Zwei brilliante Schauspielerinnen in München
In David Mamets Stücken wird der Zuschauer immer wieder einem ständigen Wechselbad ausgesetzt, für wen oder gegen wen von den Protagonisten er denn Partei ergreifen soll. Oft ändert man als Zuschauer in kurzen Abständen die Einschätzung.
Geht man zu zweit ins Theater, kann es leicht passieren, dass man sich nachher auch mit dem Partner streitet, der alles ganz anders beurteilt sehen will. In "die Anarchistin" ist es nun eine Verhör-Situation in einem Gefängnis, die Klarheit darüber verschaffen soll, ob einem Gnadengesuch der Terroristin Cathy stattgegeben werden kann.
Die Staatsanwältin Ann bearbeitet als eine ihre letzten Aufgaben vor dem Ruhestand diesen Fall. Ist Ann vertrauenswürdig? Cathy ist bereits seit 35 Jahren wegen Erschießung von zwei Polizisten in Haft. Inzwischen hat sie sich zum christlichen Glauben bekannt und darüber auch ein Buch geschrieben; sie hofft auf Vergebung. Ist Cathys Glauben aber nicht nur Taktik, um so Begnadigung zu erreichen? Was an ihrem Glauben ist "echt"? Andererseits: Ist das Den-Glauben-Zeigen nicht immer auch Taktik, um sich vor der Gesellschaft als braver Gläubiger zu inszenieren? Kann man - auch in der Politik zum Beispiel - überhaupt zwischen "theatralischer" Verstellung und "wahrer Gesinnung" unterscheiden? Und mit welchem Recht, in welcher Taktik und in welchem Namen handelt die erbarmungslose Staatsanwältin? Religion = Inquisition? "Im Gefängnis kann man das Verhalten von Menschen genauso wenig beurteilen, wie das Verhalten von wilden Tieren, die im Zoo eingesperrt sind", wird der Kriminologe Lambroso zitiert, womit allerdings auch die experimentelle Laborsituation von Mamets Stück beschrieben wäre.
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Die Uraufführung von "The Anarchist" in der Inszenierung des Autors am New Yorker Broadway, die ursprünglich zeitgleich mit der europäischen Erstaufführung erfolgen sollte (die Münchner Premiere musste mehrmals unter anderem wegen eines Schwächeanfalls von Cornelia Froboess verschoben werden), war ein Misserfolg und ist inzwischen schon wieder abgesetzt. Die Kritikern waren vernichtend. Das Stück wäre untheatralisch und philosophisch überladen, mehr Roland Barthes als Alltags-Sprache in Gefängnissen - so etwa in der "New York Times".
In "Oleanna", Mamets wohl bekanntestem Drama, ebenfalls in den USA umstritten. hatten sich im Gegensatz zur "Anarchistin" die Machtpositionen effektvoll von Akt zu Akt umgedreht. Der Dozent in "Oleanna", der zunächst machtbewusst über Wohl und Wehe seiner Studentin entscheiden kann, sieht sich dort ganz plötzlich mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung konfrontiert und selbst in seiner Existenz bedroht. Die Terroristin hat hingegen bei den Verhören der Staatsanwältin keinen Ausweg. Insofern tritt das Stück auf der Stelle. Begnadigung ist auch am Ende nicht in Sicht.
Doch in der präzisen Inszenierung Martin Kusejs verliert die Aufführung, obwohl über eine halbe Stunde länger als die Uraufführung am Broadway, nie an Spannung. Das liegt natürlich vor allem an den beiden Darstellerinnen: die verhärmte, etwas voyeuristischen Anwältin von Sibylle Canonica und die bisweilen beinahe burschikose, resignative mit Distanz aber auch mit Nostalgie auf ihre Jugend zurückblickende Gefangene (Cornelia Froboess). Keine Studioproduktion, sondern großes Schauspielerinnen-Duell im großen Haus. Wenn man will, kann man in Ann und Cathy auch einen Abglanz der Konfrontation der Theaterköniginnen Elisabeth und Maria Stuart, mit der Cornelia Froboess einst viel Erfolg hatte. Durch Froboess und Canonica wird "Die Anarchistin" auch mehr als lediglich ein Problemstück über Terrorismus, Glaube, Rehabilitation und amerikanische Justiz. Eindrücklich zeigt es eine Lebensphase: Zwei Frauen, in Gefängnis und Beruf alt geworden vor, die den größten Teil ihres Lebens hinter sich haben. Was ist ihre Bilanz, haben sie sich geändert, kann man sich ändern, haben sie Begnadigung verdient?
