Zweifel am „Geuro“
Um den Euro für Griechenland – unabhängig vom Wahlausgang – zu erhalten, denken Volkswirte unter anderem über eine Parallelwährung nach. Funktionieren würde der „Geuro“ aber nur, wenn Griechenland kreditwürdig wäre, sagt der Wirtschafshistoriker Carl-Ludwig Holtfrerich.
Jan-Christoph Kitzler: Die Krisenszenarien werden schon durchgespielt für den Fall, dass Griechenland nach den Neuwahlen am 17. Juni vollends im politischen Chaos versinkt. Bisher wurde immer nur die Variante „mit gehangen, mit gefangen“ diskutiert, Griechenland bleibt im Euro und alle müssen zahlen, oder eine andere Variante, Griechenland fliegt raus, kehrt zurück zur Drachme und damit wird die griechische Wirtschaft irgendwie sich selbst überlassen. Jetzt gibt es möglicherweise einen dritten Weg: eine Parallelwährung neben dem Euro. Vielleicht kennen Sie das ja aus Filmen über die Nachkriegszeit. Da tauchen immer wieder Zigaretten auf als das eigentliche Zahlungsmittel. Ökonomen schlagen nun nicht gerade Zigaretten vor, aber zum Beispiel eine Art Griechen-Euro, den Geuro, als Parallelwährung. Kann das funktionieren? – Darüber spreche ich jetzt mit dem Wirtschaftshistoriker Carl-Ludwig Holtfrerich, emeritierter Professor der Freien Universität Berlin. Schönen guten Morgen!
Carl-Ludwig Holtfrerich: Ja guten Morgen!
Kitzler: Ich fürchte, wir müssen es noch einmal erklären. Wie funktioniert denn so eine Art Parallelwährung?
Holtfrerich: Parallelwährung bedeutet, dass es neben der offiziellen Währung eine zweite Währung gibt, die aber mit der offiziellen Währung nicht in einem festen Kursverhältnis steht – im Gegensatz zur Doppelwährung, wie man das früher hatte. Gold und Silber, Münzen zum Beispiel, die stehen in einem festen Wertverhältnis, dann vom Staat festgelegt, das wäre eine Doppelwährung. Aber eine Parallelwährung, da gibt es zwei Währungen, die in Konkurrenz zueinander stehen, und da wird es dem Nutzer überlassen, für welche Währung, für die Annahme welcher Währung er sich entscheidet, und da setzt sich im allgemeinen die härtere Währung durch, denn man lässt sich ja ungern in einer schlechteren Währung bezahlen. Bei der Doppelwährung ist es anders: da setzt sich dann das schlechte Geld durch, das also bei Gold und Silber am Markt billiger wäre als das andere Währungsmetall, denn wenn man die Münzen frei ausprägen kann, also zur staatlichen Münze gehen konnte in früheren Zeiten, dann konnte man das billigere Metall am Markt kaufen, zur staatlichen Münze gehen, sich das Geld ausprägen lassen, und hatte dadurch einen praktisch nominal höheren Wert als der eigentliche Metallwert war.
Kitzler: Bleiben wir mal bei der Parallelwährung. Ist das denn ein Beispiel, was funktionieren könnte für den Fall Griechenland? Kann die griechische Wirtschaft davon profitieren?
Holtfrerich: Ich bezweifele das. Ich habe den Eindruck, wenn die Parallelwährung – so ist es ja mit dem Geuro geplant – vom Staat ausgegeben wird – das sind ja staatliche Schuldscheine, die man auch als Staatspapiergeld bezeichnen kann, die laufen dann neben dem offiziellen gesetzlichen Zahlungsmittel Euro um – ich bezweifele, dass das funktionieren kann, weil der Staat in Griechenland ja selbst nicht als kreditwürdig gilt, und das wird das Problem sein.
Kitzler: Das heißt, diese Parallelwährung in Griechenland wäre nur eine Wette darauf, die würde nur gelten, wenn der Staat dafür geradestehen könnte?
Holtfrerich: Ja, oder wenn die Hilfsgelder für den Staat in irgendeiner Form weiterlaufen, sagen wir für den Zinsendienst auf die Euro-Schulden, die Griechenland gegenüber anderen Ländern hat.
Kitzler: Aber mit so einer Parallelwährung, zum Beispiel mit dem Namen Geuro, würde die griechische Wirtschaft doch, wenn ich es richtig verstanden habe, wieder deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, oder nicht?
