Zwei Büchernarren als Slapstick-Kopisten
20.09.2010
Nach einem unverhofften Erbe ziehen sich zwei Pariser Büroangestellte aufs Land zurück und durchpflügen voll Ehrgeiz das Wissen der Welt – mit großem Misserfolg. Flauberts letzter Roman, der Fragment blieb, ist ein Buch der Irrungen und Wirrungen, der enervierenden und slapstickhaften Fehlschläge.
Flaubert kündigt seinen letzten Roman schon 1872 an: "Ich mache mir Notizen für ein Buch, in dem vorhabe, meine Galle auf meine Zeitgenossen zu speien. Die Kotzerei wird mich wohl einige Jahre in Anspruch nehmen." Oh ja, bis an sein Lebensende 1880. Parallel dazu bereitete er noch einen zweiten Band vor, der eine Art Nachschlagewerk geblieben ist, ein ausufernder Zitatenschatz menschlicher Dummheit; das ungeheure Projekt hat er als Testament verstanden.
Auch der Roman selbst, als Prototyp des Modernismus, ist ein Gewebe von Zitaten, die beiden Kopisten Bouvard und Pécuchet, die das Wissens der damaligen Welt sammeln und überprüfen wollen, sind ebenso erhaben wie komisch: durch ihren unermüdlichen Ehrgeiz und ihr ständiges Scheitern. Indem sie nur abschreiben, sind sie selbst nicht originell: So wie auch der Autor, der Künstler nicht originell ist, er kann "nur eine immer schon geschehene, niemals originelle Geste nachahmen", wie Roland Barthes im "Tod des Autors" schreibt. Alles ist schon mal da gewesen, der Künstler kann nur noch neu mischen und ordnen.
Der Berg von Informationen, ein sehr aktuelles Problem, mündet in ein "Alles ist gleich", auch das ein Merkmal unserer Zeit. Aber in allem das Gleiche zu sehen, schrieb der Philosoph Andreas Dorschel in einer pointierten Kritik, ist selbst dumm: "Flauberts Buch gegen die Stupidität ist sein einzig stupides geworden." Tatsächlich durchpflügen unsere beiden Slapstick-Kopisten, die wie Vorbilder für Pat und Patachon wirken, wirklich jeden Acker: Chemie, Geschichte, Ökonomie, Literatur, Jura und so weiter und so fort: Alles stellt sich als eitel und absurd heraus.
In den letzten sieben Jahren sind drei neue Übersetzungen erschienen, von Caroline Vollmann (Haffmanns 2004), besonders aber von Hans-Horst Henschen (Die Andere Bibliothek 2003). So wie nun Erich Wolfgang Skwara übersetzt, hat man "Bouvard und Pécuchet" wahrscheinlich noch nicht gelesen. Es sollte eine "schnörkellose Neuübersetzung" werden, das ist gelungen, sie ist zu schnörkellos. Flauberts Buch ist ja grundsätzlich emphatisch, die beiden Forscher gehen ihrem Steckenpferd, alle Niederlagen einbegriffen, mit großem Furor nach. Aber wenn Flaubert "Qu'est-ce que tu me chantes, avec ta nation française!" ausruft, macht Skwara daraus ein blasses "Was erzählst du mir denn da, mit deiner französischen Nation" (Henschen stärker: "Was plärrst du mir da vor mit deiner französischen Nation!"). Und als sie sich kennenlernen, sagt Bouvard: "Ma foi! si nous dînions ensemble?" Skwara brav: "Wollen wir nicht zusammen zu Abend essen?", Henschen dagegen: "Großer Gott! Warum gehen wir nicht gemeinsam essen?"
Skwara ist trockener und nüchterner, aber auch kraftloser, beinahe leblos, wodurch Atmosphäre und Zauber des Buches zum großen Teil verloren gehen. Man könnte die beiden Übersetzer mit den beiden Buchhelden vergleichen: Henschen ist wie Bouvard: "zuversichtlich, leichtsinnig, großzügig". Skwara wie Pécuchet: "zurückhaltend, nachdenklich, sparsam".
Besprochen von Peter Urban-Halle
Gustave Flaubert: Bouvard und Pécuchet. Roman
Aus dem Französischen von Erich Wolfgang Skwara
Insel Verlag, Berlin 2010
409 Seiten, 26,80 Euro
Auch der Roman selbst, als Prototyp des Modernismus, ist ein Gewebe von Zitaten, die beiden Kopisten Bouvard und Pécuchet, die das Wissens der damaligen Welt sammeln und überprüfen wollen, sind ebenso erhaben wie komisch: durch ihren unermüdlichen Ehrgeiz und ihr ständiges Scheitern. Indem sie nur abschreiben, sind sie selbst nicht originell: So wie auch der Autor, der Künstler nicht originell ist, er kann "nur eine immer schon geschehene, niemals originelle Geste nachahmen", wie Roland Barthes im "Tod des Autors" schreibt. Alles ist schon mal da gewesen, der Künstler kann nur noch neu mischen und ordnen.
Der Berg von Informationen, ein sehr aktuelles Problem, mündet in ein "Alles ist gleich", auch das ein Merkmal unserer Zeit. Aber in allem das Gleiche zu sehen, schrieb der Philosoph Andreas Dorschel in einer pointierten Kritik, ist selbst dumm: "Flauberts Buch gegen die Stupidität ist sein einzig stupides geworden." Tatsächlich durchpflügen unsere beiden Slapstick-Kopisten, die wie Vorbilder für Pat und Patachon wirken, wirklich jeden Acker: Chemie, Geschichte, Ökonomie, Literatur, Jura und so weiter und so fort: Alles stellt sich als eitel und absurd heraus.
In den letzten sieben Jahren sind drei neue Übersetzungen erschienen, von Caroline Vollmann (Haffmanns 2004), besonders aber von Hans-Horst Henschen (Die Andere Bibliothek 2003). So wie nun Erich Wolfgang Skwara übersetzt, hat man "Bouvard und Pécuchet" wahrscheinlich noch nicht gelesen. Es sollte eine "schnörkellose Neuübersetzung" werden, das ist gelungen, sie ist zu schnörkellos. Flauberts Buch ist ja grundsätzlich emphatisch, die beiden Forscher gehen ihrem Steckenpferd, alle Niederlagen einbegriffen, mit großem Furor nach. Aber wenn Flaubert "Qu'est-ce que tu me chantes, avec ta nation française!" ausruft, macht Skwara daraus ein blasses "Was erzählst du mir denn da, mit deiner französischen Nation" (Henschen stärker: "Was plärrst du mir da vor mit deiner französischen Nation!"). Und als sie sich kennenlernen, sagt Bouvard: "Ma foi! si nous dînions ensemble?" Skwara brav: "Wollen wir nicht zusammen zu Abend essen?", Henschen dagegen: "Großer Gott! Warum gehen wir nicht gemeinsam essen?"
Skwara ist trockener und nüchterner, aber auch kraftloser, beinahe leblos, wodurch Atmosphäre und Zauber des Buches zum großen Teil verloren gehen. Man könnte die beiden Übersetzer mit den beiden Buchhelden vergleichen: Henschen ist wie Bouvard: "zuversichtlich, leichtsinnig, großzügig". Skwara wie Pécuchet: "zurückhaltend, nachdenklich, sparsam".
Besprochen von Peter Urban-Halle
Gustave Flaubert: Bouvard und Pécuchet. Roman
Aus dem Französischen von Erich Wolfgang Skwara
Insel Verlag, Berlin 2010
409 Seiten, 26,80 Euro