Zuwanderung

Deutschlands Fehler in der Integrationspolitik

Der millionste Gastarbeiter in der Bundesrepublik, Armando Rodrigues (l.) aus Portugal, steht neben dem Moped, das er bei seiner Ankunft am 10.09.1964 im Köln-Deutzer Bahnhof geschenkt bekam.
Der millionste Gastarbeiter in der Bundesrepublik, Armando Rodrigues (l.) aus Portugal, steht neben dem Moped, das er bei seiner Ankunft am 10. September 1964 im Köln-Deutzer Bahnhof geschenkt bekam. © picture-alliance/ dpa - Ossinger
Von Jenny Genzmer · 14.09.2015
Als Deutschland in der Nachkriegszeit Gastarbeiter anwarb, um das Land wieder aufzubauen, dachte niemand darüber nach, dass sie hier eine neue Heimat finden könnten. Das war nur ein Fehler von vielen.
"Die Integration der bei uns lebenden Ausländer ist ein wichtiges Ziel unserer Ausländerpolitik."
Helmut Kohl in einer Regierungserklärung im Jahr 1983.
"Integration bedeutet nicht Verlust der eigenen Identität, sondern ein möglichst spannungsfreies Zusammenleben von Ausländern und Deutschen."
Das Problem der deutschen Integrationspolitik war lange Zeit...
"Integration ist nur möglich, wenn die Zahl der bei uns lebenden Ausländer nicht weiter steigt."
... dass man sie eigentlich nicht wollte.
Ein Blick zurück.
In der Nachkriegszeit hat die Bundesrepublik Gastarbeiter angeworben, um das Land wieder aufzubauen. Während die Konjunktur Anfang der 70er-Jahre aber immer weiter absackte und mit der Ölkrise vollkommen zusammenbrach, wuchs die Zahl der Migranten in Deutschland. Die Bundesregierung befürchtete, Einwanderer würden zu viele Arbeitsplätze und Sozialleistungen kosten – und verordnete: den Anwerbestopp.
Menschen fanden ihre neue Heimat
"Ich meine als Hauptfehler darstellen zu müssen, dass wir, d.h. die Bundesrepublik Deutschland Arbeitskräfte wohl billig anwerben wollten, ohne sich zu fragen, was mit den Menschen geschieht, wenn sie wohl länger hier bleiben."
Urteilte der damalige Berliner Polizeipräsident Klaus Hübner.
"Man ging davon aus, dass die Menschen nach einer bestimmten Zeit selbst das Bedürfnis haben zurückkehren."
Mit dem Anwerbestopp kamen zwar keine Gastarbeiter mehr ins Land – aber die Zahl der Migrantinnen und Migranten wuchs weiter. Menschen fanden in der Bundesrepublik ihre neue Heimat, hatten das Bedürfnis, mit ihren Familien zusammenzuleben und holten sie nach Deutschland. Was fehlte, waren Konzepte der Bundesregierung, wie die Integration der Einwanderer gefördert werden könnte – also blieben viele unter sich.
Mit dem Argument, man müsse Schülerinnen und Schüler auf eine jederzeitige Rückkehr vorbereiten, entstanden reine Ausländerklassen. Ein Bildungsmodell, das vor allem von der SPD zunehmend angezweifelt wurde. Heinz Kühn, der erste Ausländerbeauftragte der BRD forderte Anfang der 80er-Jahre.
"Wir müssen die ausländischen Schüler so schnell wie möglich in Regelklassen unserer Schulen bringen. Wir dürfen sie nicht im Ghetto absondern."
"Deutschland in guter Erinnerung behalten"
Doch mit der Kanzlerschaft Helmut Kohls blieb die Leitlinie bis weit in die 90er-Jahre: Zuzug gering halten, Rückführung fördern.
"Wir sind kein Einwanderungsland und wir können es auch nicht werden"
Norbert Blüm:
"Ausländer, die in ihre Heimat zurückkehren, sollen unser Land in guter Erinnerung behalten... sie sollen Freunde Deutschlands, Freunde, unseres Landes sein."
1983 bewirbt Bundesarbeitsminister Norbert Blüm im Parlament ein Gesetz, das viele schlicht Heimkehrprämie nannten. Blüm bevorzugte den Begriff "Fürsorge" - die sollte jeder Gastarbeiter bekommen, der wegen Betriebsstilllegung arbeitslos geworden oder von Kurzarbeit betroffen war. Menschen, die sie beantragten, erhielten 10.500 Mark und vier Wochen Zeit, Deutschland zu verlassen.
Ein Leben im Dauerprovisorium
"Deutsche kann man schlecht außer Landes schicken, also greift man auf diejenigen zurück, die in Zeiten der Hochkonjunktur die Drecksarbeit leisteten."
So die Haltung der Grünen-Abgeordneten Gabriele Potthast gegenüber der Rückkehrförderungs-Strategie der Bundesregierung.
Einwanderung auf Zeit hieß für viele Migrantinnen und Migranten ein Leben im Dauerprovisorium. Ein ungeklärter Aufenthaltsstatus und mangelnde Deutschkenntnisse erschwerten gerade Nachgezogenen und Flüchtlingen den Weg in ein würdiges Erwerbsleben.
Ein wirklicher Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik fand erst mit der Jahrtausendwende statt, als unter anderem die Süssmuth-Kommission für nachhaltigere Integrationsprogramme warb und eine CDU-Kampagne ...
"Kinder statt Inder. Mehr Ausbildung statt Einwanderung"
... gnadenlos scheiterte.
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