Zurück zum Mond, voraus zum Mars

Von Guido Meyer |
In "Postcards from the Future" wird der Ingenieur Sean Evermann zunächst auf den Mond versetzt, später auf den Mars. Von dort schickt er Videobotschaften an seine Familie. Der Streifen von Alan Chan ist der erste Film, der die vor mehr als drei Jahren von US-Präsident George Bush ausgerufene "Vision zur Weltraumeroberung" aufgreift: zurück zum Mond, voraus zum Mars.
"Sie haben Post", würde wohl die Damenstimme eines großen amerikanischen Onlinedienstes an dieser Stelle sagen. Auch Karen Evermann bekommt regelmäßig Post von ihrem Mann – der ist nämlich auf dem Mond und schickt seine postalischen Grüße per Videobotschaften zur Erde. "Postcards from the Future", "Postkarten aus der Zukunft", heißt denn auch dieser 38-Minutenfilm in Tagebuchform.

"Es ist ein Videotagebuch. Viele der Einstellungen zeigen die Hauptperson, wie sie in die Kamera spricht. Am Anfang sehen wir Sean Evermann unterwegs mit dem Transportschiff zum Mond. An Bord baut er seine Webcam auf, die in der Schwerelosigkeit vor seinem Gesicht schwebt. Dann nimmt er die erste Botschaft an seine Frau auf. Anschließend tippt er die Kamera an, die sich sogleich um sich selbst dreht und uns so in das Innere des Raumschiffs blicken lässt. Das gibt dem Zuschauer das Gefühl, selber an Bord zu sein."

Alan Chan ist der Regisseur von "Postcards from the Future". Der Film ist in nur drei Tagen vor einer Greenscreen, einer grünen Wand, entstanden, komplett digital produziert und um Special Effects bereichert worden. Chan ist nicht nur Filmemacher, Trickspezialist und Regisseur, sondern auch selbst weltraumbegeistert.

"Aufgabe der NASA sollte sein, zum Mond zu fliegen und eine Infrastruktur aufzubauen. Dann könnte der private Sektor kommen und mit dem Ausbau beginnen. In dieser Geschichte fliegt der Ingenieur Sean Evermann zum Mond, um eine Stromversorgung zu errichten. Danach können Firmen mit der Kommerzialisierung des Mondes beginnen und den Erdtrabanten kolonisieren, denn nun gibt es eine Infrastruktur."

Sean Evermann hat auf dem Mond Erfolg. Nachdem dieser Grundstein gelegt ist, folgen kommerzielle Unternehmen und beginnen mit der industriellen Produktion von Computerchips auf dem Erdtrabanten, fliegen Touristen zum Mond und bauen einen Weltraumfahrstuhl.

"Der Handlungsstrang ist so ziemlich frei erfunden, aber er beruht auf den offiziellen Explorationszielen, die dieses Land seit einiger Zeit verfolgt. Die von uns gezeigte Technologie ist für eine breite Öffentlichkeit gedacht und nicht von der NASA abgesegnet. Sie ist aber realistisch und sie beinhaltet Theorien und Ideen, die derzeit umgesetzt werden."

Mit Unfällen beim Aufbau einer Mondstation ist zu rechnen – und sie werden passieren.

Die ersten Menschen werden auf dem Mond sterben. Es wird Rückschläge geben – und Fortschritte. Aus der winzigen Basis am Mond-Nordpol wächst ein Netz aus Stationen, die den ganzen Himmelskörper überziehen. Sechs Jahre ist die Hauptfigur nun fernab des Heimatplaneten.

"Während seines Aufenthaltes auf dem Mond kehrt Sean Evermann jeden Monat zurück zur Erde, um seine Frau und seine Kinder zu besuchen. Sein Job ist eine Art Opfer, das er bringt: Er verzichtet darauf, mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen, um stattdessen an einem Zukunftsprojekt für die Menschheit mitzuarbeiten. Diese Lebensleistung ist es, die einen Menschen nach seinem Tod als erfolgreich erscheinen lässt oder nicht."

In seiner Rede zur Weltraumpolitik Anfang 2004 hat US-Präsident George Bush der Raumfahrtbehörde seines Landes die Vision für die nächsten Jahrzehnte vorgegeben: zurück zum Mond, voraus zum Mars. Und so startet auch in diesem Film der erste bemannte Flug zum Roten Planeten. Die Helden werden zum Liebling der Presse – solange, bis auch diese Odyssee Todesopfer fordert.

"Wenn Sie Menschen zum Mars schicken, dann wissen sie, dass es eine gefährliche, riskante Mission ist. Die Astronauten nehmen dieses Risiko in Kauf. Im Film gibt es unterwegs einen Unfall, bei dem einige Crewkameraden umkommen. Zuhause wird diskutiert, die Mission abzubrechen. Die überlebenden Mannschaftsmitglieder senden jedoch eine Videobotschaft an die Erde und bitten, den Flug fortführen zu dürfen."

"Postcards from the Future" greift der Realität voraus. Bis zur Rückkehr zum Mond werden noch mindestens zehn Jahre vergehen, für eine erste Mission von Menschen zum Mars gibt es noch nicht mal ein Datum. Ein mögliches Ziel von Menschen auf dem Weg "beyond", jenseits von Mars, gibt der Film bereits vor: Im Finale stehen Sean Evermann und seine Tochter als erste Menschen auf Titan, einem der Monde Saturns. Die Stiefel ihrer Weltraumanzüge stehen auf dem orangen Staubboden, am Himmel prangt riesig der nahe Ringplanet. Schöner können Postkarten aus der Zukunft nicht aussehen ...