Zwei Rinder im Wasser

Von Günter Beyer · 10.07.2007
Die Ausstellung im kleinen Ort Ihlienworth bei Cuxhaven stellt Kunst zum Thema Klimawandel in den Mittelpunkt. Die Künstlerin Caroline Laengerer hat zum Beispiel Zweige von Weiden zu den "Sieben Nornen" gebunden, den Schicksalsgöttinnen der nordischen Mythologie. Das Einladungsplakat zeigt zwei Rinder, die in knietiefem Wasser wiederkäuen.
Über der Hauptstraße von Ihlienworth flattern grün-weiße Wimpel im Wind, Werbeschilder laden zum Schützenfest ein. Aber die größere Attraktion der kleinen Gemeinde bei Cuxhaven lockt etwas abseits im Gewerbegebiet: Die Halle, wo früher einmal Kunststoffe geschreddert wurden, beherbergt nun eine Kunstausstellung. Das Einladungsplakat zeigt in realistischer Manier zwei Rinder, die in knietiefem Wasser wiederkäuen.

"Wenn man weiß, was Kuhmägen an Methan emittieren bzw. wie klimaschädlich das Methan ist, dann bekommt so ein eigentlich harmloses Motiv, zwei Rinder im Wasser, ne ganz eigene Brisanz."

... erzählt Samuel Fleiner. Er hat die Ausstellung "Kunst im Klimawandel" konzipiert.

"Interessant ist auch, wie das hier gelesen wird oder gesehen wird. Hier wird das sofort in Verbindung gebracht mit der anstehenden Elbvertiefung und als Statement gegen die Elbvertiefung gelesen."

Kein Wunder, Ihlienworth liegt exakt 20 Zentimeter über Normalnull, und wenn die Deiche brechen, weil der Meeresspiegel ansteigt oder immer heftigere Orkane sich in der vertieften Elbe austoben, ist hier "Land unter".

Für seine Ausstellung mit 40 Künstlerinnen und Künstlern aus zwölf Ländern verfolgt Samuel Fleiner ein pragmatisches Konzept:

"Wir haben Exponate aus Recycling-Materialien, darin steckt eben der Ressourcenschutz-Gedanke, Recycling ist gleich Ressourcenschutz. Oder aber wir haben hier Kunst aus nachwachsenden Rohstoffen, Kunst, die sich mit erneuerbaren Energien beschäftigt."

Da sind zum Beispiel organische, mit der natürlichen Maserung des Holzes spielende hohe Stelen aus heimischem Robinienholz, die der Berliner Bildhauer Alexander Heil zum Thema "Weiblichkeit" geschaffen hat. Mit Draht bindet Caroline Laengerer Zweige von Weidenbäumen zu "Sieben Nornen", den Schicksalsgöttinnen der nordischen Mythologie. Aus tausenden hölzernen Eisstielchen hat Mitsch Thomas mannshohe schornsteinförmige Gebilde zusammengefügt, die er "Ventile" nennt.

Mitsch Thomas: "Es geht da um den Klimawandel, die "Ventile", die haben eine Funktion. Die sollen den schädlichen Druck abbauen, also so eine Art Überdruckventil, der unsere Erde bedroht. Ich sehe die Erde als eine Art Kessel, der zum Platzen mit Druck gefüllt ist, und die Ventile, die sind eher symbolischer Natur, und funktionieren dadurch, dass den Verursachern des Drucks ins Bewusstsein gerufen wird, was sie denn so machen, Tag für Tag."

Für Mitsch Thomas trifft der Klimawandel vor allem die Armen und ohnehin schon Benachteiligten auf dem Globus. Seine raumgreifende Installation mit dem Titel "Ausgrenzung" besteht aus einem Esstisch und sechs Stühlen, die er aus so genannten Nagelplatten hergestellt hat. Das sind Metallplatten, aus denen, wie bei einem Brett für Fakire, Hunderte von Nägeln scharf hervorstehen.

Thomas: "Ist also ne sehr unfreundliche Oberfläche, und der Tisch ist dann wirklich schön gedeckt mit Porzellan und Tafelsilber und Gläsern und prall gefüllten Schüsseln. Aber man kann sich halt nicht hinsetzen."

Industrieabfälle und Müll haben Künstler bereits früher interessiert. Die italienische arte povera kultivierte in den 1960er Jahren die Verwendung einfacher, billiger Materialien. Der Niederländer Jan Henderickse, Pionier der so genannten "Trash Art", an den derzeit eine Retrospektive in Kiel erinnert, fischte Treibgut aus dem Wasser und stellte die Fundstücke zu Assemblagen zusammen. Oder er erklärte Reihen leerer Bierkisten zu Kunstwerken. "Re-Art", Recycling Art, wie Samuel Fleiner sie versteht, setzt sich davon ab:

"Die Trash-Art hat sich mit dem Müll als Problem beschäftigt und hat das problematisiert. Was wir hier zeigen sind Künstler, die tatsächlich aus Abfällen etwas Neues machen, was entweder einen Gebrauchswert hat oder eben einfach ästhetisch schön ist, und dem man seine Abfall-Herkunft gar nicht mehr ansieht."

Die Grenzen zwischen funktionsfreier Kunst und nützlichem Design sind dabei alles andere als scharf. Und wie sollen sie das auch sein bei einem Objekt wie dem durchaus fahrtüchtigen "Konferenz-Fahrrad", bei dem sieben Personen einander im Kreis gegenüber sitzen und kräftig in die Pedalen treten können!

Eine große Rolle spielen erneuerbare Energien als Triebkräfte für allerhand Windspiele, Mobiles und raffinierte Pendel, die der Idee von Schwerelosigkeit und Fliegen huldigen. Das ist nicht neu, bekommt aber im Kontext der Schau seinen eigenen, geradezu philosophischen Reiz.

Bernward Frank, "kinetischer Künstler" aus Aachen, hat ein kleines Fahrzeug mit einem Windrotor auf dem Dach beweglich auf einer Scheibe montiert. "Sisyphos" heißt die Arbeit.

Frank: "Der Sisyphos, der fährt jetzt immer gegen den Wind, und immer, wenn er fast die Kante der Scheibe erreicht hat, dreht die Welt unter ihm sich wieder um 180 Grad zurück, dann muss er wieder kehrtmachen und wieder gegen den Wind fahren, und dann dreht die Scheibe sich wieder zurück, das ist halt der Sisyphos-Effekt."

Mit einer poetischen Arbeit ist Angela Sophia Wagner vertreten. Ihre "Schattenpyramide" besteht aus langen, zu einer Pyramide geformten Bambusstäben, die mit weißem Stoff umspannt sind. Im Innern bewegen sich schemenhaft die Umrisse von Figuren - Anspielung auf Platons berühmtes Höhlengleichnis. Wer in der Höhle sitzt, erkennt nur Schatten der Wirklichkeit; das wahre Ausmaß der Bedrohung bleibt der gefesselten Menschheit verborgen.

Wagner: "Mit Sicherheit glaube ich, dass wir die Tragweite des Klimawandels erst in Ansätzen begriffen haben. Und insofern ist diese Wahrnehmung bisher eher ein kognitiver Akt, und weniger ein Akt des Erfahrens, des Spürens."

Service:

Die Ausstellung "Kunst im Klimawandel" ist in der ehemaligen Schredderhalle in Ihlienworth bis zum 9.September zu sehen, anschließend in Heidelberg und in Dessau.