Die Staatsanwältin Ann bearbeitet als eine ihre letzten Aufgaben vor dem Ruhestand diesen Fall. Ist Ann vertrauenswürdig? Cathy ist bereits seit 35 Jahren wegen Erschießung von zwei Polizisten in Haft. Inzwischen hat sie sich zum christlichen Glauben bekannt und darüber auch ein Buch geschrieben; sie hofft auf Vergebung. Ist Cathys Glauben aber nicht nur Taktik, um so Begnadigung zu erreichen? Was an ihrem Glauben ist "echt"? Andererseits: Ist das Den-Glauben-Zeigen nicht immer auch Taktik, um sich vor der Gesellschaft als braver Gläubiger zu inszenieren? Kann man - auch in der Politik zum Beispiel - überhaupt zwischen "theatralischer" Verstellung und "wahrer Gesinnung" unterscheiden? Und mit welchem Recht, in welcher Taktik und in welchem Namen handelt die erbarmungslose Staatsanwältin? Religion = Inquisition? "Im Gefängnis kann man das Verhalten von Menschen genauso wenig beurteilen, wie das Verhalten von wilden Tieren, die im Zoo eingesperrt sind", wird der Kriminologe Lambroso zitiert, womit allerdings auch die experimentelle Laborsituation von Mamets Stück beschrieben wäre.
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Die Uraufführung von "The Anarchist" in der Inszenierung des Autors am New Yorker Broadway, die ursprünglich zeitgleich mit der europäischen Erstaufführung erfolgen sollte (die Münchner Premiere musste mehrmals unter anderem wegen eines Schwächeanfalls von Cornelia Froboess verschoben werden), war ein Misserfolg und ist inzwischen schon wieder abgesetzt. Die Kritikern waren vernichtend. Das Stück wäre untheatralisch und philosophisch überladen, mehr Roland Barthes als Alltags-Sprache in Gefängnissen - so etwa in der "New York Times".
In "Oleanna", Mamets wohl bekanntestem Drama, ebenfalls in den USA umstritten. hatten sich im Gegensatz zur "Anarchistin" die Machtpositionen effektvoll von Akt zu Akt umgedreht. Der Dozent in "Oleanna", der zunächst machtbewusst über Wohl und Wehe seiner Studentin entscheiden kann, sieht sich dort ganz plötzlich mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung konfrontiert und selbst in seiner Existenz bedroht. Die Terroristin hat hingegen bei den Verhören der Staatsanwältin keinen Ausweg. Insofern tritt das Stück auf der Stelle. Begnadigung ist auch am Ende nicht in Sicht.
Doch in der präzisen Inszenierung Martin Kusejs verliert die Aufführung, obwohl über eine halbe Stunde länger als die Uraufführung am Broadway, nie an Spannung. Das liegt natürlich vor allem an den beiden Darstellerinnen: die verhärmte, etwas voyeuristischen Anwältin von Sibylle Canonica und die bisweilen beinahe burschikose, resignative mit Distanz aber auch mit Nostalgie auf ihre Jugend zurückblickende Gefangene (Cornelia Froboess). Keine Studioproduktion, sondern großes Schauspielerinnen-Duell im großen Haus. Wenn man will, kann man in Ann und Cathy auch einen Abglanz der Konfrontation der Theaterköniginnen Elisabeth und Maria Stuart, mit der Cornelia Froboess einst viel Erfolg hatte. Durch Froboess und Canonica wird "Die Anarchistin" auch mehr als lediglich ein Problemstück über Terrorismus, Glaube, Rehabilitation und amerikanische Justiz. Eindrücklich zeigt es eine Lebensphase: Zwei Frauen, in Gefängnis und Beruf alt geworden vor, die den größten Teil ihres Lebens hinter sich haben. Was ist ihre Bilanz, haben sie sich geändert, kann man sich ändern, haben sie Begnadigung verdient?