Zweimal Tristan
Richard Wagners Klassiker "Tristan und Isolde" war am Wochenende zweimal auf den Bühnen zu sehen: In der Kölner Inszenierung von David Poutney konnten die wenigen Augenblicke unfreiwilliger Komik das lange Lied von Konzeptionslosigkeit und gedanklicher Ödnis nicht retten. Ganz anders hingegen im Hessischen Staatstheater Wiesbaden: Regisseur Dietrich Hilsdorf inszenierte einen Abend der intellektuellen Spannung und der unmittelbar emotionalen Wucht.
In jedem Opernhaus findet lange vor Probenbeginn eine sogenannte Bauprobe statt. Hier überprüfen die Beteiligten, ob sich die Vorstellungen des Bühnenbildners auch umsetzen lassen. Spätestens bei diesem Termin hätten der Intendant Peter Raddatz und der Generalmusikdirektor Markus Stenz den Bühnenbildner Robert Israel aufhalten müssen.
Denn er hat für den ersten und dritten Aufzug die gesamte Bühne inklusive Boden mit Stoff ausschlagen lassen und lässt auch noch für einen Großteil der Oper einen Gazevorhang zwischen Bühne und Zuschauerraum herunter.
Nun hat das Kölner Opernhaus ohnehin eine problematische Akustik, was dem Intendanten Raddatz und dem Generalmusikdirektor Stenz bekannt sein dürfte. Wenn das Bühnenbild aus schallschluckendem Stoff besteht und noch dazu der Gazevorhang herabgelassen ist, hätten wahrscheinlich auch Birgit Nilsson und Lauritz Melchior Schwierigkeiten gehabt, in der Kölner Oper gehört zu werden.
Da Markus Stenz die Titelpartien mit Annalena Persson und Richard Decker geradezu grotesk unterbesetzt hatte, kam von den beiden so gut wie nichts im Zuschauerraum an, auch wenn Stenz das Gürzenichorchester permanent zu leisem Spiel anhielt und so auch noch die großen, eigentlich geradezu wollüstigen Passagen austrocknete. Einzig Samuel Youn (Kurwenal) und Alfred Reiter (König Marke) hatten starke Momente.
Im zweiten Akt lässt der Regisseur David Poutney das Liebespaar auf einem bunt angemalten Sperrmüllhaufen herumklettern, ansonsten wird vor allem gestanden und gelegentlich gestolpert. Die wenigen Augenblicke unfreiwilliger Komik können dieses lange Lied von Konzeptionslosigkeit und gedanklicher Ödnis nicht retten.
Ganz anders hingegen im Hessischen Staatstheater Wiesbaden: Auch hier wird durchaus nicht unproblematisch gesungen. Die Stimme von Alfons Eberz (Tristan) ist nicht schön und sein Verhältnis zur vorgeschriebenen Tonhöhe ist äußerst eigenwillig. Doch er versucht wenigstens, die Rolle musikalisch zu gestalten, ebenso wie Turis Karlsen (Isolde), die ebenfalls an ihre stimmlichen Grenzen stößt - herausragend ist allerdings die Brangäne der Silvia Hablowetz.
Der Dirigent Marc Piollet hat das Orchester nicht immer im Griff, übt wenig Kontrolle über den Klang aus. (Das Englisch-Horn-Solo ist jedoch betörend.) Die musikalischen Kompromisse werden aber mehr als aufgewogen durch eine Inszenierung, die einerseits eine moderne Stückübermalung ist, andererseits genau aus der Partitur und aus Wagners Quellen gearbeitet wurde.
Der Bühnenbildner Dieter Richter hat einen ebenso atmosphärisch dichten wie akustisch hilfreichen Gefängnisraum für den ersten und dritten Aufzug bauen lassen, sowie den Sommersaal eines heruntergekommen Landsitzes für den zweiten. Die Geschichte spielt nicht mehr in einem fantasierten Mittelalter des 19. Jahrhunderts, sondern zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Militärregime.
