der Freude ein Festival gemacht, mit Barbecues und die Kinder haben Tanzvorstellungen gemacht und andere Leute haben gesungen und vorgeführt und das ist dann so geblieben."
Nach dem Tod ihres Sohnes hat sich Hanne Tierney ins Leben gestürzt. Zur Vernissage ist an diesem Abend die halbe Nachbarschaft gekommen. Gemeinsam mit Kuratoren, Sammlern und Kunstliebhabern sehen sie sich die glitzernde Aluwelt von Edouard Steinhauer an. Drei Arbeiten sind schon verkauft. Hanne Tierney ist zufrieden - auch weil ihr gelungen ist, die schwarze und die weiße Kunstwelt ein Stück näher zusammen zu bringen:
"Und dann ist natürlich so: Ein Künstler kennt dann den anderen. Die meisten weißen Galerien kennen ja die schwarzen Künstler gar nicht. Und wenn es einmal anfängt, dann schlagen Künstler andere vor und die kommen dann vorbei..."
Weitere Informationen:
Homepage Galerie Five Myles
Homepage von Hanne Tierney
Hanne Tierney hat sich unter die Besucher gemischt. Heute ist Ausstellungseröffnung in ihrer Galerie Five Myles in Brooklyn. Der amerikanisch-haitianische Künstler Edouard Steinhauer hat den Raum in eine glitzernde Landschaft verwandelt. Seine Arbeiten sind mit Alufolie beklebt, in der Mitte des Raumes dreht sich über den Köpfen der Besucher etwas, das aussieht wie ein riesiges Radargerät. Schwarze Künstler kommen in den etablierten Galerien in Chelsea nur schwer unter. Bei Five Myles sind fast die Hälfte Afroamerikaner:
"Es ist ganz natürlich so gekommen. Es ist einfach so, diese Galerien da sitzt dann jemand am Schreibtisch und da stehen dann Orchideen, und für jemanden da reinzugehen und zu sagen, ach könnte ich vielleicht mal meine Arbeit zeigen, das ist einfach einschüchternd. Hier ist das viel einfacher."
Hier, das ist mitten in Brooklyn, nicht weit vom Brooklyn Museum. Als die Galerie vor dreizehn Jahren hier eröffnete, wohnten in dieser Gegend fast nur Schwarze. Vor allem bei Weißen hatte das Viertel einen schlechten Ruf. Sie mieden den Stadtteil aus Angst vor Überfällen, Mord und Drogenkriminalität. Hanne Tierney entschied sich trotzdem, hier ihre Galerie aufzumachen. Heute ist Five Myles aus dem Viertel nicht mehr wegzudenken. Hier treffen sich alle: Künstler, Kuratoren und Nachbarn.
Hanne Tierney kommt 1959 nach New York. Sie ist neunzehn Jahre alt und hat einen Job als Au-Pair-Mädchen angenommen. Aufgewachsen ist sie in der einem kleinen Dorf in der Oberlausitz. Sie entflieht dem Nachkriegsdeutschland, der Enge auf dem Land und bricht auf - nach Amerika:
"Ich war wirklich culture geschockt. Was mich am meisten fertig gemacht hat war, dass die Frauen alle so irre jung aussahen. Wir hatten ja letzten Endes gerade den Krieg hinter uns gebracht und gerade in Ostdeutschland, ich meine so sahen die Frauen einfach nicht aus. Und dann überall dieses Essen - Du konntest den Eisschrank aufmachen und es gab überall Essen. Und alle waren glücklich und die Sonne schien immer zu scheinen (lacht) so zumindest habe ich das in Erinnerung."
