Zwei Lieben in Deutschland - vor und nach dem Mauerfall

Die Berliner Mauer (1961-1989) teilt Noltes Buch in zwei Geschichten.
Die Berliner Mauer (1961-1989) teilt Noltes Buch in zwei Geschichten. © Deutschlandradio
Von Carolin Fischer |
Auch 20 Jahre nach dem Mauerfall sind der Osten und Westen Deutschlands noch keineswegs zu einer Einheit verschmolzen. Da ist es sicher kein Fehler, daran zu erinnern, dass die Unterschiede zwischen beiden Teilen des Landes nicht erst 1961 durch die Mauer entstanden und folglich eine Gleichheit zwischen Ost und West ungefähr so sinnvoll und wahrscheinlich ist wie zwischen Schleswig-Holstein und Bayern.
Doch hat Mathias Nolte keinen Essay und schon gar keine politische Dokumentation geschrieben, sondern einen leichtfüßigen Unterhaltungsroman, in dem er zwei Liebesgeschichten erzählt. Beide spielen in Berlin, beide gewissermaßen zwischen Ost und West, eine im Jahre 1959 kurz vor dem Mauerbau, die andere knapp ein halbes Jahrhundert später, in der wiedervereinigten Stadt.

Dass die erste der beiden Lieben - reiches Mädchen trifft armen Künstler - tragisch endet, wohingegen der zweiten - reicher Mann trifft armes Mädchen, wenngleich dieses Mädchen schon fast 40 ist - ein glückliches Ende beschieden ist, mag man dem Autor - wie manch anderes Detail - als Klischee vorwerfen.

Insgesamt hat er jedoch beide Geschichten spannend miteinander verwoben, indem die Nachgeborene, Charlie, die das Büro eines Privatdetektivs angemietet hat, um dort ein Buch zu schreiben, durch ein Missverständnis den Auftrag bekommt, Louise zu suchen; allerdings nicht die reale Louise, sondern nach einem Bild, das die erst 19-Jährige in provokanter Pose zeigt: mit gespreizten Beinen rittlings auf einem Thonet-Stuhl, lediglich mit einem blauweiß gestreiften Leibchen bekleidet.

Die Suche nach dem verschollenen Bild von Jonas Jabal, der sich kurz nachdem er es im Sommer 1959 gemalt hatte, noch vor Vollendung des 21. Lebensjahres das Leben nahm, führt Charlie aus dem heutigen Westberlin an den Prenzlauer Berg, wo sie die Spuren der späten Fünfziger sucht und findet. Somit gelingt es Nolte, gleich mehrere Welten aufeinanderprallen zu lassen und verschiedenste gesellschaftliche Spannungen aufzuzeichnen, die indes stets unaufdringlich, aber nicht unbedeutend den Hintergrund der Handlung bilden: die verwöhnte Louise aus dem Grunewald und die Bewohner des östlichen Arbeiterviertels, regimekritische Künstler der jungen DDR und Parteifunktionäre, die alteingesessenen Bewohner des Kiezes um die Allensteiner Straße, die in Lieselotte-Herrmann-Straße umbenannt wurde, und die Wendegewinnler.

Für diese beiläufigen, aber nicht minder treffenden Beobachtungen der verschiedensten Berliner Soziotope, die oft nichts voneinander wissen, verzeiht man Nolte gern Kamelhaarmäntel, Budapester Schuhe oder French Manicure, also recht stereotype Beschreibungselemente, die seinen ansonsten gelungenen Roman manchmal an den Rand des Trivialen führen.

Besprochen von Carolin Fischer

Mathias Nolte: Louise im blauweiß gestreiften Leibchen
Deuticke im Zsolnay Verlag, 2009
336 Seiten, 19,90 Euro