Zur #MeToo-Kritik aus Frankreich

"Dieser Aufruf geht ins Leere"

Eine Frau wird belästigt und hält die Hand zur Abwehr
Der offene Brief gegen #MeToo von 100 größtenteils französischen Frauen sorgt für heftige Diskussionen und viel Kritik. © imago stock&people/ Erwin Wodicka
Elisabeth Ruge im Gespräch mit Anke Schaefer · 10.01.2018
Geht ohne die Freiheit zu belästigen die sexuelle Freiheit verloren, wie der offene Brief von Catherine Deneuve und Co. behauptet? "Das Wort belästigen ist für mich frei von jeder erotischen Konnotation", meint die Literaturagentin Elisabeth Ruge. Belästigung sei nun mal Last.
"Vergewaltigung ist ein Verbrechen, aber eine beharrliche oder ungeschickte Anmache ist nicht strafbar": Der offene Brief gegen #MeToo von 100 größtenteils französischen Frauen, darunter Catherine Deneuve, Ingrid Caven und Catherine Millet, sorgt für heftige Diskussionen und viel Kritik.
Auch die Literaturagentin Elisabeth Ruge sieht den Vorstoß von Deneuve & Co. kritisch:
"Ich finde, das Wort belästigen alleine ist für mich so frei von jeder erotischen Konnotation, dass dieser Aufruf für mich doch irgendwie ins Leere geht."
Belästigung sei "Last", so Ruge im Deutschlandfunk Kultur. Auch klammere der Aufruf einen wichtigen Aspekt der MeToo-Diskussion aus:
"Nämlich die Frage der Macht und des Machtgefälles und der Autorität – der Stellung, die die unterschiedlichen Personen einnehmen."

Ein Bereich, der von Unsicherheit geprägt ist

Einige Gedanken aus dem Aufruf fände sie allerdings "absolut richtig und auch wichtig", räumt Ruge ein.
"Und sie entsprechen auch der Lebenserfahrung von den meisten von uns: Die Sexualität, Erotik ist eben ein Bereich, der Gott sei Dank von einer großen Unsicherheit auch geprägt ist. Das macht es spannend, es zeigt die Verletzlichkeit des Menschen."
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Die Literaturagentin Elisabeth Ruge.© Foto: Stefan Nimmesgern

Dem Anderen nicht gleich das Schlimmste unterstellen

Insgesamt empfinde sie die Debatte um MeToo "absolut als Gewinn", betont die Literaturagentin.
"Ich fände sie aber auf allen Seiten fruchtbarer, wenn man auf eine bestimmte Wortwahl verzichten würde (...) und wenn man sich gegenseitig zugestehen würde, dass dies ein Gebiet ist, auf dem es eine große Unsicherheit gibt." Dass das aber auch gerade die Menschlichkeit ausmache. "Und dass man vielleicht auch – im Englischen gibt es die schöne Redewendung 'the benefit of the doubt' – also dem anderen auch begegnet und erstmal nicht das Schlimmste annimmt."

Die gesamte Sendung mit Elisabeth Ruge können Sie hier nachhören: Audio Player

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