Zusammen kommt man weiter
Die preisgekrönte junge Dramatikerin Claudia Grehn lotet in ihren Stücken Tiefen aus. Auf dem Berliner Theatertreffen wird ihre Arbeit "Ernte" gezeigt. Es handelt von Zwängen, Lohnarbeit und Sozialversicherung.
Wenn es nach ihr ginge, dann würde sie uns alle, ob wir's wollen oder nicht, dazu animieren, Gedichte zu schreiben:
"Ich glaube, das kann jeder schaffen. Ich find das total schade, dass das so wenig kultiviert wird. Ich würde so gerne lesen, was die Leute für Gedichte schreiben, (...) das fänd ich wahnsinnig spannend!"
Claudia Grehn steht in Berlin-Neukölln, in einer Altbauwohnung an ihrem Küchentisch. Sie wischt einmal mit einem Lumpen über's geblümte Wachstuch und kocht dann grünen Tee. Interviews zu geben - fällt ihr schwer. Sie denkt viel nach, auch, während sie spricht. Und sie tut genau das, was sie auch uns vorschlägt: Sie schreibt Gedichte. Auch Theaterstücke. Was sie dazu antreibt, weiß sie selbst nicht so genau.
"Es ist schon fast eine philosophische Frage, die ich nicht beantworten kann. Außer, dass mich das Wesentliche interessiert – und deswegen diese Form der Dichtung das ist, was ich mache. – Ja."
Dem "Wesentlichen" war sie auch in "heimlich – bestialisch – I can't wait to love in heaven" auf der Spur, - in dem Stück also, für das sie 2007 in Frankfurt an der Oder den Kleist-Preis für junge Dramatik gewonnen hat. Im Jahr darauf wurde das Stück am Landestheater Tübingen uraufgeführt. Die Kritik reagierte eher verhalten. Einer der Kritiker schrieb:
"Der Stücktext collagiert disparatestes Material, Notizen, Briefe, kurze Szenen, er deutet Figuren nur an - die Autorin scheint nicht in der Lage, eine große Struktur zu etablieren. Allerdings hat diese wilde, emotionale, oft verzweifelte Junge-Frauen-Prosa beim Lesen etwas Anrührendes: Hier berichtet jemand von den Schmerzen beim Heranwachsen - auf der Suche nach dem richtigen Leben."
Man merkt der schmalen, 28 Jahre jungen Frau an, dass sie sich mit aufrichtigem Ernst auf diese Suche nach dem richtigen Leben gemacht hat. Dass sie auch bereit ist, große Tiefen auszuloten. Derzeit arbeitet sie an einem Stück über Menschen, die mit "Stigmatisierung" kämpfen - im Abschiebeknast zum Beispiel.
Claudia Grehn setzt sich auf einen der beiden antiquarischen Küchenstühle mit den roten Polstern, nimmt ihre braunen Locken mit beiden Händen kurz im Nacken zusammen, - und lässt sie dann wieder auf die Schultern fallen. Sie überlegt, wie sie auf ihre Themen kommt:
"Ich glaube nicht, dass ich auf die Themen komme, sie sind ja einfach da. Es ist ja eben so, (..) erst mal wie in einem Dschungel von Problemen und Schmerzen – damit wird man konfrontiert und man muss sich da durchkämpfen und man muss versuchen, nicht aufzugeben und nicht unterzugehen. Oder?"
Es gibt aber auch Momente im Leben der jungen Autorin, in denen alles stimmt. Und das sind Momente, in denen sie mit anderen zusammenarbeitet. Von so einer Situation ist das Stück inspiriert, das jetzt auf dem Stückemarkt des Theatertreffens gezeigt wird. "Ernte" heißt es, - und sie weiß, was ernten heißt, denn jedes Jahr im Herbst pflückt sie Äpfel oder Weintrauben, meist in Frankreich:
"Da sind die Bedingungen besser als hier. Auch in kleinen Betrieben, Bauernhöfen, weil die sich nicht den Produktionsstress machen müssen, sondern anders arbeiten können. Nicht so wie hier, zehn Stunden, sieben Tage die Woche. Man kann sich gut unterhalten, nachdenken, man bewegt sich. (...) Eigentlich ist das toll."
Das Stück "Ernte" allerdings handelt nicht so sehr vom Ernte-Glück, - vielmehr von Zwängen und Unsicherheit, von Lohnarbeit und Sozialversicherung. Claudia Grehn nimmt die chinesische Kanne, schenkt den Tee ein - und erinnert sich noch einmal an die Inszenierung ihres ersten Stückes in Tübingen. Da hat etwas nicht funktioniert:
"Das, worum es in diesen Stücken geht, das ist nicht aufgeschrieben, das liegt irgendwo dazwischen und bei diesem Stück lag so viel dazwischen, dass es dann am Ende verloren gegangen ist."
