Zur Einstellung der Ermittlungen gegen das ZPS

Politische und juristische Aufarbeitung notwendig

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Ruch spricht in ein Megaphon. Sein Gesicht ist teilweise schwarz angemalt.
Noch nie zuvor wurde in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte einer Künstlergruppe unterstellt, eine kriminelle Vereinigung zu sein mit dem Ziel, Straftaten zu begehen. © imago/Sachelle Babbar
Von Henry Bernhard · 08.04.2019
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Die Ermittlungen gegen das Zentrum für Politische Schönheit wurden eingestellt. Die Künstlergruppe war verdächtigt worden, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Sie fordert nun zu Recht Akteneinsicht, meint Landeskorrespondent Henry Bernhard.
Was lange währt, wird manchmal gut. Manchmal geht es aber auch mit bitterem Nachgeschmack zu Ende. Im Falle des Ermittlungsverfahrens gegen das Zentrum für Politische Schönheit sollte es nicht beim Nachgeschmack bleiben. Hier muss es politische und juristische Nachuntersuchungen geben.
Die Geschichte war ein Novum: Noch nie wurde in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte einer Künstlergruppe unterstellt, eine kriminelle Vereinigung zu sein, deren Ziel es ist, Straftaten zu begehen.

Es stellen sich immer mehr Fragen

Zwar wurde das Ermittlungsverfahren gegen das "Zentrum für Politische Schönheit" (ZPS) am Montag auf Druck des Thüringer Justizministers und des Generalstaatsanwalts eingestellt, aber es stellen sich immer mehr Fragen:
Wie kann ein offensichtlich absurdes Ermittlungsverfahren fast 500 Tage andauern, ohne dass dem ermittelnden Staatsanwalt auf die Finger geschaut wird? Welche politische Agenda verfolgte der Staatsanwalt Martin Zschächner in dem Verfahren, das der Schnüffelei Tür und Tor öffnet, bei dem eine Anklage nicht denkbar, vielleicht auch gar nicht vorgesehen war?

Von Björn Höcke zu Ermittlungen aufgefordert?

Wurden V-Leute eingesetzt, Telefone abgehört? Hat er sich gar von dem rechtsextremen Vorsitzenden der Thüringer Afd, Björn Höcke, zu dem Ermittlungsverfahren auffordern lassen? Denn Höcke hatte das Zentrum für politische Schönheit gerade vier Tage vor Eröffnung des Verfahrens öffentlich als "kriminelle Vereinigung" bezeichnet.
Eine Parteispende des Staatsanwalts für die AfD lässt eine politische Nähe vermuten. Der Blick auf andere Verfahren, die der Staatsanwalt in Gera geführt oder auch eingestellt hat, lässt noch Böseres vermuten. Da ist von völlig überzogenen Razzien gegen linke Aktivisten die Rede, von maßlosen Vorhaltungen.

Übergroße Nachsicht auf der rechten Seite

Dagegen wird dem Staatsanwalt eine übergroße Nachsicht auf der anderen Seite des politischen Spektrums nachgesagt: Holocaustleugner und Antisemiten können mit Nachsicht rechnen, ebenso AfD-Politiker, die gewalttätige Drohungen gegen linke Politiker ausstoßen.
Auch Rassisten genießen das Verständnis des Staatsanwalts: Dass "Afros nicht wie wir" seien, sondern "Urmenschen, die in die Zivilisation hineingezwungen worden" seien, sei "weder beschimpfend noch böswillig verächtlich machend", sondern eine "Äußerung zur Zivilisationsgeschichte".

Recht auf Akteneinsicht

Ein deutscher Staatsanwalt des 21. Jahrhunderts, der eine solche politische Schlagseite hat und für den die Menschenwürde des Grundgesetzes so wenig zählt, ist wohl fehl am Platz. Darüber muss sich der Thüringer Justizminister, der in der Sache erst auf erheblichen Druck tätig wurde, Gedanken machen. Und das Zentrum für politische Schönheit besteht zu Recht auf Akteneinsicht.
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