Zwei internationale Filme disqualifiziert

Zu viel Englisch für den Auslands-Oscar

Patrick Wellinski im Gespräch mit Timo Grampes · 12.11.2019
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Zwei internationale Filme wurden für die nächsten Academy Awards abgelehnt: "Joy" aus Österreich und "Lionheart" aus Nigeria. Der Grund: In ihnen wird zu viel Englisch gesprochen. Es stellt sich die Frage, wie sinnvoll diese Regelung noch ist.
Der österreichische Film "Joy" erzählt von einer Nigerianerin, die in Wien als Prostituierte arbeitet und versucht, ihre Schulden bei ihrer Zuhälterin abzubezahlen und sich freizukaufen. Der Film wurde für den Academy Award als bester internationaler Film eingereicht. Doch er wurde abgelehnt, weil der Dialog zu zwei Dritteln Englisch ist - und für die Kategorie muss den größten Anteil am Dialog die Fremdsprache ausmachen. Auch der deutsche Film "Victoria" (2015) war aus demselben Grund abgelehnt worden.
Die Preiskategorie der "Oscars" hieß bislang noch "Bester fremdsprachiger Film" (Best Foreign Language Film of the Year). Erst in diesem Jahr wurde er zum "besten internationalen Film" umbenannt. Doch die Regel, dass mindestens 50 Prozent des Dialogs fremdsprachig sein müssen, besteht immer noch. "Nur das Etikett wurde geändert, das Problem ist geblieben", erklärt Filmredakteur Patrick Wellinski.

Wie sinnvoll ist die Regel noch?

"Das kann man wissen, bevor man einen Film einreicht, andererseits kann man darüber sprechen, ob das überhaupt noch sinnvoll ist im Jahr 2019", sagt Wellinski. "Das Problem dabei ist natürlich, dass die Academy damit sagt, dass Englisch das Monopol des amerikanischen Kinos ist. Und alles andere ist eben nicht amerikanisch und kann sich nur in dieser kleinen Kategorie an dieser einen Oscarnacht austoben."
Wie "Joy" ist es in diesem Jahr auch dem nigerianischen Film "Lionheart" ergangen. Regisseurin Genevieve Nnaji empörte sich bei Twitter: "Dieser Film repräsentiert, wie wir als Nigerianer sprechen." Englisch diene als Brücke zwischen über 500 Sprachen in dem Land. "Wir haben uns nicht ausgesucht, wer uns kolonialisiert hat."
"Damit trifft sie einen Punkt", sagt Wellinski. "Alle anderen ehemaligen Kolonien von Spanien und Frankreich können ihre Filme einreichen. Es geht hier nur um das Englische." Im 21. Jahrhundert und einer globalisierten Welt sei das absurd. Gerade in Filmen, in denen es um Flüchtlinge gehe, mache es Sinn, dass Englisch als Umgangssprache dominiere. "Da müsste sich die Academy langsam auf eine neue Realität einstellen." Früher oder später werde es zu Änderungen kommen.

Mancher ausländischer Film ist auch "Bester Film"

Andererseits gebe es Filme wie "Roma", der zwar den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewonnen hat, aber auch in der Hauptkategorie "Bester Film" nominiert war. Gleiches gilt für den französischsprachigen "Liebe" von Michael Haneke (2012).
Für "Joy" sei die Diskussion wahrscheinlich gut, sagt Wellinski: "Vielleicht nutzt man diesen Skandal, um 'Joy' überhaupt zu entdecken. Denn ich glaube, in Deutschland ist der Film leider völlig unbekannt, dabei ist das so ein intensiver, hochintelligenter Film." Zu sehen ist er auf Netflix.
(leg)
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