Zwei Exoten auf gemeinsamen Wegen
Neun Lebensjahre trennten Camille Pissaro und Paul Cézanne. Als sie sich 1861 in Paris kennen lernten, begann ein gemeinsamer Weg. Zwar unterschieden sie sich im künstlerischen Ausdruck, befruchteten sich aber gegenseitig. Das versucht eine Ausstellung im Pariser Musée d’Orsay zu zeigen.
Eigentlich waren sie Exoten in der Pariser Kunstszene. Camille Pissarro, auf den Antillen als Sohn eines französischen Juden und einer Kreolin 1830 zur Welt gekommen, und der neun Jahre jüngere Paul Cézanne, ein italienischstämmiger Provençale, lernen sich 1861 in einem Pariser Künstleratelier kennen. Beide haben nur eines im Sinn: Für die Kunst und von der Malerei leben zu können. Doch die an der Ecole des Beaux-Arts propagierte akademische Kunst, für die die Historienmalerei alles und die direkt im Freien und vor dem Motiv praktizierte Landschafts- und Stilllebenmalerei nichts bedeutet, interessiert die beiden wenig. Die Künstlerkreise, in denen sich Pissarro und Cézanne bewegen, haben eines gemeinsam: Ihre Werke stoßen auf Ablehnung beim jährlich stattfindenden offiziellen Pariser Salon. Die Weichen für die erste Ausstellung der Impressionisten im Jahre 1874 sind bereits gestellt.
Den künstlerischen Weg hierhin gehen Pissarro und Cézanne gemeinsam wie jetzt eine Ausstellung im Pariser Musée d’Orsay zeigt. Mit den Kollegen vom New Yorker Museum of Modern Art hat Konservatorin Sylvie Patin knapp 60 Werke der beiden Maler ausgewählt, die sie ganz bewusst einander gegenüberstellt.
"Vergleicht man die Bilder der beiden Maler direkt miteinander, dann fallen sofort die Unterschiede auf, auch wenn sie oft die gleichen Motive gewählt haben. Ein Künstler arbeitet nie völlig alleine. Er interessiert sich dafür, was die anderen malen, aber nicht, um es zu kopieren. Schriftsteller lesen ja auch nicht nur ihre eigenen Bücher. Cézanne, der immer als Einzelgänger galt, hatte zeitweise großen Anteil am Leben der Impressionisten, auch wenn er sich selber nie als ein solcher bezeichnete."
Der Blick fällt durch Bäume auf einsam stehende Häuser in der Morgensonne. Eine Bäuerin kehrt bei untergehender Sonne in ihr Dorf zurück. Ein Schotterweg schlängelt sich einen Hügel hinunter. Die Motive, die sich Pissarro und Cézanne in Pontoise oder Auvers-sur-Oise weit vor den Toren von Paris für ihre Bilder aussuchen sind so vielfältig wie gewöhnlich. Oft malen sie von exakt gleichen Standpunkten aus. Der Besucher ertappt sich dabei schon von weitem das Cézannesche von einem Bild Pissarros unterscheiden zu wollen. Es gelingt erstaunlich schnell. Aus Pissarros Werken scheint frische Luft zu strömen, das Sattgrün der Natur ist beinahe greifbar. Cézannes Bilder wirken flacher, er erspart sich viele Pinselstriche. Atmosphärisches interessiert ihn wenig. Joachim Pissarro, New Yorker Konservator am Museum of Modern Art und Urenkel Pissarros definiert Cézannes künstlerische Ziele:
"Von Cézanne wissen wir, dass er aus dem Impressionismus eine, wie er sagte, Kunst fürs Museum machen wollte. Hierfür experimentierte er mit der Form wie keiner vor ihm. Das war bereits sehr modern. Er versuchte zur Quelle eines bestimmten Klassizismus zurückzukehren. Doch es war utopisch zu glauben, moderne Kunst ließe sich in ein streng definiertes System pressen."
Der Blick auf Pontoise, von beiden Künstlern vom gleichen Standpunkt aus auf die Leinwand fixiert, macht es deutlich. Cézanne entfernt sich von der impressionistischen Manier. Baumgruppen werden zu autonomen Farbflächen. Tiefenwirkung geht verloren.
Cézanne konstruiert sein Bild, während es Pissarro noch um den Eindruck, den die Szene beim Betrachter hinterlässt, geht - formale Unterschiede, die gar nicht vermuten lassen, dass beide Maler in Briefen oft vom jeweils großen künstlerischen Einfluss des anderen geschrieben haben. Joachim Pissarro kann Cézannes Wirkung auf die Kunst seines Urgroßvaters allerdings bestätigen:
"Ich glaube, Cézanne ist es zu verdanken, dass sich Pissarro dem Fortschritt in der Malerei stellte. Er hatte sich gut und gerne im Impressionismus eingerichtet, ohne aber Gefangener dieser Kunstrichtung gewesen zu sein. Durch Cézanne erkannte er dann, welche Entwicklungsmöglichkeiten noch in der Malerei steckten. Das hat ihn fasziniert. Er ließ sich gerne verführen."
