Zusammenleben verschiedener Traditionen
In Frankfurt befasst sich am Samstag eine Ausstellung am Beispiel von Ägypten auf der einen und Griechenland und Rom auf der anderen Seite mit den vielfältigen antiken Kulturen. 400 Leihgaben aus 75 Museen und Sammlungen in der ganzen Welt zeigen den Austausch zwischen den Kulturen.
Alles begann mit einer frühhellenistischen Pharaonenstatue aus Rosengranit, die der Städelsche Museumsverein im Jahre 2000 erwarb. Der Münchener Ägyptologe Alfred Grimm hatte darin eine Darstellung Alexander des Großen erkannt. Es bedarf eines genauen Blicks, um an dieser statuarischen Darstellung mit Rückenpfeiler, Kopftuch, Uräus-Schlange, dem Schurz und den gerade herabhängenden Armen auch die griechischen Stilmittel zu erkennen.
Da gibt es eine Fülle von leichten Asymmetrien, das Gesicht ist individuell und mit gleitenden Übergängen modelliert, und da gibt es einen deutlich erkennbaren Haarkranz, der unter dem Kopftuch hervortritt mit besonders groß ausgebildeten Mittellocken. Der Vergleich mit hellenistischen Alexanderköpfen, die diese Frankfurter Ausstellung in unmittelbare Nähe der Statue gerückt hat, beweist, dass gerade die aufgeworfene Haarsträhne die ungeheure Willenskraft und Energie des griechischen Eroberers symbolisieren sollte. Und Alexander ist tatsächlich die Schlüsselfigur dieser üppig und großartig bestückten Ausstellung über kulturelle Einflüsse zwischen Ägypten und Griechenland/Rom. Seine geschickte Huldigung an die ägyptische Kultur und ihre Sitten ließ ihn eben nicht als Fremdherrscher, sondern als legitimen Pharao erscheinen.
Professor Peter Bol, Kurator der Ausstellung: "Das ist eine Einstellung, die nicht ganz zufällig ist, sondern griechischem Denken entspricht. Schon 150 Jahre vor Alexander dem Großen hatte Herodot sich über fremdartige Bräuche und über das Aussehen der ägyptischen Götter gewundert, aber sich trotzdem darum bemüht, in den ägyptischen Göttern die griechischen wiederzuerkennen. Und das ist eine Denkweise, die Alexander dem Großen auch durch seinen Lehrer Aristoteles vermittelt wurde, der ja der große Systematiker des Wissens überhaupt ist."
Die Ausstellung zeigt, wie das Bild altägyptischer Gottheiten im griechischen Sinn umgestaltet wurde. Vor allem die Isis mit ihrer Vogelhaube und dem Knotengewand erlebte zahlreiche Verwandlungen, ehe sie als Aphrodite hervortrat. Gerade das Exotische und Fremde der ägyptischen Götterwelt förderte ihren Siegeszug in der hellenistisch-römischen Kultur. Es diente als Projektionsfläche für Wünsche und Erwartungen, die das rationale Weltbild der griechischen Philosophie unerfüllt ließ. Und dieser Projektionsmechanismus ist uns noch heute vertraut.
Bol:" Und in dieser Form hatten die ägyptischen Religionen, also vor allem der Kult der Isis, des Osiris und des Serapis eine Faszination gewonnen, die sich weit über die Antike hinaus bis ins achtzehnte Jahrhundert bis Werken wie der Zauberflöte, bis zum Freimauerertum fortgesetzt hat und die letztlich auch noch hinter der Ägyptomanie steckt, die man auch in unseren Tagen immer wieder beobachten kann und die nicht zuletzt zu der Faszination ägyptologischer Ausstellungen in der Gegenwart beiträgt."
So faszinierende Stücke diese Frankfurter Ausstellung auch präsentiert – sie biedert sich an keiner Stelle an. Sie fordert den Betrachter heraus, selbst zum detektivischen Spurenleser zu werden und zum Beispiel zu erkennen, dass der schwarze Obelisk, der in dieser Ausstellung steht, eine römische Nachbildung ist, mit falscher Hieroglyphenschrift. Oder dass die pompejanischen Fresken, die kleine Zwerge beim Kampf mit Krokodilen zeigen, bereits ein Märchenland Ägypten entwerfen, das für eine Vorstellung von ursprünglichem und glücklichem Leben steht. Angesichts der mehr als 400 Werke aus über 70 Museen und Sammlungen denkt man allerdings unwillkürlich an die Skandale des kalifornischen Getty-Museums, das viele seiner antiken Stücke dunklen Quellen verdankt. Doch die Exponate der Frankfurter Ausstellung stammen aus alten Sammlungen, in denen sie sich seit Jahrzehnten befinden, und zwar gut dokumentiert. So jedenfalls versichert uns der Kurator, der den Kunstraub allerdings in abgeklärter Perspektive sieht.
Bol: "Der Kunstraub ist kein modernes Phänomen, sondern den gab es schon in der Antike und viele der Stücke, die in dieser Ausstellung zu sehen sind, sind eben schon von römischen Kaisern in der Antike aus Ägypten nach dem Westen überführt worden. Überall in Rom stehen zum Beispiel die Obelisken an den zentralen Plätzen, die man nach heutiger Vorstellung auch als Raubgut interpretieren könnte. Wobei der Transfer von Kunstwerken ja auch eine Bereicherung und Expansion der heimischen Kultur darstellt."
