Zwischen den Geschlechtern

Von Franziska Schiller · 24.03.2006
Wann ist ein Mann ein Mann? Oder eigentlich eine Frau? Oder gibt es ein drittes Geschlecht? Terre Thaemlitz ist auf der Suche nach Antworten. In Tokio ist Thaemlitz schon lange eine Untergrundikone. In Berlin hat er jetzt auf dem MaerzMusik-Festival für aktuelle Musik sein Projekt "Trans-Sister-Radio" vorgestellt.
"Trans-Sister-Radio is Sketch-Comedy, vermischt mit persönlichen Erzählungen. Es geht um Trans-Genderism und darum, wie wir uns im jeweils anderen Geschlecht in der Gesellschaft frei oder nicht frei bewegen können. Es ist ein sehr persönliches Thema. Ich bin vor ein paar Jahren nach Japan gezogen, aber ich habe kein permanentes Visum. Ich bin Trans-Gender und für mich persönlich ist es schwer, mit dieser Unsicherheit umzugehen."

Trans Gender, das heißt soviel wie "zwischen den Geschlechtern", "weder Mann noch Frau" - oder beides gleichzeitig. Terre Thaemlitz ist mehrfach ausgezeichneter Multimedia-Produzent, Szene-DJ in Tokio mit eigenem Plattenlabel. In Berlin tritt er als "sie" auf - spielt mit den Grenzen von Sprache, Genre und Geschlecht.

Sie versucht Autobiographie und soziologische Feldforschung, wenn sie mit dem Knopfmikrofon im Ärmel Flugzeugstewardessen und Grenzbeamte nach ihren Erfahrungen mit "transgender persons" befragt.

"Entschuldigung ... Sind Sie Flughafenmitarbeiter oder Security?"
"Ich mache eine Studie über zwischen-geschlechtliche Passagiere – Männer, die sich wie Frauen kleiden oder umgekehrt - Haben schon mal welche erlebt? Nicht die richtige Zeit, oh..."

Trans-Gender ist für Terre Thaemlitz ein schon früh und sehr körperlich erlebter Seins-Zwang. Festzustellen, dass der eigene Körper das falsche Geschlecht hat oder noch zehrender, sich auf keines der beiden bekannten festlegen lässt.

"Meine Eltern haben mir einen Spanischen Frauennamen gegen, Nicht wie meine Brüder, Carl and John. Terre haben sie mich genannt, in der weiblichen Form mit einem "e" am Ende. Dann kam ich in die Schule. Ich weiß nicht, warum, aber die Jungen wollten nie, dass ich mit ihnen sitze, also habe ich mit den Mädchen gegessen. Von dort kam auch eine Art von Ablehnung. Als ich Teenager war, hatte ich eine grundlegende Frage noch nicht geklärt: Was ist mein Geschlecht?"

Mit 18 Jahren zieht Terre Thaemlitz zieht New York, in die Stadt der ungeahnten Möglichkeiten - und stößt dort nicht auf mehr Verständnis als in seiner Heimatstadt Missouri.

"Ich war gerade sechs Monate in New York, fuhr mit der Bahn, da tauchen diese schrillen Jungs aus Puerto Rico auf, Drag Queens, als Partylöwinnen gekleidet. Ich dachte noch, Wow die sind heiß, da fängt die eine an, mich anzuschreien. Später schleiften die mich Queens an den Haaren über den Bahnsteig. Da kam einfach keiner zur Hilfe. Warum?"

Das eingespielte Lachen konterkariert die gewalttätige Erzählung. Terre Thaemlitz spielt mit den Geschlechter-Rollen, fragt nach den Brüchen und Brücken zwischen Mann und Frau, deckt gesellschaftliche Restriktionen auf und nimmt das Publikum mit auf die Reise hin zu ganz alltäglichen Verwirrungen des Lebens zwischen den Geschlechtern.

"Also ich empfehle jedem, mindestens einmal im Leben Kleider zu kaufen, die für das andere Geschlecht gemacht sind. Probiert sie gleich im Laden aus und versucht sie dann zu kaufen. Dann tragt sie einen Tag lang, geht in die Bank, oder einkaufen und spürt, wie ihr plötzlich anders gesehen werdet und wie sich das für euch selber anspürt, unangenehm oder bequem. Viele haben diese idealistische Idee, die Gesellschaft wäre offen ... Es ist schwierig, diese Konfrontation immer wieder zu leben. "

Terre Thaemlitz´ Live-Performance ist die erste Zusammenarbeit mit Saki, einer japanischen Künstlerin, die früher ein Mann war. Sie empfindet die japanische Erfahrung als offener, weit positiver. Über Jahrhunderte hinweg ist in Japan die Tradition des "Dritten Geschlechts" lebendig geblieben. Bildhübsche Jungen, die sogenannten "wakashu" boys erfreuten beide Geschlechter als Gespielen.

Wo Terre Thaemlitz lebt, ist ihm im Grunde egal, Berlin und Tokio sind seine Favoriten. Und Tokio ist eine langsame Stadt. Aha!

"Japan hat das Image eines Landes mit einer ultraschnellen Geschwindigkeit. Aber wenn Millionen Menschen aufeinander hocken, dann sind die Straßen so vollgestopft, da kann man sich gar nicht wirklich bewegen. In einer Art ist das Leben in Tokio ruhiger als auf dem Land. Man hetzt nicht ständig herum. Es ist bizarr, man kann ein stilles Leben zwischen all den Menschen haben."