Aus dieser Erfahrung hat sie eine Lehre gezogen. Sie möchte in Zukunft als Autorin auf der Bühne, mit der Regie und den Schauspielern das Stück gemeinsam weiterdichten. So geschehen zum Beispiel vor zwei Jahren anlässlich eines Projektes für das Prinzregententheater in München. Der Austausch, die Teamarbeit, ist wichtig geworden, für diese junge Frau mit den klaren Augen, mit dem klaren Blick.
In Trier ist sie aufgewachsen und lebt jetzt gerne hier im multikulturellen Berlin, in dieser Wohnung, die sie mit einer Künstlerin aus China teilt. Sie studiert an der Universität der Künste "Szenisches Schreiben". Hat sich an der Streikbewegung im vergangenen Sommer beteiligt, das Audimax mit-besetzt, und es genossen, so ganz direkt – mit den anderen - aktiv zu sein. All das gehört für sie zur Ausbildung.
"Man kann nicht einfach an eine Uni gehen und sagen – hier bin ich, mach was aus mir."
An der Uni gilt also wie am Theater: Zusammen kommt man weiter. Und schon ist sie wieder beim Thema Zusammenarbeit. Und denkt an die Zeit, als sie mit Maxim-Gorki-Theater Intendant Armin Petras gemeinsam Stücke aus dem Russischen übersetzt hat.
"Das bildet eben weiter. Weil man was erfährt über eine Arbeitsweise, oder über wie Texte geschrieben werden. Das gehört alles zur Ausbildung!"
Claudia Grehn schöpft Atem und nippt noch mal am grünen Tee. Es geht jetzt ein bisschen besser, mit dem Interview. Einmal hat sie sogar schon laut gelacht. Es ist aber einfach ihre Art, sehr, sehr vorsichtig mit den Worten umzugehen. Jedes Wort, das man ausspricht, könnte ja beim Gegenüber ein Konzept im Kopf auslösen. Um an das "Wesentliche" heranzukommen, das die junge Autorin so sehr interessiert, muss man eben eigentlich - dichten.
"Man kann ja durch Gedichte viel näher an die Menschen herankommen. (….) Es müsste Orte geben, wo Leute sich gegenseitig ihre Gedichte vortragen. Das fänd ich schön, das würde ich gerne mal anfangen!"
Service:
"Ernte", das Stück von Claudia Grehn, wird am 14.5.2010 auf dem Berliner Theatertreffen im Rahmen des Stückemarktes in einer Szenischen Lesung uraufgeführt.
"Ich glaube, das kann jeder schaffen. Ich find das total schade, dass das so wenig kultiviert wird. Ich würde so gerne lesen, was die Leute für Gedichte schreiben, (...) das fänd ich wahnsinnig spannend!"
Claudia Grehn steht in Berlin-Neukölln, in einer Altbauwohnung an ihrem Küchentisch. Sie wischt einmal mit einem Lumpen über's geblümte Wachstuch und kocht dann grünen Tee. Interviews zu geben - fällt ihr schwer. Sie denkt viel nach, auch, während sie spricht. Und sie tut genau das, was sie auch uns vorschlägt: Sie schreibt Gedichte. Auch Theaterstücke. Was sie dazu antreibt, weiß sie selbst nicht so genau.
"Es ist schon fast eine philosophische Frage, die ich nicht beantworten kann. Außer, dass mich das Wesentliche interessiert – und deswegen diese Form der Dichtung das ist, was ich mache. – Ja."
Dem "Wesentlichen" war sie auch in "heimlich – bestialisch – I can't wait to love in heaven" auf der Spur, - in dem Stück also, für das sie 2007 in Frankfurt an der Oder den Kleist-Preis für junge Dramatik gewonnen hat. Im Jahr darauf wurde das Stück am Landestheater Tübingen uraufgeführt. Die Kritik reagierte eher verhalten. Einer der Kritiker schrieb:
"Der Stücktext collagiert disparatestes Material, Notizen, Briefe, kurze Szenen, er deutet Figuren nur an - die Autorin scheint nicht in der Lage, eine große Struktur zu etablieren. Allerdings hat diese wilde, emotionale, oft verzweifelte Junge-Frauen-Prosa beim Lesen etwas Anrührendes: Hier berichtet jemand von den Schmerzen beim Heranwachsen - auf der Suche nach dem richtigen Leben."
Man merkt der schmalen, 28 Jahre jungen Frau an, dass sie sich mit aufrichtigem Ernst auf diese Suche nach dem richtigen Leben gemacht hat. Dass sie auch bereit ist, große Tiefen auszuloten. Derzeit arbeitet sie an einem Stück über Menschen, die mit "Stigmatisierung" kämpfen - im Abschiebeknast zum Beispiel.