Alles Maritime ist gestrichen, stattdessen ist Isolde inhaftiert und imaginiert bloß die Seereise. Sie verliebt sich in einen der Schergen des Militärregimes, das vom alten König Marke im Rollstuhl angeführt wird. Im zweiten Aufzug bricht die militarisierte Gesellschaft in das Liebesidyll von Tristan und Isolde ein, Tristan wird verwundet und im König Marke Rollstuhl von seinen Getreuen fortgeschafft. Im dritten Aufzug sitzt Tristan in der gleichen trostlosen Gefängniszelle wie zuvor Isolde.
Dietrich Hilsdorf ist grandios im Aufzeigen von Personenkonstellationen. Während die Protagonisten allein gelegentlich blass bleiben, gelingen dem Regisseur in den Ensembleszenen überwältigende Soziogramme einer brutalisierten Gesellschaft. In der Gefängniszelle kommt es zu einem gruseligen Gewaltexzess, den kaum einer der Beteiligten überlebt.
Tristan kippt unspektakulär vom Bett und gerät völlig aus dem Blickfeld. Isolde wird mit verbundenen Augen hereingeführt und hält zunächst den zynischen König Marke für Tristan, dessen Platz er eingenommen hat. Dietrich Hilsdorf und sein Bühnenbildner Dieter Richter zeigen eine frustrierte Gesellschaft, in der alle Akteure ihre Leben vergeuden, weil sie sich nicht zu ihren Bedürfnissen bekennen können.
Nur für einen kleinen Moment im Liebesduett treten Tristan und Isolde aus dem Rahmen heraus, doch auch dieser Augenblick kann nicht von Dauer sein. Isoldes versöhnlicher "Liebestod" wird (wie auch in der Partitur) konsequent vom Rest der Oper abgetrennt und hat nichts Tröstendes mehr: Hier stirbt jeder für sich einen banalen Tod.
Selbstverständlich zahlt Hilsdorf für seinen selbstbewussten, eigenwilligen und konsequenten Zugriff auf eines der Zentralwerke des 19. Jahrhunderts einen Preis. Die Inszenierung begibt sich phasenweise in Reibung mit dem Libretto und stört liebgewordene Sehgewohnheiten. Doch ist er aufrichtig genug, im Programmheft die ursprüngliche Inhaltsangabe drucken zu lassen und das Libretto in den Übertiteln zu zeigen.
Ein Abend der intellektuellen Spannung und der unmittelbar emotionalen Wucht, der weite Assoziationsräume öffnet und beim längeren Nachdenken darüber immer besser wird.
Denn er hat für den ersten und dritten Aufzug die gesamte Bühne inklusive Boden mit Stoff ausschlagen lassen und lässt auch noch für einen Großteil der Oper einen Gazevorhang zwischen Bühne und Zuschauerraum herunter.
Nun hat das Kölner Opernhaus ohnehin eine problematische Akustik, was dem Intendanten Raddatz und dem Generalmusikdirektor Stenz bekannt sein dürfte. Wenn das Bühnenbild aus schallschluckendem Stoff besteht und noch dazu der Gazevorhang herabgelassen ist, hätten wahrscheinlich auch Birgit Nilsson und Lauritz Melchior Schwierigkeiten gehabt, in der Kölner Oper gehört zu werden.
Da Markus Stenz die Titelpartien mit Annalena Persson und Richard Decker geradezu grotesk unterbesetzt hatte, kam von den beiden so gut wie nichts im Zuschauerraum an, auch wenn Stenz das Gürzenichorchester permanent zu leisem Spiel anhielt und so auch noch die großen, eigentlich geradezu wollüstigen Passagen austrocknete. Einzig Samuel Youn (Kurwenal) und Alfred Reiter (König Marke) hatten starke Momente.
Im zweiten Akt lässt der Regisseur David Poutney das Liebespaar auf einem bunt angemalten Sperrmüllhaufen herumklettern, ansonsten wird vor allem gestanden und gelegentlich gestolpert. Die wenigen Augenblicke unfreiwilliger Komik können dieses lange Lied von Konzeptionslosigkeit und gedanklicher Ödnis nicht retten.