Den letzten Schritt, sich nämlich gänzlich vom Impressionismus zu lösen, geht Pissarro aber nicht. Nach 1885 treffen sich Cézanne, der jetzt zurückgezogen in der Provence arbeitet, und Pissarro nur noch ganz selten. Dennoch behalten sie beide jeweils die Kunstproduktion des anderen im Auge. Pissarros künstlerisches Intermezzo, sein Ausflug in den Neoimpressionismus, der die Farbtupfen nach streng optischen Gesichtspunkten anordnet und erst im Auge des Betrachters seine Wirkung erzielen soll, gefällt Cézanne überhaupt nicht. Pissarro wird 1903 als einer der großen Impressionisten sterben. Cézanne überlebt ihn um drei Jahre. Erst kurz nach seinem Tod wird er als Schlüsselfigur auf dem Weg zur modernen Kunst gefeiert. "Cézanne ist der Vater von uns allen", resümiert Picasso. Das wäre ihm zu Pissarro sicher nicht eingefallen.
Den künstlerischen Weg hierhin gehen Pissarro und Cézanne gemeinsam wie jetzt eine Ausstellung im Pariser Musée d’Orsay zeigt. Mit den Kollegen vom New Yorker Museum of Modern Art hat Konservatorin Sylvie Patin knapp 60 Werke der beiden Maler ausgewählt, die sie ganz bewusst einander gegenüberstellt.
"Vergleicht man die Bilder der beiden Maler direkt miteinander, dann fallen sofort die Unterschiede auf, auch wenn sie oft die gleichen Motive gewählt haben. Ein Künstler arbeitet nie völlig alleine. Er interessiert sich dafür, was die anderen malen, aber nicht, um es zu kopieren. Schriftsteller lesen ja auch nicht nur ihre eigenen Bücher. Cézanne, der immer als Einzelgänger galt, hatte zeitweise großen Anteil am Leben der Impressionisten, auch wenn er sich selber nie als ein solcher bezeichnete."
Der Blick fällt durch Bäume auf einsam stehende Häuser in der Morgensonne. Eine Bäuerin kehrt bei untergehender Sonne in ihr Dorf zurück. Ein Schotterweg schlängelt sich einen Hügel hinunter. Die Motive, die sich Pissarro und Cézanne in Pontoise oder Auvers-sur-Oise weit vor den Toren von Paris für ihre Bilder aussuchen sind so vielfältig wie gewöhnlich. Oft malen sie von exakt gleichen Standpunkten aus. Der Besucher ertappt sich dabei schon von weitem das Cézannesche von einem Bild Pissarros unterscheiden zu wollen. Es gelingt erstaunlich schnell. Aus Pissarros Werken scheint frische Luft zu strömen, das Sattgrün der Natur ist beinahe greifbar. Cézannes Bilder wirken flacher, er erspart sich viele Pinselstriche. Atmosphärisches interessiert ihn wenig. Joachim Pissarro, New Yorker Konservator am Museum of Modern Art und Urenkel Pissarros definiert Cézannes künstlerische Ziele:
"Von Cézanne wissen wir, dass er aus dem Impressionismus eine, wie er sagte, Kunst fürs Museum machen wollte. Hierfür experimentierte er mit der Form wie keiner vor ihm. Das war bereits sehr modern. Er versuchte zur Quelle eines bestimmten Klassizismus zurückzukehren. Doch es war utopisch zu glauben, moderne Kunst ließe sich in ein streng definiertes System pressen."
Der Blick auf Pontoise, von beiden Künstlern vom gleichen Standpunkt aus auf die Leinwand fixiert, macht es deutlich. Cézanne entfernt sich von der impressionistischen Manier. Baumgruppen werden zu autonomen Farbflächen. Tiefenwirkung geht verloren.
Cézanne konstruiert sein Bild, während es Pissarro noch um den Eindruck, den die Szene beim Betrachter hinterlässt, geht - formale Unterschiede, die gar nicht vermuten lassen, dass beide Maler in Briefen oft vom jeweils großen künstlerischen Einfluss des anderen geschrieben haben. Joachim Pissarro kann Cézannes Wirkung auf die Kunst seines Urgroßvaters allerdings bestätigen:
"Ich glaube, Cézanne ist es zu verdanken, dass sich Pissarro dem Fortschritt in der Malerei stellte. Er hatte sich gut und gerne im Impressionismus eingerichtet, ohne aber Gefangener dieser Kunstrichtung gewesen zu sein. Durch Cézanne erkannte er dann, welche Entwicklungsmöglichkeiten noch in der Malerei steckten. Das hat ihn fasziniert. Er ließ sich gerne verführen."
Den letzten Schritt, sich nämlich gänzlich vom Impressionismus zu lösen, geht Pissarro aber nicht. Nach 1885 treffen sich Cézanne, der jetzt zurückgezogen in der Provence arbeitet, und Pissarro nur noch ganz selten. Dennoch behalten sie beide jeweils die Kunstproduktion des anderen im Auge. Pissarros künstlerisches Intermezzo, sein Ausflug in den Neoimpressionismus, der die Farbtupfen nach streng optischen Gesichtspunkten anordnet und erst im Auge des Betrachters seine Wirkung erzielen soll, gefällt Cézanne überhaupt nicht. Pissarro wird 1903 als einer der großen Impressionisten sterben. Cézanne überlebt ihn um drei Jahre. Erst kurz nach seinem Tod wird er als Schlüsselfigur auf dem Weg zur modernen Kunst gefeiert. "Cézanne ist der Vater von uns allen", resümiert Picasso. Das wäre ihm zu Pissarro sicher nicht eingefallen.