Zwei subversiv-philosophische Romane
Man kennt Cyrano de Bergerac vor allem als den von Gérard Depardieus verkörperten Filmheld. Als Autor ist der Vorläufer der Aufklärung nur wenigen bekannt. In seinen beiden subversiv-philosophischen Romanen, die erstmals ungekürzt auf Deutsch erscheinen, geht es um eine Kritik der Kirche und ihres Weltbildes.
Es gibt wohl kaum einen anderen Autor, der als literarische Figur derartig berühmt wurde wie Savien Cyrano de Bergerac. 1897, fast 250 Jahre nach seinem frühen Tod, feierte er mit triumphalem Erfolg seine Wiederauferstehung als Titelheld eines Theaterstücks von Edmond Rostand, das ihm bis heute währende Popularität verschaffte. Wer erinnerte sich nicht an Gérard Depardieus gewaltige Nase in der Verfilmung von Jean-Paul Rappenau (1989).
Eine Nase ähnlicher Dimension ziert auch das zeitgenössische Portrait des realen Cyrano, doch ist er nicht wie die Figur seines Namens als Verfasser anrührender Liebesbriefe berühmt geworden. Er wandte sich nach kurzer, erfolg- und verletzungsreicher militärischer Laufbahn der Philosophie zu und wurde Schüler von Pierre Gassendi, eines Professors am Collège de France, der seinerzeit fast ebenso bekannt war wie Descartes. Seine Lehren, dass Erkenntnis über die sinnliche Wahrnehmung erfolgt oder die Welt aus Atomen zusammengesetzt ist, machten ihn zwar zu einem bedeutenden Vorläufer der Aufklärung, sein – wohlgemerkt theoretischer – Epikurismus und seine geistige Freizügigkeit hingegen verbannten seine Werke bald in die Giftschränke.
Nicht sehr viel besser erging es den beiden 'Romanen' von Cyrano de Bergerac. Vor 350 Jahren, am 28. Juli 1655, starb er erst 36-jährig an den Folgen eines mysteriösen Unfalls, doch zu Lebzeiten hatte er weder die "Reise zum Mond" noch die unvollendete "Reise zur Sonne" veröffentlicht. Sie erschienen erst Jahre später unter der irreführenden Bezeichnung "roman comique", aber dies konnte keineswegs über die Brisanz der darin vertretenen Thesen hinwegtäuschen.
Wer einen Abenteuerroman erwartet, der kommt höchstens auf den jeweils ersten Seiten auf seine Kosten, wo die aberwitzigen Fortbewegungsmittel des Protagonisten auf seinen Himmelfahrten beschrieben werden. Einmal am Ziel angelangt, geht es in der angeblichen Beschreibung der Mond- und Sonnenbewohner aber primär um eine geharnischte Kritik der Kirche sowie des ptolemäischen Weltbildes.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Galilei 1633 auf Knien hatte seine Erkenntnisse widerrufen müssen, um nicht auf dem Scheiterhaufen der Inquisition zu landen. 1647 wagte Gassendi, die These von der Rotation der Erde um die Sonne wieder öffentlich zu vertreten, fügte allerdings hinzu, dass die Kirche verbot daran zu glauben.
Cyrano nun stellt die Sonne radikal ins Zentrum, macht aus der Erde nur einen von vielen bewohnten Himmelkörpern, aus dem Menschen nur eines von vielen vernunftbegabten Wesen. Er zeigt letztendlich, dass sämtliche Regeln und Verhaltenscodices relativ, das Ergebnis einer Übereinkunft sind, zieht sogar die Existenz Gottes in Zweifel – was er vorsichtshalber einen Mondbewohner vertreten lässt, dem der Erzähler heftig widerspricht – und erklärt, ganz Atomist, dass zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen und Steinen keine wesensmäßigen Unterschiede bestehen.
So liegt der Reiz dieses Buches, trotz diverser amüsanter Einfälle des Autors bei der Beschreibung der 'Außerirdischen', primär in seiner komplexen Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Debatten, die wir heute ohne den ausführlichen Anmerkungsapparat kaum nachzuvollziehen wüssten.
Eine Nase ähnlicher Dimension ziert auch das zeitgenössische Portrait des realen Cyrano, doch ist er nicht wie die Figur seines Namens als Verfasser anrührender Liebesbriefe berühmt geworden. Er wandte sich nach kurzer, erfolg- und verletzungsreicher militärischer Laufbahn der Philosophie zu und wurde Schüler von Pierre Gassendi, eines Professors am Collège de France, der seinerzeit fast ebenso bekannt war wie Descartes. Seine Lehren, dass Erkenntnis über die sinnliche Wahrnehmung erfolgt oder die Welt aus Atomen zusammengesetzt ist, machten ihn zwar zu einem bedeutenden Vorläufer der Aufklärung, sein – wohlgemerkt theoretischer – Epikurismus und seine geistige Freizügigkeit hingegen verbannten seine Werke bald in die Giftschränke.
Nicht sehr viel besser erging es den beiden 'Romanen' von Cyrano de Bergerac. Vor 350 Jahren, am 28. Juli 1655, starb er erst 36-jährig an den Folgen eines mysteriösen Unfalls, doch zu Lebzeiten hatte er weder die "Reise zum Mond" noch die unvollendete "Reise zur Sonne" veröffentlicht. Sie erschienen erst Jahre später unter der irreführenden Bezeichnung "roman comique", aber dies konnte keineswegs über die Brisanz der darin vertretenen Thesen hinwegtäuschen.
Wer einen Abenteuerroman erwartet, der kommt höchstens auf den jeweils ersten Seiten auf seine Kosten, wo die aberwitzigen Fortbewegungsmittel des Protagonisten auf seinen Himmelfahrten beschrieben werden. Einmal am Ziel angelangt, geht es in der angeblichen Beschreibung der Mond- und Sonnenbewohner aber primär um eine geharnischte Kritik der Kirche sowie des ptolemäischen Weltbildes.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Galilei 1633 auf Knien hatte seine Erkenntnisse widerrufen müssen, um nicht auf dem Scheiterhaufen der Inquisition zu landen. 1647 wagte Gassendi, die These von der Rotation der Erde um die Sonne wieder öffentlich zu vertreten, fügte allerdings hinzu, dass die Kirche verbot daran zu glauben.
Cyrano nun stellt die Sonne radikal ins Zentrum, macht aus der Erde nur einen von vielen bewohnten Himmelkörpern, aus dem Menschen nur eines von vielen vernunftbegabten Wesen. Er zeigt letztendlich, dass sämtliche Regeln und Verhaltenscodices relativ, das Ergebnis einer Übereinkunft sind, zieht sogar die Existenz Gottes in Zweifel – was er vorsichtshalber einen Mondbewohner vertreten lässt, dem der Erzähler heftig widerspricht – und erklärt, ganz Atomist, dass zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen und Steinen keine wesensmäßigen Unterschiede bestehen.
So liegt der Reiz dieses Buches, trotz diverser amüsanter Einfälle des Autors bei der Beschreibung der 'Außerirdischen', primär in seiner komplexen Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Debatten, die wir heute ohne den ausführlichen Anmerkungsapparat kaum nachzuvollziehen wüssten.