Dass antike Kunstwerke auch die krude Geschichte der unmittelbaren Gegenwart spiegeln können, zeigen zwei phönizische Sarkophage, die ägyptischen Mumiensärgen nachgeformt sind. Sie stammen aus dem Nationalmuseum von Beirut, das während des fünfzehnjährigen Bürgerkriegs mitten auf der Schusslinie lag. Um die beschädigten Sarkophage in der Ausstellung zeigen zu können, sind sie in München restauriert worden. Jetzt erstrahlen sie wieder in altem Glanz und belegen die weit in den Mittelmeerraum ausstrahlende Faszination der ägyptischen Kunst und Kultur.
Service:
Die Ausstellung ist vom 26.11. bis 26.2.06 im Städel in Frankfurt zu sehen.
Da gibt es eine Fülle von leichten Asymmetrien, das Gesicht ist individuell und mit gleitenden Übergängen modelliert, und da gibt es einen deutlich erkennbaren Haarkranz, der unter dem Kopftuch hervortritt mit besonders groß ausgebildeten Mittellocken. Der Vergleich mit hellenistischen Alexanderköpfen, die diese Frankfurter Ausstellung in unmittelbare Nähe der Statue gerückt hat, beweist, dass gerade die aufgeworfene Haarsträhne die ungeheure Willenskraft und Energie des griechischen Eroberers symbolisieren sollte. Und Alexander ist tatsächlich die Schlüsselfigur dieser üppig und großartig bestückten Ausstellung über kulturelle Einflüsse zwischen Ägypten und Griechenland/Rom. Seine geschickte Huldigung an die ägyptische Kultur und ihre Sitten ließ ihn eben nicht als Fremdherrscher, sondern als legitimen Pharao erscheinen.
Professor Peter Bol, Kurator der Ausstellung: "Das ist eine Einstellung, die nicht ganz zufällig ist, sondern griechischem Denken entspricht. Schon 150 Jahre vor Alexander dem Großen hatte Herodot sich über fremdartige Bräuche und über das Aussehen der ägyptischen Götter gewundert, aber sich trotzdem darum bemüht, in den ägyptischen Göttern die griechischen wiederzuerkennen. Und das ist eine Denkweise, die Alexander dem Großen auch durch seinen Lehrer Aristoteles vermittelt wurde, der ja der große Systematiker des Wissens überhaupt ist."
Die Ausstellung zeigt, wie das Bild altägyptischer Gottheiten im griechischen Sinn umgestaltet wurde. Vor allem die Isis mit ihrer Vogelhaube und dem Knotengewand erlebte zahlreiche Verwandlungen, ehe sie als Aphrodite hervortrat. Gerade das Exotische und Fremde der ägyptischen Götterwelt förderte ihren Siegeszug in der hellenistisch-römischen Kultur. Es diente als Projektionsfläche für Wünsche und Erwartungen, die das rationale Weltbild der griechischen Philosophie unerfüllt ließ. Und dieser Projektionsmechanismus ist uns noch heute vertraut.
Bol:" Und in dieser Form hatten die ägyptischen Religionen, also vor allem der Kult der Isis, des Osiris und des Serapis eine Faszination gewonnen, die sich weit über die Antike hinaus bis ins achtzehnte Jahrhundert bis Werken wie der Zauberflöte, bis zum Freimauerertum fortgesetzt hat und die letztlich auch noch hinter der Ägyptomanie steckt, die man auch in unseren Tagen immer wieder beobachten kann und die nicht zuletzt zu der Faszination ägyptologischer Ausstellungen in der Gegenwart beiträgt."
So faszinierende Stücke diese Frankfurter Ausstellung auch präsentiert – sie biedert sich an keiner Stelle an. Sie fordert den Betrachter heraus, selbst zum detektivischen Spurenleser zu werden und zum Beispiel zu erkennen, dass der schwarze Obelisk, der in dieser Ausstellung steht, eine römische Nachbildung ist, mit falscher Hieroglyphenschrift. Oder dass die pompejanischen Fresken, die kleine Zwerge beim Kampf mit Krokodilen zeigen, bereits ein Märchenland Ägypten entwerfen, das für eine Vorstellung von ursprünglichem und glücklichem Leben steht. Angesichts der mehr als 400 Werke aus über 70 Museen und Sammlungen denkt man allerdings unwillkürlich an die Skandale des kalifornischen Getty-Museums, das viele seiner antiken Stücke dunklen Quellen verdankt. Doch die Exponate der Frankfurter Ausstellung stammen aus alten Sammlungen, in denen sie sich seit Jahrzehnten befinden, und zwar gut dokumentiert. So jedenfalls versichert uns der Kurator, der den Kunstraub allerdings in abgeklärter Perspektive sieht.
Bol: "Der Kunstraub ist kein modernes Phänomen, sondern den gab es schon in der Antike und viele der Stücke, die in dieser Ausstellung zu sehen sind, sind eben schon von römischen Kaisern in der Antike aus Ägypten nach dem Westen überführt worden. Überall in Rom stehen zum Beispiel die Obelisken an den zentralen Plätzen, die man nach heutiger Vorstellung auch als Raubgut interpretieren könnte. Wobei der Transfer von Kunstwerken ja auch eine Bereicherung und Expansion der heimischen Kultur darstellt."
Dass antike Kunstwerke auch die krude Geschichte der unmittelbaren Gegenwart spiegeln können, zeigen zwei phönizische Sarkophage, die ägyptischen Mumiensärgen nachgeformt sind. Sie stammen aus dem Nationalmuseum von Beirut, das während des fünfzehnjährigen Bürgerkriegs mitten auf der Schusslinie lag. Um die beschädigten Sarkophage in der Ausstellung zeigen zu können, sind sie in München restauriert worden. Jetzt erstrahlen sie wieder in altem Glanz und belegen die weit in den Mittelmeerraum ausstrahlende Faszination der ägyptischen Kunst und Kultur.
Service:
Die Ausstellung ist vom 26.11. bis 26.2.06 im Städel in Frankfurt zu sehen.