Hanne Tierney verliebt sich - in die Stadt und ihren Mann, mit dem sie zwei Kinder bekommt. Ende der 60er-Jahre zieht sie mit der ganzen Familie ins Chelsea Hotel - an den Ort, an dem kurz vorher noch Künstler wie Jimi Hendrix, Patti Smith und Robert Mapplethorpe lebten. Hanne Tierney will Schriftstellerin werden, doch sie findet sich nicht gut genug. Sie besetzt eine Fabriketage in SoHo und beginnt, mit der Kunst zu experimentieren und ihre eigene Form zu finden - zwischen Jazzmusikern und Minimalisten:
"Ich lebe auf der Wouster Street und alle Minimalisten wohnten auf der Wouster Street und dann gab es das Food Restaurant, wo jeder aß und jeder kochte. Da haben wir immer alle einmal in der Woche für das Publikum gekocht - es gab nur ein Gericht. Und alle haben zusammen gearbeitet und man hat zum ersten mal richtig verstanden, was Raum bedeutet. Dass man den mit dazu nehmen muss. Oder zumindest haben die Minimalisten das mit dazu genommen. Und ich bin ja letzten Endes immer noch ein Minimalist. Das interessiert mich immer noch am meisten."
Hanne Tierney findet ihre Kunstform zwischen Theater, Literatur und Performance. Gerade probt sie ihr neues Stück. Hunderte Schnüre hat sie entlang der Zimmerdecke gespannt. An ihnen hängen schillernde Stoffbahnen aus chinesischer Seide wie Gespenster im Raum. Wenn Hanne Tierney an den Schnüren zieht, bewegen sich die Stoffe wie Marionetten.
Es liegt am Zuschauer diese Bewegungen als Gesten zu interpretieren. Fürsorge, Liebe, Trauer - all das drückt Hanne Tierney mit einem Stück Stoff aus. Hanne Tierney braucht Platz für ihre Kunst - auch deshalb entscheidet sie sich 1999 mit ihrem Atelier nach Brooklyn zu ziehen. Dort sind die Mieten noch günstiger. Auch ihr Sohn Myles soll mit einziehen. Doch dann ereignet sich die große Tragödie ihres Lebens. Ihr Sohn ist Journalist und dreht zu diesem Zeitpunkt einen Film über Kindersoldaten in Ruanda. Er gerät in einen Schusswechsel. Myles stirbt:
"Da ich dieses Gebäude hier schon besorgt hatte, wollte ich, dass er hier wohnen und auch an dem Film arbeiten könnte. Und als er dann starb, als er tot war, habe ich gesagt, o.k., es war immer sein Raum und jetzt muss er auch nach ihm benannt werden und wir machen was damit. Und am Anfang haben ein Freund und ich das als Theater benutzt und Vorführungen gemacht und dann hat es sich ganz schnell in eine Galerie umgewandelt."
Heute ist beides hier: Hanne Tierneys Atelier im hinteren, die Galerie im vorderen Teil des Gebäudes. Hanne Tierney ist die erste weiße Galeristin in dieser Gegend:
"Es war von Anfang an so - es kamen immer alle rein die Nachbarn waren riesig froh, dass diese alte Rattengarage, das war so ganz eingefallen und von Ratten zerfressen und die Nachbarn waren alle riesig froh, dass hier mal was passiert. Und außerdem wir mochten uns alle gut leiden. Die Kinder kamen immer rein, weil hier mehr Platz war und dann lagen sie in der Galerie auf dem Bauch und machten hier ihre Schularbeiten. Und im Sommer haben wir dann aus lauter Spaß an der Freude ein Festival gemacht, mit Barbecues und die Kinder haben Tanzvorstellungen gemacht und andere Leute haben gesungen und vorgeführt und das ist dann so geblieben."
Nach dem Tod ihres Sohnes hat sich Hanne Tierney ins Leben gestürzt. Zur Vernissage ist an diesem Abend die halbe Nachbarschaft gekommen. Gemeinsam mit Kuratoren, Sammlern und Kunstliebhabern sehen sie sich die glitzernde Aluwelt von Edouard Steinhauer an. Drei Arbeiten sind schon verkauft. Hanne Tierney ist zufrieden - auch weil ihr gelungen ist, die schwarze und die weiße Kunstwelt ein Stück näher zusammen zu bringen:
"Und dann ist natürlich so: Ein Künstler kennt dann den anderen. Die meisten weißen Galerien kennen ja die schwarzen Künstler gar nicht. Und wenn es einmal anfängt, dann schlagen Künstler andere vor und die kommen dann vorbei..."
Weitere Informationen:
Homepage Galerie Five Myles
Homepage von Hanne Tierney