Claudia Grehn setzt sich auf einen der beiden antiquarischen Küchenstühle mit den roten Polstern, nimmt ihre braunen Locken mit beiden Händen kurz im Nacken zusammen, - und lässt sie dann wieder auf die Schultern fallen. Sie überlegt, wie sie auf ihre Themen kommt:
"Ich glaube nicht, dass ich auf die Themen komme, sie sind ja einfach da. Es ist ja eben so, (..) erst mal wie in einem Dschungel von Problemen und Schmerzen – damit wird man konfrontiert und man muss sich da durchkämpfen und man muss versuchen, nicht aufzugeben und nicht unterzugehen. Oder?"
Es gibt aber auch Momente im Leben der jungen Autorin, in denen alles stimmt. Und das sind Momente, in denen sie mit anderen zusammenarbeitet. Von so einer Situation ist das Stück inspiriert, das jetzt auf dem Stückemarkt des Theatertreffens gezeigt wird. "Ernte" heißt es, - und sie weiß, was ernten heißt, denn jedes Jahr im Herbst pflückt sie Äpfel oder Weintrauben, meist in Frankreich:
"Da sind die Bedingungen besser als hier. Auch in kleinen Betrieben, Bauernhöfen, weil die sich nicht den Produktionsstress machen müssen, sondern anders arbeiten können. Nicht so wie hier, zehn Stunden, sieben Tage die Woche. Man kann sich gut unterhalten, nachdenken, man bewegt sich. (...) Eigentlich ist das toll."
Das Stück "Ernte" allerdings handelt nicht so sehr vom Ernte-Glück, - vielmehr von Zwängen und Unsicherheit, von Lohnarbeit und Sozialversicherung. Claudia Grehn nimmt die chinesische Kanne, schenkt den Tee ein - und erinnert sich noch einmal an die Inszenierung ihres ersten Stückes in Tübingen. Da hat etwas nicht funktioniert:
"Das, worum es in diesen Stücken geht, das ist nicht aufgeschrieben, das liegt irgendwo dazwischen und bei diesem Stück lag so viel dazwischen, dass es dann am Ende verloren gegangen ist."
Aus dieser Erfahrung hat sie eine Lehre gezogen. Sie möchte in Zukunft als Autorin auf der Bühne, mit der Regie und den Schauspielern das Stück gemeinsam weiterdichten. So geschehen zum Beispiel vor zwei Jahren anlässlich eines Projektes für das Prinzregententheater in München. Der Austausch, die Teamarbeit, ist wichtig geworden, für diese junge Frau mit den klaren Augen, mit dem klaren Blick.
In Trier ist sie aufgewachsen und lebt jetzt gerne hier im multikulturellen Berlin, in dieser Wohnung, die sie mit einer Künstlerin aus China teilt. Sie studiert an der Universität der Künste "Szenisches Schreiben". Hat sich an der Streikbewegung im vergangenen Sommer beteiligt, das Audimax mit-besetzt, und es genossen, so ganz direkt – mit den anderen - aktiv zu sein. All das gehört für sie zur Ausbildung.
"Man kann nicht einfach an eine Uni gehen und sagen – hier bin ich, mach was aus mir."
An der Uni gilt also wie am Theater: Zusammen kommt man weiter. Und schon ist sie wieder beim Thema Zusammenarbeit. Und denkt an die Zeit, als sie mit Maxim-Gorki-Theater Intendant Armin Petras gemeinsam Stücke aus dem Russischen übersetzt hat.
"Das bildet eben weiter. Weil man was erfährt über eine Arbeitsweise, oder über wie Texte geschrieben werden. Das gehört alles zur Ausbildung!"
Claudia Grehn schöpft Atem und nippt noch mal am grünen Tee. Es geht jetzt ein bisschen besser, mit dem Interview. Einmal hat sie sogar schon laut gelacht. Es ist aber einfach ihre Art, sehr, sehr vorsichtig mit den Worten umzugehen. Jedes Wort, das man ausspricht, könnte ja beim Gegenüber ein Konzept im Kopf auslösen. Um an das "Wesentliche" heranzukommen, das die junge Autorin so sehr interessiert, muss man eben eigentlich - dichten.
"Man kann ja durch Gedichte viel näher an die Menschen herankommen. (….) Es müsste Orte geben, wo Leute sich gegenseitig ihre Gedichte vortragen. Das fänd ich schön, das würde ich gerne mal anfangen!"
Service:
"Ernte", das Stück von Claudia Grehn, wird am 14.5.2010 auf dem Berliner Theatertreffen im Rahmen des Stückemarktes in einer Szenischen Lesung uraufgeführt.