Zwei Länder und ein Vertriebsgraben
Von Stefan May · 16.06.2012
Das Motto dieses Treffens im Haus des literarischen Colloquiums in Berlin war "Austausch": In der Villa am Wannsee präsentierten sich acht österreichische Verlage und deren Autoren. Dabei suchten sie nach Wegen hin zum deutschen Markt, denn für österreichische Verlagshäuser ist Deutschland ein schwieriges Pflaster.
Ein Onkel zweiten Grades von Carl Zuckmayer hatte einst die Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Villa am Wannsee gemietet. Zuckmayer, der hier seinen fröhlichen Weinberg geschrieben hatte, nannte sie "einen grässlichen Kasten im Stil einer imitierten Ritterburg". Er selbst hatte in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als er Deutschland den Rücken kehren musste, Österreich zu seiner neuen Heimat gemacht. Heute war Österreich in der Villa mit knarrendem Parkett und breiter Holzstiege, Veranda und einem parkartigen Grünstreifen hinunter zum Wannsee, zu Gast. Acht Verlage präsentierten sich mit ihren Autoren dem Berliner Publikum. Die Idee dazu sei vor drei Jahren auf der Leipziger Buchmesse geboren worden, erzählt Thomas Geiger, Programmchef des Literarischen Colloquiums:
"Das ist ja eine komische Geschichte mit diesen drei deutschsprachigen Ländern Schweiz, Österreich, Deutschland, dass es so eine Art von Vertriebsgraben zwischen Österreich und Deutschland gibt. Und den wollen wir helfen zuzuschütten. Der Graben liegt an den Vertriebsstrukturen, die österreichischen Häuser sind nicht bei den ganz Großen dabei, und wenn sie nicht in einer der großen Verlagsketten oder Verlagsgruppen drin sind, dann ist es verhältnismäßig schwer, bei der Konzentration im deutschen Buchhandel da überhaupt Gehör zu finden."
Ein Problem, das man im Picusverlag kennt. Der Verlag wurde 1984 von Dorothea Löcker und Alexander Potyka in Wien gegründet und bietet eine Vielfalt von Sachbuch über Reise und Kinderbuch bis zur Belletristik. Zwei Drittel der Bücher verkauft Picus in Deutschland, für seine Belletristik-Autoren sei es nicht leicht sich hier zu behaupten, sagt Potyka. Seine Eroberungsstrategie:
"Reden, reden, reden. Viele Leute treffen, viele Menschen überzeugen, die Herzen gewinnen, so banal das klingt, und ein bisschen Glück haben, und erkennbar bleiben in seiner Qualität."
Es ist 16 Uhr, die ersten vier Verlage stellen sich vor. Potykas Autor Egyd Gstättner aus Kärnten ist der erste. Ihm folgt die aus Südtirol stammende Maxi Obexer. Für sie ist es eine Art Heimspiel, denn für die in Südtirol geborene Autorin hat es in Berlin mit dem Schreiben begonnen, weshalb sie auch einen deutlichen Unterschied zwischen Berlin und Wien zu erkennen meint:
""Das Thema der Selbstvermarktung stellt sich deutlicher als in Wien, also in Wien habe ich den Eindruck, da wird man sehr getragen, und hier muss man sich zum Teil auch selbst tragen, damit die Leute auch dahin gelenkt werden, wo man selbst liest oder unterwegs ist."
Maxi Obexer schreibt im Folio-Verlag, der in Bozen und Wien beheimatet ist. Seit 18 Jahren gibt er Reiseführer sowie ein Kunst- und Literaturprogramm heraus, auch viele Übersetzungen, speziell aus dem südosteuropäischen Raum, was mit der österreichischen Vergangenheit zusammenhängt. Auf das Regionale hat sich auch der in Innsbruck ansässige Literaturverlag Haymon konzentriert, der sein Programm stetig erweitert, etwa auf Sachbücher und Krimis und der die einzige Taschenbuchreihe Österreichs herausgibt.
Hauptmarkt ist Österreich, doch auch der Schweizer Markt hat Bedeutung. Auf dem deutschen Markt möchte man schon deshalb mehr Fuß fassen, weil zunehmend Autoren von da kommen, sagt die Vertriebsleiterin Saskia Ventzki.
Inzwischen ist der erste Teil zu Ende und die Zuhörer streben zur Terrasse, wo sich am Gastronomischen am Leichtesten die These von Karl Kraus untermauern lässt, dass nichts die Deutschen von den Österreichern mehr unterscheide als die gemeinsame Sprache: Es gibt Backhendel mit steirischem Erdäpfelsalat und Käferbohnen, Schwammerlgulasch und Semmelknödel und als Dessert, so der aus Tirol stammende Küchenchef Franz Rahneburger, der in Berlin ein Restaurant betreibt:
"An Milchrahmstrudel mit Marillen. Und dann haben wir Streuselkuchen, das ist ein bisschen so eine Hommage an die Berliner, bei uns heißt das ein bissel anders, aber in Berlin Streuselkuchen ist bekannt, sonst kriegen wir´s gar nicht los."
