Zwiesprache zwischen zwei Trinkern und Denkern
Ein ehemaliger Verleger, inzwischen trockener Alkoholiker, besucht am liebsten den Zoo. Sein Doppelgänger, Freund und Rivale in "Der Schatten der Tiere" ist ein trinkender Mathematiker. Als Dritte im Bunde agiert eine Frau. Mathias Gatza, einst selbst Verleger, später Lektor bei Suhrkamp, hat ein Buch geschrieben, das zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist.
Mathias Gatza ist kein Unbekannter in der deutschen Verlagslandschaft: Nachdem er mit einem ehrgeizigen und etwas tollkühnen Kleinverlag wirtschaftlich nicht hatte überleben können, arbeitete er als Lektor – zuletzt beim Suhrkamp Verlag. Sein Roman enthält vieles, das nur im intensiven Umgang mit Literatur und mit Sprache entstehen kann: so etwas wie eine an langjähriger Beobachtung des Literaturbetriebs geschulte, äußerst bissige Darstellung der Trinkgewohnheiten des Milieus - oder so feine, finstere Sätze wie dieser: "Beim Lesen, denke ich immer, hat man die starren, fernen Augen eines Toten."
Die eine der drei Hauptfiguren, der Ich-Erzähler, ist ein ehemaliger Verleger, der sich in einer alkoholischen Existenzkrise von allem zurückgezogen hat: seinem Verlag, seinem Zuhause, seiner Ehe, seiner Tochter, seinen Freunden. Sein Leben als trockener Alkoholiker besteht vor allem in regelmäßigen Besuchen bei den Tieren im Zoo. Zweite Hauptfigur ist der trinkende Mathematiker Braun, dessen Leiche irgendwann nach einem Besuch des Verlegers gefunden wird. Die beiden Männer sind seltsam komplementär miteinander verschränkt, sie sind Doppelgänger, Antagonisten, Freunde und Rivalen. Zu beiden gehört eine Frau, die einmal Pianistin und die Frau des Mathematikers war und zur Geliebten des Verlegers wird.
"Ich trinke meist genau bis zu dem Punkt, an dem ich die Sprache vertrieben habe und das Spiel mit der Zeit anfängt." Was der Mathematiker in freundlicher Verneigung vor Malcolm Lowry, dem Romancier des Alkohols, in sein Tagebuch notiert, könnte man auch als Motto des Romans auffassen: Mathias Gatza reizt die Sprache aus, er macht wunderschöne Sätze aus ihr und völlig überflüssige. Er fragt, wozu sie gut ist (er hat, natürlich, seinen Wittgenstein gelesen) und wozu sie schlecht ist, und ob die Mathematik und das Schweigen der Tiere nicht einfach besser sind für einsame Männer.
Konsequenterweise wirft er auch als Erzähler die Chronologie über den Haufen, die Logik und, wenn er schon dabei ist, die Dramaturgie seiner Geschichte gleich mit. Das unterscheidet dieses Buch zwar angenehm von all den kreuzbraven, kerzengerade heruntererzählten Romanen, mit denen uns die gegenwärtige Literatur reichlich beschenkt. Aber es ist deshalb eben auch ein Buch, das niemanden mitreißt. Es ist einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt: Es denkt, es mokiert sich, es spielt und debattiert vor sich hin und hat es gar nicht nötig, verstanden zu werden. Der Leser ist eigentlich überflüssig bei dieser Zwiesprache zwischen zwei Trinkern, Denkern und Soziopathen, zwischen einem Ich und noch einem Ich.
Rezensiert von Katharina Döbler
Mathias Gatza: Der Schatten der Tiere
Roman, Rowohlt Verlag, Reinbek 2008, geb.
400 Seiten, 19,90 Euro
Die eine der drei Hauptfiguren, der Ich-Erzähler, ist ein ehemaliger Verleger, der sich in einer alkoholischen Existenzkrise von allem zurückgezogen hat: seinem Verlag, seinem Zuhause, seiner Ehe, seiner Tochter, seinen Freunden. Sein Leben als trockener Alkoholiker besteht vor allem in regelmäßigen Besuchen bei den Tieren im Zoo. Zweite Hauptfigur ist der trinkende Mathematiker Braun, dessen Leiche irgendwann nach einem Besuch des Verlegers gefunden wird. Die beiden Männer sind seltsam komplementär miteinander verschränkt, sie sind Doppelgänger, Antagonisten, Freunde und Rivalen. Zu beiden gehört eine Frau, die einmal Pianistin und die Frau des Mathematikers war und zur Geliebten des Verlegers wird.
"Ich trinke meist genau bis zu dem Punkt, an dem ich die Sprache vertrieben habe und das Spiel mit der Zeit anfängt." Was der Mathematiker in freundlicher Verneigung vor Malcolm Lowry, dem Romancier des Alkohols, in sein Tagebuch notiert, könnte man auch als Motto des Romans auffassen: Mathias Gatza reizt die Sprache aus, er macht wunderschöne Sätze aus ihr und völlig überflüssige. Er fragt, wozu sie gut ist (er hat, natürlich, seinen Wittgenstein gelesen) und wozu sie schlecht ist, und ob die Mathematik und das Schweigen der Tiere nicht einfach besser sind für einsame Männer.
Konsequenterweise wirft er auch als Erzähler die Chronologie über den Haufen, die Logik und, wenn er schon dabei ist, die Dramaturgie seiner Geschichte gleich mit. Das unterscheidet dieses Buch zwar angenehm von all den kreuzbraven, kerzengerade heruntererzählten Romanen, mit denen uns die gegenwärtige Literatur reichlich beschenkt. Aber es ist deshalb eben auch ein Buch, das niemanden mitreißt. Es ist einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt: Es denkt, es mokiert sich, es spielt und debattiert vor sich hin und hat es gar nicht nötig, verstanden zu werden. Der Leser ist eigentlich überflüssig bei dieser Zwiesprache zwischen zwei Trinkern, Denkern und Soziopathen, zwischen einem Ich und noch einem Ich.
Rezensiert von Katharina Döbler
Mathias Gatza: Der Schatten der Tiere
Roman, Rowohlt Verlag, Reinbek 2008, geb.
400 Seiten, 19,90 Euro