Holtfrerich: Ja, wenn sie akzeptiert würde, wenn sie im Inland akzeptiert würde. Für den Auslandsverkehr hat sie ja keine Bedeutung, denn die Auslandsschulden müssen weiter in Euro bedient werden. Oder aber, der griechische Staat macht Pleite, weil er nicht mehr zahlen kann. Aber es ist ja in Kombination mit der Einführung eines solchen Geuro auch geplant, dass die Hilfsgelder für den Schuldendienst weiterlaufen.
Kitzler: Das heißt, die Schuldenmisere Griechenlands wäre damit noch längst nicht gelöst?
Holtfrerich: Nein, nein! Das einzige, was passieren würde, ist, dass der Geuro sich gegenüber dem Euro abwerten würde, wahrscheinlich drastisch abwerten würde, und wenn jetzt Arbeiter oder Beamte in Geuro bezahlt werden, wird das Kostenniveau bei den Arbeitskosten gegenüber dem Ausland deutlich niedriger und dadurch wird die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähiger. Das könnte eintreten, aber das würde voraussetzen, dass der Geuro akzeptiert wird, auch in der Bezahlung von Löhnen und Gehältern.
Kitzler: Gibt es denn eigentlich historische Beispiele, wo das gut funktioniert hat?
Holtfrerich: Die gibt es. Ich denke zum Beispiel zurück an die amerikanische Geschichte im 18. und 19. Jahrhundert. Da ist es häufig von Seiten der Kolonien oder Einzelstaaten zur Ausgabe eines zweiten Geldes, einer Parallelwährung gekommen. Wenn der Staat irgendwelche Schwierigkeiten hatte, zum Beispiel Soldaten zu finanzieren, dann hat er Staatspapiergeld ausgegeben, das ist durchaus vergleichbar, und das lief dann neben dem offiziellen Geld um. Der Wert dieser Parallelwährung wurde dadurch, sagen wir mal, halbwegs gesichert, dass der Staat zusagte, diese Schuldscheine bei Steuerzahlungen anzunehmen. Das war die eine Variante. Die andere Variante war, dass der Staat diese Parallelwährung zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel machte, neben der offiziellen Währung, und diese Schuldscheine waren ja Papiergeld und die offizielle Währung waren Münzgelder, die aber eben zu knapp waren. Deswegen hat man die Parallelwährung ausgegeben. Und wenn das offizielles Zahlungsmittel war, dann nahm nicht nur der Staat eine solche Währung für Steuerzahlungen an, sondern dann musste Jedermann in der betreffenden Wirtschaft sich in diesem Geld bezahlen lassen.
Kitzler: Wir werden sehen, ob das ein gangbarer Weg ist für Griechenland und die Rettung der griechischen Finanzen. – Das war Carl-Ludwig Holtfrerich, der emeritierte Professor für Wirtschaftsgeschichte der Freien Universität Berlin. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Holtfrerich: Ja ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Was meinen Sie: Könnte der „Geuro“ die Lösung für die griechische Misere sein?
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Carl-Ludwig Holtfrerich: Ja guten Morgen!
Kitzler: Ich fürchte, wir müssen es noch einmal erklären. Wie funktioniert denn so eine Art Parallelwährung?
Holtfrerich: Parallelwährung bedeutet, dass es neben der offiziellen Währung eine zweite Währung gibt, die aber mit der offiziellen Währung nicht in einem festen Kursverhältnis steht – im Gegensatz zur Doppelwährung, wie man das früher hatte. Gold und Silber, Münzen zum Beispiel, die stehen in einem festen Wertverhältnis, dann vom Staat festgelegt, das wäre eine Doppelwährung. Aber eine Parallelwährung, da gibt es zwei Währungen, die in Konkurrenz zueinander stehen, und da wird es dem Nutzer überlassen, für welche Währung, für die Annahme welcher Währung er sich entscheidet, und da setzt sich im allgemeinen die härtere Währung durch, denn man lässt sich ja ungern in einer schlechteren Währung bezahlen. Bei der Doppelwährung ist es anders: da setzt sich dann das schlechte Geld durch, das also bei Gold und Silber am Markt billiger wäre als das andere Währungsmetall, denn wenn man die Münzen frei ausprägen kann, also zur staatlichen Münze gehen konnte in früheren Zeiten, dann konnte man das billigere Metall am Markt kaufen, zur staatlichen Münze gehen, sich das Geld ausprägen lassen, und hatte dadurch einen praktisch nominal höheren Wert als der eigentliche Metallwert war.