Der Regen hat aufgehört, unterhalb der Villa schlagen die Wellen des Wannsees an die steinerne Brüstung, nebenan bringt die "Spree-Comtesse" ihre wetterbeständigen Fahrgäste an Land, und oben kommen Berliner Literaturinteressierte und österreichische Verleger ins Gespräch. Einer ist Jochen Jung von Jung und Jung in Salzburg. Der Name ist Programm: Man hat vornehmlich junge Literatur im Programm, aber auch sehr alte Texte, die neu übersetzt werden.
Der größte und älteste österreichische Verlag ist der Zsolnay-Verlag, 1924 gegründet. Der Gründer Paul Zsolnay war kurz mit Alma Mahler-Werfel verheiratet, sein Vater war der bedeutendste Tabakimporteur der Monarchie. 1924 erschien als erstes Buch Werfels "Verdi – Roman einer Oper".
Auch wenn Zsolnay 1996 von Hanser gekauft wurde, müsse der Verlag dennoch kämpfen, gibt Firmenchef Herbert Ohrlinger zu: Es gebe zwar den Österreicher-Bonus in Deutschland, doch die Österreicher würden sich nicht schlecht, allerdings auch nicht gut verkaufen, sagt er. Die Bücher müssten eben gut sein.
Darauf setzt auch der Salzburger Residenz-Verlag: Man versuche, für den deutschen Markt einen Eisbrecher zu finden, sagt Verlagsleiterin Claudia Romeder, der die anderen Titel mitziehe. Der Residenzverlag ist eine österreichische Tradition, der Gegenwartsliteratur herausgegeben hat, die heute Klassik ist, Werke von Thomas Bernhard und HC Artmann. Als klassischen Wiener Verlag bezeichnet sich der Czernin-Verlag, der 1999 als politischer Verlag gegründet worden ist und sich zuerst mit Themen der Restitution beschäftigt hat. Auch Verlagsleiter Benedikt Föger gibt zu, dass man auf dem deutschen Markt spüre, dass er zehnmal größer als der österreichische ist:
"Traditionell wie alle österreichischen Verlage haben wir schon eine Vertriebsschranke in Richtung Deutschland, also es ist schwer, eine Präsenz im Buchhandel zu erreichen, aber es gelingt uns mittlerweile ganz gut und vor allem die Schiene geht’s ganz gut, wenn s Thema passt."
Für den 34 Jahre alten Droschl-Verlag in Graz, der zeitgenössische Literatur herausgibt, schreibt Thomas Stangl. Er ist dort unter gekommen, wie man es nach seiner Meinung am wenigsten erwartet hätte: Er hat sein Manuskript eingeschickt, und es wurde gelesen. Das ist nicht mehr durchgängig üblich – weder in Deutschland noch in Österreich.
"Das ist ja eine komische Geschichte mit diesen drei deutschsprachigen Ländern Schweiz, Österreich, Deutschland, dass es so eine Art von Vertriebsgraben zwischen Österreich und Deutschland gibt. Und den wollen wir helfen zuzuschütten. Der Graben liegt an den Vertriebsstrukturen, die österreichischen Häuser sind nicht bei den ganz Großen dabei, und wenn sie nicht in einer der großen Verlagsketten oder Verlagsgruppen drin sind, dann ist es verhältnismäßig schwer, bei der Konzentration im deutschen Buchhandel da überhaupt Gehör zu finden."
Ein Problem, das man im Picusverlag kennt. Der Verlag wurde 1984 von Dorothea Löcker und Alexander Potyka in Wien gegründet und bietet eine Vielfalt von Sachbuch über Reise und Kinderbuch bis zur Belletristik. Zwei Drittel der Bücher verkauft Picus in Deutschland, für seine Belletristik-Autoren sei es nicht leicht sich hier zu behaupten, sagt Potyka. Seine Eroberungsstrategie:
"Reden, reden, reden. Viele Leute treffen, viele Menschen überzeugen, die Herzen gewinnen, so banal das klingt, und ein bisschen Glück haben, und erkennbar bleiben in seiner Qualität."
Es ist 16 Uhr, die ersten vier Verlage stellen sich vor. Potykas Autor Egyd Gstättner aus Kärnten ist der erste. Ihm folgt die aus Südtirol stammende Maxi Obexer. Für sie ist es eine Art Heimspiel, denn für die in Südtirol geborene Autorin hat es in Berlin mit dem Schreiben begonnen, weshalb sie auch einen deutlichen Unterschied zwischen Berlin und Wien zu erkennen meint:
""Das Thema der Selbstvermarktung stellt sich deutlicher als in Wien, also in Wien habe ich den Eindruck, da wird man sehr getragen, und hier muss man sich zum Teil auch selbst tragen, damit die Leute auch dahin gelenkt werden, wo man selbst liest oder unterwegs ist."