Ganz anders hingegen im Hessischen Staatstheater Wiesbaden: Auch hier wird durchaus nicht unproblematisch gesungen. Die Stimme von Alfons Eberz (Tristan) ist nicht schön und sein Verhältnis zur vorgeschriebenen Tonhöhe ist äußerst eigenwillig. Doch er versucht wenigstens, die Rolle musikalisch zu gestalten, ebenso wie Turis Karlsen (Isolde), die ebenfalls an ihre stimmlichen Grenzen stößt - herausragend ist allerdings die Brangäne der Silvia Hablowetz.
Der Dirigent Marc Piollet hat das Orchester nicht immer im Griff, übt wenig Kontrolle über den Klang aus. (Das Englisch-Horn-Solo ist jedoch betörend.) Die musikalischen Kompromisse werden aber mehr als aufgewogen durch eine Inszenierung, die einerseits eine moderne Stückübermalung ist, andererseits genau aus der Partitur und aus Wagners Quellen gearbeitet wurde.
Der Bühnenbildner Dieter Richter hat einen ebenso atmosphärisch dichten wie akustisch hilfreichen Gefängnisraum für den ersten und dritten Aufzug bauen lassen, sowie den Sommersaal eines heruntergekommen Landsitzes für den zweiten. Die Geschichte spielt nicht mehr in einem fantasierten Mittelalter des 19. Jahrhunderts, sondern zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Militärregime.
Alles Maritime ist gestrichen, stattdessen ist Isolde inhaftiert und imaginiert bloß die Seereise. Sie verliebt sich in einen der Schergen des Militärregimes, das vom alten König Marke im Rollstuhl angeführt wird. Im zweiten Aufzug bricht die militarisierte Gesellschaft in das Liebesidyll von Tristan und Isolde ein, Tristan wird verwundet und im König Marke Rollstuhl von seinen Getreuen fortgeschafft. Im dritten Aufzug sitzt Tristan in der gleichen trostlosen Gefängniszelle wie zuvor Isolde.
Dietrich Hilsdorf ist grandios im Aufzeigen von Personenkonstellationen. Während die Protagonisten allein gelegentlich blass bleiben, gelingen dem Regisseur in den Ensembleszenen überwältigende Soziogramme einer brutalisierten Gesellschaft. In der Gefängniszelle kommt es zu einem gruseligen Gewaltexzess, den kaum einer der Beteiligten überlebt.
Tristan kippt unspektakulär vom Bett und gerät völlig aus dem Blickfeld. Isolde wird mit verbundenen Augen hereingeführt und hält zunächst den zynischen König Marke für Tristan, dessen Platz er eingenommen hat. Dietrich Hilsdorf und sein Bühnenbildner Dieter Richter zeigen eine frustrierte Gesellschaft, in der alle Akteure ihre Leben vergeuden, weil sie sich nicht zu ihren Bedürfnissen bekennen können.
Nur für einen kleinen Moment im Liebesduett treten Tristan und Isolde aus dem Rahmen heraus, doch auch dieser Augenblick kann nicht von Dauer sein. Isoldes versöhnlicher "Liebestod" wird (wie auch in der Partitur) konsequent vom Rest der Oper abgetrennt und hat nichts Tröstendes mehr: Hier stirbt jeder für sich einen banalen Tod.
Selbstverständlich zahlt Hilsdorf für seinen selbstbewussten, eigenwilligen und konsequenten Zugriff auf eines der Zentralwerke des 19. Jahrhunderts einen Preis. Die Inszenierung begibt sich phasenweise in Reibung mit dem Libretto und stört liebgewordene Sehgewohnheiten. Doch ist er aufrichtig genug, im Programmheft die ursprüngliche Inhaltsangabe drucken zu lassen und das Libretto in den Übertiteln zu zeigen.
Ein Abend der intellektuellen Spannung und der unmittelbar emotionalen Wucht, der weite Assoziationsräume öffnet und beim längeren Nachdenken darüber immer besser wird.