Kitzler: Bleiben wir mal bei der Parallelwährung. Ist das denn ein Beispiel, was funktionieren könnte für den Fall Griechenland? Kann die griechische Wirtschaft davon profitieren?
Holtfrerich: Ich bezweifele das. Ich habe den Eindruck, wenn die Parallelwährung – so ist es ja mit dem Geuro geplant – vom Staat ausgegeben wird – das sind ja staatliche Schuldscheine, die man auch als Staatspapiergeld bezeichnen kann, die laufen dann neben dem offiziellen gesetzlichen Zahlungsmittel Euro um – ich bezweifele, dass das funktionieren kann, weil der Staat in Griechenland ja selbst nicht als kreditwürdig gilt, und das wird das Problem sein.
Kitzler: Das heißt, diese Parallelwährung in Griechenland wäre nur eine Wette darauf, die würde nur gelten, wenn der Staat dafür geradestehen könnte?
Holtfrerich: Ja, oder wenn die Hilfsgelder für den Staat in irgendeiner Form weiterlaufen, sagen wir für den Zinsendienst auf die Euro-Schulden, die Griechenland gegenüber anderen Ländern hat.
Kitzler: Aber mit so einer Parallelwährung, zum Beispiel mit dem Namen Geuro, würde die griechische Wirtschaft doch, wenn ich es richtig verstanden habe, wieder deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, oder nicht?
Holtfrerich: Ja, wenn sie akzeptiert würde, wenn sie im Inland akzeptiert würde. Für den Auslandsverkehr hat sie ja keine Bedeutung, denn die Auslandsschulden müssen weiter in Euro bedient werden. Oder aber, der griechische Staat macht Pleite, weil er nicht mehr zahlen kann. Aber es ist ja in Kombination mit der Einführung eines solchen Geuro auch geplant, dass die Hilfsgelder für den Schuldendienst weiterlaufen.
Kitzler: Das heißt, die Schuldenmisere Griechenlands wäre damit noch längst nicht gelöst?
Holtfrerich: Nein, nein! Das einzige, was passieren würde, ist, dass der Geuro sich gegenüber dem Euro abwerten würde, wahrscheinlich drastisch abwerten würde, und wenn jetzt Arbeiter oder Beamte in Geuro bezahlt werden, wird das Kostenniveau bei den Arbeitskosten gegenüber dem Ausland deutlich niedriger und dadurch wird die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähiger. Das könnte eintreten, aber das würde voraussetzen, dass der Geuro akzeptiert wird, auch in der Bezahlung von Löhnen und Gehältern.
Kitzler: Gibt es denn eigentlich historische Beispiele, wo das gut funktioniert hat?
Holtfrerich: Die gibt es. Ich denke zum Beispiel zurück an die amerikanische Geschichte im 18. und 19. Jahrhundert. Da ist es häufig von Seiten der Kolonien oder Einzelstaaten zur Ausgabe eines zweiten Geldes, einer Parallelwährung gekommen. Wenn der Staat irgendwelche Schwierigkeiten hatte, zum Beispiel Soldaten zu finanzieren, dann hat er Staatspapiergeld ausgegeben, das ist durchaus vergleichbar, und das lief dann neben dem offiziellen Geld um. Der Wert dieser Parallelwährung wurde dadurch, sagen wir mal, halbwegs gesichert, dass der Staat zusagte, diese Schuldscheine bei Steuerzahlungen anzunehmen. Das war die eine Variante. Die andere Variante war, dass der Staat diese Parallelwährung zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel machte, neben der offiziellen Währung, und diese Schuldscheine waren ja Papiergeld und die offizielle Währung waren Münzgelder, die aber eben zu knapp waren. Deswegen hat man die Parallelwährung ausgegeben. Und wenn das offizielles Zahlungsmittel war, dann nahm nicht nur der Staat eine solche Währung für Steuerzahlungen an, sondern dann musste Jedermann in der betreffenden Wirtschaft sich in diesem Geld bezahlen lassen.
Kitzler: Wir werden sehen, ob das ein gangbarer Weg ist für Griechenland und die Rettung der griechischen Finanzen. – Das war Carl-Ludwig Holtfrerich, der emeritierte Professor für Wirtschaftsgeschichte der Freien Universität Berlin. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Holtfrerich: Ja ich danke Ihnen.
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