Maxi Obexer schreibt im Folio-Verlag, der in Bozen und Wien beheimatet ist. Seit 18 Jahren gibt er Reiseführer sowie ein Kunst- und Literaturprogramm heraus, auch viele Übersetzungen, speziell aus dem südosteuropäischen Raum, was mit der österreichischen Vergangenheit zusammenhängt. Auf das Regionale hat sich auch der in Innsbruck ansässige Literaturverlag Haymon konzentriert, der sein Programm stetig erweitert, etwa auf Sachbücher und Krimis und der die einzige Taschenbuchreihe Österreichs herausgibt.
Hauptmarkt ist Österreich, doch auch der Schweizer Markt hat Bedeutung. Auf dem deutschen Markt möchte man schon deshalb mehr Fuß fassen, weil zunehmend Autoren von da kommen, sagt die Vertriebsleiterin Saskia Ventzki.
Inzwischen ist der erste Teil zu Ende und die Zuhörer streben zur Terrasse, wo sich am Gastronomischen am Leichtesten die These von Karl Kraus untermauern lässt, dass nichts die Deutschen von den Österreichern mehr unterscheide als die gemeinsame Sprache: Es gibt Backhendel mit steirischem Erdäpfelsalat und Käferbohnen, Schwammerlgulasch und Semmelknödel und als Dessert, so der aus Tirol stammende Küchenchef Franz Rahneburger, der in Berlin ein Restaurant betreibt:
"An Milchrahmstrudel mit Marillen. Und dann haben wir Streuselkuchen, das ist ein bisschen so eine Hommage an die Berliner, bei uns heißt das ein bissel anders, aber in Berlin Streuselkuchen ist bekannt, sonst kriegen wir´s gar nicht los."
Der Regen hat aufgehört, unterhalb der Villa schlagen die Wellen des Wannsees an die steinerne Brüstung, nebenan bringt die "Spree-Comtesse" ihre wetterbeständigen Fahrgäste an Land, und oben kommen Berliner Literaturinteressierte und österreichische Verleger ins Gespräch. Einer ist Jochen Jung von Jung und Jung in Salzburg. Der Name ist Programm: Man hat vornehmlich junge Literatur im Programm, aber auch sehr alte Texte, die neu übersetzt werden.
Der größte und älteste österreichische Verlag ist der Zsolnay-Verlag, 1924 gegründet. Der Gründer Paul Zsolnay war kurz mit Alma Mahler-Werfel verheiratet, sein Vater war der bedeutendste Tabakimporteur der Monarchie. 1924 erschien als erstes Buch Werfels "Verdi – Roman einer Oper".
Auch wenn Zsolnay 1996 von Hanser gekauft wurde, müsse der Verlag dennoch kämpfen, gibt Firmenchef Herbert Ohrlinger zu: Es gebe zwar den Österreicher-Bonus in Deutschland, doch die Österreicher würden sich nicht schlecht, allerdings auch nicht gut verkaufen, sagt er. Die Bücher müssten eben gut sein.
Darauf setzt auch der Salzburger Residenz-Verlag: Man versuche, für den deutschen Markt einen Eisbrecher zu finden, sagt Verlagsleiterin Claudia Romeder, der die anderen Titel mitziehe. Der Residenzverlag ist eine österreichische Tradition, der Gegenwartsliteratur herausgegeben hat, die heute Klassik ist, Werke von Thomas Bernhard und HC Artmann. Als klassischen Wiener Verlag bezeichnet sich der Czernin-Verlag, der 1999 als politischer Verlag gegründet worden ist und sich zuerst mit Themen der Restitution beschäftigt hat. Auch Verlagsleiter Benedikt Föger gibt zu, dass man auf dem deutschen Markt spüre, dass er zehnmal größer als der österreichische ist:
"Traditionell wie alle österreichischen Verlage haben wir schon eine Vertriebsschranke in Richtung Deutschland, also es ist schwer, eine Präsenz im Buchhandel zu erreichen, aber es gelingt uns mittlerweile ganz gut und vor allem die Schiene geht’s ganz gut, wenn s Thema passt."
Für den 34 Jahre alten Droschl-Verlag in Graz, der zeitgenössische Literatur herausgibt, schreibt Thomas Stangl. Er ist dort unter gekommen, wie man es nach seiner Meinung am wenigsten erwartet hätte: Er hat sein Manuskript eingeschickt, und es wurde gelesen. Das ist nicht mehr durchgängig üblich – weder in Deutschland noch in Österreich.